Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz, Rechtsanwendungsfehler, Akteninhalt
Leitsatz (NV)
1. Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das FG bei einem gleich oder ähnlich gelagerten Sachverhalt in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der ‐ dieselbe Rechtsfrage betreffenden - Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht. Hingegen werden mit einer unzutreffenden Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie einer fehlerhaften Rechtsanwendung oder schlichten Subsumtionsfehlern materiell-rechtliche Fehler gerügt; damit kann die Zulassung der Revision (wegen Divergenz) nicht erreicht werden.
2. Etwaige Unzulänglichkeiten oder Unrichtigkeiten im Tatbestand des FG-Urteils sind mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim FG geltend zu machen.
3. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint.
4. Ein Verstoß gegen § 119 Nr. 6 i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO liegt nicht vor, wenn die Entscheidungsgründe des FG-Urteils hinreichend erkennen lassen, auf Grund welcher Erwägungen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist.
5. Setzen die Kläger letztlich ihre eigene Sachverhaltswürdigung und Rechtsansicht anstelle der des FG und rügen mit ihren ‐ zum Teil nach Art einer Revisionsbegründung gehaltenen - Einwänden die fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie die unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler, kann damit die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 105 Abs. 2 Nr. 5, §§ 108, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 6; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 11.06.2008; Aktenzeichen 4 K 5332/04) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemach-ten Zulassungsgründe nicht vor.
1. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) ist nicht erforderlich. Es bleibt dahingestellt, ob die Kläger die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der (vermeintlichen) Divergenzentscheidung (BFH-Urteil vom 13. April 1989 IV R 204/05, BFH/NV 1990, 34) so herausgearbeitet und gegenübergestellt haben, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird. Jedenfalls liegt die gerügte Divergenz nicht vor. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei einem gleich oder ähnlich gelagerten Sachverhalt in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der --dieselbe Rechtsfrage betreffenden-- Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht (z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2005 IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768; vom 29. April 2008 IX B 15/08, BFH/NV 2008, 1350, unter 3., m.w.N.).
Im Streitfall hat das FG ausgehend von der ständigen BFH-Rechtsprechung den an die Kläger gezahlten Gesamtkaufpreis (mit Barzahlung und übernommenen Verbindlichkeiten) auf die Geschäftsanteile bzw. einzelnen Wirtschaftsgüter nach dem Verhältnis der Verkehrswerte aufgeteilt. Mit einer (vermeintlich) unzutreffenden Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie einer (vermeintlich) fehlerhaften Rechtsanwendung oder schlichten Subsumtionsfehlern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. November 2007 VIII B 70/07, BFH/NV 2008, 380; vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.) rügen die Kläger materiell-rechtliche Fehler; damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden, zumal ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht nicht dargetan ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom 30. Januar 2007 IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146).
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht gegeben. Etwaige Unzulänglichkeiten oder Unrichtigkeiten im Tatbestand des FG-Urteils hätten die Kläger mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO beim FG geltend machen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Juni 2008 IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512; vom 21. Oktober 2005 IX B 164/05, BFH/NV 2006, 340, m.w.N.).
a) Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde gelegt hat; insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. August 2006 IX B 184/05, BFH/NV 2007, 70; vom 7. April 2005 IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354, m.w.N.). Dabei ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt und Vortrag in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat (z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 X B 89/07, BFH/NV 2008, 599; vom 15. April 2008 IX B 159/07, BFH/NV 2008, 1341).
Im Streitfall liegt ein solcher als Verfahrensmangel zu wertender Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2003 XI B 180/01, BFH/NV 2004, 525; vom 22. Juli 2004 II B 26/03, BFH/NV 2004, 1546) nicht vor. Abgesehen davon, dass die Kläger die vom FG (vermeintlich) nicht berücksichtigten Aktenteile nicht genau bezeichnet haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. März 2007 X B 37/06, BFH/NV 2007, 1138; vom 29. April 2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303, m.w.N.), hat das FG insbesondere den Prozessvergleich vom Dezember 1997 und den Vergleichserfüllungsvertrag vom Dezember 1998 ersichtlich in seine Erwägungen einbezogen; demgegenüber gehen die Kläger von einem aus ihrer Sicht anders zu beurteilenden Sachverhalt aus und rügen eine fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt aber nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint. Zudem kommt es auf den maßgebenden, hier auf einer anderen Sachverhaltswürdigung beruhenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2005 III B 13/04, BFH/NV 2005, 1065; vom 27. August 2008 IX B 207/07, BFH/NV 2008, 2022, unter 4. a). Daher handelt es sich --einschließlich der (vermeintlich) unzutreffenden Vertragsauslegung durch das FG (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2008, 1350; vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675)-- allenfalls um materiell-rechtliche Fehler, nicht aber um einen Verfahrensverstoß (s. BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2008 VIII B 62/07, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; vom 24. April 2007 VIII B 251/05, BFH/NV 2007, 1521, m.w.N.). Die damit geltend gemachte fehlerhafte Rechtsanwendung vermag indes die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
Soweit die Kläger darüber hinaus mit der Unterstellung von Tatsachen eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügen sollten, fehlt es bereits an den für eine hinreichende Darlegung erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (zur unterlassenen Amtsermittlung vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43).
b) Zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (z.B. BFH-Beschluss vom 6. September 2007 III S 27/07, BFH/NV 2007, 2327, m.w.N.), nicht jedoch, der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 2008 2 BvR 2062/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die von den Klägern vertretene Rechtsansicht --wie vorliegend-- auf einer vom FG abweichenden Sachverhaltswürdigung oder Vertragsauslegung beruht, so dass letztlich eine fehlerhafte Rechtsanwendung und damit materiell-rechtliche Fehler geltend gemacht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. April 2007 V B 122/05, BFH/NV 2007, 1517; vom 17. Juli 2008 IX B 234/07, n.v., juris, m.w.N.). Zudem ist das FG weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet, also dazu, die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten vorher umfassend und im Einzelnen zu erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen. Vielmehr muss ein --fachkundig vertretener-- Beteiligter gerade bei --wie hier-- umstrittener Sach- und Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Dezember 2006 IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084, unter 3. a; vom 18. Dezember 2007 XI B 178/06, BFH/NV 2008, 562, unter 2. a, jeweils m.w.N.).
Danach hat das FG den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Zudem haben die Kläger nicht dargetan, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten, und dass sie --trotz Erörterungstermin und mündlicher Verhandlung-- keine Möglichkeit besessen hatten, die Gehörsverletzung bereits vor Ergehen der Entscheidung zu beanstanden, bzw. dass sie den Verfahrensverstoß beim FG gerügt haben (z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196; vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974).
c) Ein Verstoß gegen § 119 Nr. 6 i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO (dazu s. BFH-Beschluss vom 27. März 2008 IX B 36/07, BFH/NV 2008, 1149, unter 4. a, m.w.N.) liegt nicht vor. Die Entscheidungsgründe (s. FG-Urteil S. 16 bis 22), die im Übrigen die Begründung "in vollem Umfang" einem Urteil desselben Senats vom selben Tag zu denselben Rechtsfragen übernehmen, lassen hinreichend erkennen, auf Grund welcher Erwägungen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist.
3. Letztlich setzen die Kläger ihre eigene Sachverhaltswürdigung und Rechtsansicht anstelle des FG und rügen mit ihren --zum Teil nach Art einer Revisionsbegründung gehaltenen-- Einwänden die fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie die unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; in BFH/NV 2007, 1084, unter 4.).
Fundstellen