Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringung von Asylbewerbern: vorzeitige Vertragsauflösung, Abfindung
Leitsatz (NV)
- Hat der Betreiber einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber das ihm für die Unterbringung vom Landkreis gezahlte Entgelt umsatzversteuert, so hat er damit auf eine (etwaige) Steuerbefreiung verzichtet.
- Dieser Verzicht umfasst auch eine vom Landkreis an den Betreiber gezahlte Abfindung für die Aufgabe von Rechten aus dem Mietvertrag.
Normenkette
UStG 1993 § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a, S. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) stellte einem Landkreis zwei Gemeinschaftsunterkünfte für die Unterbringung von Asylbewerbern zur Verfügung. Grundlage waren 1992 und 1993 geschlossene Verträge mit einer Laufzeit bis April 2002 bzw. Ende 1994, jeweils mit Verlängerung um ein Jahr.
In den Jahren 1993 und 1994 kündigte der Landkreis die Verträge zum Ablauf der Jahre 1993 bzw. 1994, weil die Zahl der unterzubringenden Asylbewerber erheblich zurückging. Daraufhin führte der Kläger gegen den Landkreis insgesamt vier Rechtsstreite vor dem Landgericht, wobei es auch um die Wirksamkeit der Kündigungen ging.
Im Jahr 1995 (Streitjahr) schlossen der Kläger und der Landkreis zwei Vergleiche, aufgrund deren der Kläger 5 570 000 DM sowie das Mobiliar einer Gemeinschaftsunterkunft mit einem Gesamtwert von ca. 500 000 DM erhielt. Diese Zahlungen und Leistungen unterwarf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) in den Umsatzsteuerbescheiden für 1994 und 1995 der Umsatzbesteuerung. Das FA ging dabei davon aus, dass von den Zahlungen ein Betrag in Höhe von 570 000 DM im Jahr 1994 zu erfassen sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers im Wesentlichen ab. Es gab der Klage auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 1994 statt, weil die Zahlung des Klägers in Höhe von 570 000 DM nicht im Jahr 1994 der Umsatzbesteuerung unterliege. Hinsichtlich des Streitjahres 1995 wies das FG die Klage ab.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens erließ das FA einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1995, in dem es nunmehr die Zahlung von 570 000 DM gemäß § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) im Jahr 1995 berücksichtigte. Der Kläger hat diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Er begehrt Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Anwendbar ist die Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. nach In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567), weil die angefochtene Entscheidung des FG nach dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
2. Die Revision kann nicht aufgrund eines Verfahrensmangels zugelassen werden.
a) Der Kläger macht insoweit geltend, das FG habe entgegen seiner Sachverhaltsaufklärungspflicht nicht erforscht, dass die ursprünglich mit dem Landkreis vereinbarten Unterbringungsverträge langfristige und damit umsatzsteuerbefreite Mietverträge mit dem Landkreis darstellten. Unterliege die Vermietung nicht der Umsatzbesteuerung, so sei auch nicht eine Abfindung zu besteuern, die eine der Vertragsparteien der anderen wegen des vertraglichen Verzichts auf die Rechte aus einem Mietvertrag gezahlt habe (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH― vom 15. Dezember 1993 Rs. C-63/92, Lubbock Fine, Slg. 1993, I-6665, BStBl II 1995, 480).
b) Mit diesem Vortrag macht der Kläger keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern im Kern unrichtige Rechtsanwendung durch das FG geltend. Überdies ist der Vortrag des Klägers insoweit nicht schlüssig. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zahlungen an den Kläger nicht nach den Rechtsgrundsätzen des bezeichneten EuGH-Urteils steuerfrei zu belassen sind; denn der Kläger hat nach den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil seine Mietumsätze versteuert und damit auf eine (etwaige) Steuerbefreiung verzichtet. Dieser Verzicht erfasst sowohl die Erfüllungsleistungen wie auch eine Abfindung für die Aufgabe von Rechten aus dem Mietvertrag (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. März 1998 XI B 73/97, BFH/NV 1998, 1381).
3. Der Kläger hat auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
a) Hierzu hat der Kläger lediglich in Anlehnung an das Urteil des FG München vom 22. November 2000 3 K 476/97 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 465) ausgeführt, ein Verzicht auf die weitere Vertragsdurchführung stelle keine sonstige Leistung im Sinne des Mehrwertsteuersystems dar.
b) Mit diesem Vorbringen wendet sich der Kläger gegen die Würdigung des FG, legt aber nicht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar. Es fehlt bereits an der Herausarbeitung einer konkreten Rechtsfrage.
Im Übrigen hat das FG im Streitfall ausgehend von den Rechtsgrundsätzen im Senatsurteil vom 10. Dezember 1998 V R 58/97 (BFH/NV 1999, 987) ―nach einer Beweisaufnahme― einen Einzelfall gewürdigt und dabei u.a. dargelegt, der Streitfall unterscheide sich von dem Sachverhalt, der dem bezeichneten Urteil des FG München zugrunde liege. Eine Auseinandersetzung mit diesen Ausführungen enthält die Beschwerdeschrift nicht.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen