Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung des USt-Vorauszahlungsbescheides durch Jahresbescheid im NZB-Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Wird während des Verfahrens über eine zulässige Beschwerde der angefochtene Vorauszahlungsbescheid ersetzt, wird dieser in entsprechender Anwendung des § 68 FGO Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
2. Enthält der Bescheid gegenüber dem angefochtenen Vorauszahlungsbescheid eine Verböserung, die bisher erstinstanzlich nicht überprüft worden ist, ist die Sache schon aus diesem Grund an das FG zurückzuverweisen.
3. Einer Aufhebung der Vorentscheidung bedarf es allerdings nicht, wenn die verbösernde Entscheidung nicht streitig ist.
Normenkette
FGO §§ 68, 127
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 13.10.2005; Aktenzeichen 6 K 679/05) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Nachdem er für das zweite Quartal 2004 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte, erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid II/2004. Der vom Kläger nicht weiter begründete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Aufhebung dieses Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids. Der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) wies den Kläger mit Schreiben vom 22. August 2005 darauf hin, das Klagebegehren sei mit dem Antrag auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheids nicht hinreichend bezeichnet, wenn --wie hier-- davon auszugehen sei, dass sich die Klage offensichtlich nur gegen die Höhe der Steuerfestsetzung richte; denn er sei auch im zweiten Quartal 2004 als Steuerberater tätig gewesen und das FA habe die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Anhaltspunkte dafür, dass er mit der Klage die Steuerfestsetzung dem Grunde nach für unzulässig halte, lägen nicht vor. Nachdem der Kläger innerhalb der ihm zur Bezeichnung des Klagebegehrens gesetzten Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) keine weitere Begründung eingereicht hatte, wies das FG die Klage im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2005, zu der der Kläger nicht erschienen war, als unzulässig zurück.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde.
Während des Beschwerdeverfahrens, am 29. Mai 2006, erging der Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2004.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde führt aus anderen als den geltend gemachten Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 127 FGO).
1. Der Kläger macht geltend, das FG habe infolge fehlerhafter Auslegung seines Klageantrages zu Unrecht entschieden, dass die Klage unzulässig sei. Er macht damit jedenfalls schlüssig einen Verfahrensmangel geltend, denn ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kann vorliegen, wenn das FG infolge fehlerhafter Auslegung der Klageschrift oder von Prozesserklärungen zu Unrecht entschieden hat, dass die Klage unzulässig sei (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 2005 XI B 45/03, BFH/NV 2005, 2029; vom 22. Januar 1991 V B 119/89, BFH/NV 1992, 667).
2. Offenbleiben kann, ob der geltend gemachte Verfahrensmangel tatsächlich vorliegt, denn die Vorentscheidung war entsprechend § 127 FGO aufzuheben, weil während des Beschwerdeverfahrens der angefochtene Bescheid durch den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2004 ersetzt worden ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung verlieren Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide durch den Umsatzsteuer-Jahresbescheid ihre Wirksamkeit und nimmt der Jahresbescheid die Vorauszahlungsbescheide in seinem Regelungsgehalt auf (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671; BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502). Wird deshalb während des Verfahrens über eine zulässige Beschwerde der angefochtene Vorauszahlungsbescheid ersetzt, wird dieser in entsprechender Anwendung des § 68 FGO Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 2003 II B 31/00, BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237; vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566; vom 18. Januar 2005 VIII B 97/03, BFH/NV 2005, 899).
b) Enthält der Bescheid gegenüber dem angefochtenen Vorauszahlungsbescheid eine Verböserung, die bisher erstinstanzlich nicht überprüft worden ist, ist die Sache schon aus diesem Grund an das FG zurückzuverweisen (entsprechend § 127 FGO und dazu BFH-Beschluss in BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237). Einer Aufhebung der Vorentscheidung bedarf es allerdings nicht, wenn die verbösernde Entscheidung nicht streitig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 31. Mai 2005 VIII B 294/03, BFH/NV 2005, 1832). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Die im Jahressteuerbescheid für 2004 festgesetzte Umsatzsteuer ist höher als die im Vorauszahlungsbescheid für das zweite Kalendervierteljahr festgesetzte Umsatzsteuer und die Beteiligten haben die Erhöhung nicht unstreitig gestellt.
Fundstellen