Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung von Beiladungsbeschlüssen; Mindestanforderungen
Leitsatz (NV)
- Im finanzgerichtlichen Verfahren erlassene Beiladungsbeschlüsse sind zu begründen.
- Ein Beschluss, der nur den gesetzlichen Wortlaut der Beiladungsvorschrift wiedergibt, erfüllt nicht die Mindestanforderungen, die an eine Begründung zu stellen sind.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3, 4 S. 2, § 113 Abs. 2 S. 1; VwGO § 65 Abs. 4 S. 3; SGG § 75 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Die Vorinstanz erließ am 15. Januar 2001 einen Beiladungsbeschluss mit folgendem Tenor:
Die Kindesmutter, Frau A in X wird gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu dem Verfahren beigeladen, weil die Entscheidung über die Kindergeldberechtigung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nur einheitlich ergehen kann.
Eine Begründung enthält die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) nicht.
Gegen den Beschluss legte der Kläger Beschwerde ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, auf Antrag des Jugendamtes vom 22. April 1996 habe das Amtsgericht X zunächst die Kindesmutter zur Kindergeldberechtigten für den Sohn B bestimmt (§ 64 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Mit Beschluss vom 29. November 1996 habe das Amtsgericht jedoch seiner Erinnerung stattgegeben und ihn anstelle der Kindesmutter zum Berechtigten bestimmt. Entgegen der Ansicht des FG sei nicht die Frage der Kindergeldberechtigung streitig. Es gehe lediglich darum, für welchen Zeitraum der Beklagte und Beschwerdegegner (das Arbeitsamt ―Familienkasse―) Kindergeld nachzuzahlen habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Erlässt das FG einen Beiladungsbeschluss, so muss dieser begründet werden (vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 17. Juni 1993 VIII R 55/92, VIII B 110/92, BFH/NV 1994, 334). Dies ergibt sich aus § 113 Abs. 2 Satz 1 FGO, wonach Beschlüsse zu begründen sind, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können. Insofern besteht ein Unterschied zu Beiladungen im Verwaltungsprozess (vgl. § 65 Abs. 4 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ―VwGO―; § 75 Abs. 3 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes ―SGG―), wonach ein die Beiladung aussprechender Beschluss unanfechtbar ist (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 65 Tz. 37; BFH-Urteil vom 27. Mai 1981 I R 112/79, BFHE 133, 526, BStBl II 1982, 192, 194).
Die zur Begründung von Urteilen (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO) entwickelten Grundsätze gelten für Beschlüsse entsprechend (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 113 FGO Rz. 51 ff., m.w.N., und Hinweisen auf Begründungserleichterungen und Bezugnahmen). Anhand der Entscheidungsbegründung sollen die Beteiligten ―wie auch der Beigeladene― die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels beurteilen können. Die Entscheidungsgründe ermöglichen eine Selbstkontrolle des erkennenden Gerichts und sind ferner Grundlage für eine Prüfung durch die Rechtsmittelinstanz (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 105 FGO Tz. 6). Die Begründung der Entscheidung muss daher erkennen lassen, auf welche tatsächlichen Feststellungen und auf welche rechtlichen Erwägungen das Gericht seine Entscheidung gestützt hat. Inhalt und Umfang der notwendigen Begründung richten sich dabei nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes und nach den Umständen des einzelnen Falles (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 113 FGO Rz. 51 ff.).
Die Pflicht zur Begründung eines Beiladungsbeschlusses wird im Übrigen ergänzt durch die Bestimmung des § 60 Abs. 4 Satz 2 FGO. Danach sollen in dem Beiladungsbeschluss der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden (zu Einzelheiten Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Tz. 96).
2. Im Streitfall hat die Vorinstanz in ihrem Beiladungsbeschluss im Wesentlichen nur den Wortlaut des § 60 Abs. 3 FGO wiedergegeben und ohne nähere Erläuterung angeführt, der Tatbestand dieser Vorschrift sei erfüllt. Damit wird den Mindestanforderungen an die Begründung eines Beiladungsbeschlusses nicht genügt (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 113 FGO Rz. 52, m.w.N.; Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 113 FGO Tz. 43). Der Senat vermag insbesondere nicht zu erkennen, von welchen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen die Vorinstanz bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist.
3. Der Senat hält es für angezeigt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 132 Anm. 10; BFH-Beschlüsse vom 15. Juli 1999 V B 25/99, BFH/NV 2000, 192; vom 27. März 1991 I B 187/90, BFHE 164, 173, BStBl II 1991, 643; vom 26. März 1991 VIII B 83/80, BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463, 464). Das FG wird, falls es auch im zweiten Rechtsgang an der Beiladung der Kindesmutter festhält, seine Gründe nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen darzulegen haben.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird dem FG übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO; Gräber/Ruban, a.a.O., § 143 Anm. 8). Der Senat hält es hingegen für geboten, für das Beschwerdeverfahren von den Gerichtskosten abzusehen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 641343 |
BFH/NV 2001, 1597 |
AO-StB 2001, 221 |