Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbösernde kraftfahrzeugsteuerrechtliche Änderungsfestsetzung
Leitsatz (NV)
Keine Aussetzung der Vollziehung einer verbösernden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Änderungsfestsetzung, wenn die zugrundeliegende Fahrzeugeinstufung (Pick-up mit Doppelkabine als PKW) durch stärkere Gründe gestützt wird.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; KraftStG § 8; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Das von dem Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) gehaltene "Pick-up"- Fahrzeug der Marke "Mitsubishi L 200" (Doppelkabine; fünf Sitzplätze; zulässiges Gesamtgewicht 2625 kg), verkehrsrechtlich als "Lkw (offen, Kasten)"eingestuft, wurde von dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt -- FA --) zunächst gewichtbesteuert (Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 28. September 1994), später aber, nach Bekanntwerden der vollständigen Fahrzeugdaten, durch den auf §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 6. Juli 1995 (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1996) der Hubraumbesteuerung unterworfen. Gegen diese Besteuerung richtet sich die Klage des Antragstellers, der vorträgt, aufgrund der Fahrzeugbeschaffenheit (Nutz-Aufliegelast 945 kg; zulässige Achslast 1,1 t; offene, verlängerbare Ladefläche 1,53 1,41 m) ergebe sich, daß die Mitnahme von Personen kein wesentlicher Faktor sei; auch tatsächlich werde das Fahrzeug zur Beförderung von Gütern (Holz, Futter usw.) auf seinem -- des Antragstellers -- Anwesen eingesetzt. Über die Klage ist noch nicht entschieden. Das Finanzgericht (FG) setzte die Vollziehung des Änderungsbescheids antragsgemäß hinsichtlich der Besteuerung für die Zeit vom 9. September 1994 bis 8. September 1995 aus. Zur Begründung führte es aus, zwar sei die rückwirkende Änderung der Besteuerung an sich gerechtfertigt, doch ergäben sich zur Vollziehungsaussetzung führende Rechtmäßigkeitszweifel, weil über die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einstufung entsprechender Fahrzeuge noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliege, wohl aber ein Urteil des FG Nürnberg (vom 12. November 1996 VI 174/94, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 497 f.), das die Einstufung als Lastkraftwagen bejahe. Auf den Abdruck der Vorentscheidung in Umsatzsteuer- und Verkehr steuer-Recht (UVR) 1997, 181 (Leitsatz in EFG 197, 833) wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich das FA gegen die Vollziehungsaussetzung. Es trägt vor, Fahrzeuge wie dasjenige des Antragstellers seien schon herstellerseitig -- auch -- für die Personenbeförderung konzipiert. Die Ladefläche des Fahrzeugs sei wesentlich kleiner als der Raum in der für die Personenbeförderung vorgesehenen und entsprechend ausgestatteten Doppelkabine. Es handele sich um einen als Personenkraftwagen geltenden Kombinationskraftwagen. Nach ausländischem Recht vorgeschriebene Abgrenzungen seien entgegen der Ansicht des FG Nürnberg (a. a. O.) unmaßgeblich. Die Voraussetzungen einer rückwirkenden Änderungsfestsetzung seien gegeben.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf den überwiegenden Zweck des Fahrzeugs (Güterbeförderung), für den dieses beschaffenheitsgemäß bestimmt sei. Eine wahlweise vorwiegende Personenbeförderung sei nicht möglich. Der verkehrsrechtlichen Einordnung sei auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich zu folgen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags. Die hier lediglich erforderliche summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit der Änderungsfestsetzung läßt die Vollziehungsaussetzung rechtfertigende ernstliche Rechtmäßigkeitszweifel (§69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nicht erkennen. Überwiegende Gründe sprechen vielmehr für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung. Ob sie letztlich stichhaltig sind oder nicht, wird erst im Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein.
Richtig ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß ernstliche Zweifel bestehen können, wenn die streitige Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (vgl. nur Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl 1997, §69 Anm. 78, m. w. N.). Das FG hat insoweit auf das seiner eigenen Rechtsprechung (Urteil vom 17. Juli 1996 4 K 2692/94, UVR 1996, 348 -- "Misubishi L 200" als PKW --; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Senatsbeschluß vom 15. November 1996 VII B 208/96, BFH/NV 1997, 259) widersprechende Urteil des FG Nürnberg in EFG 1997, 497 ("Pick-up" mit Doppelkabine als LKW) verwiesen. Zu der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Frage liegt jedoch inzwischen eine Entscheidung des beschließenden Senats vor. Der Senat hat das Urteil in EFG 1997, 497 zwar bestätigt (Urteil vom 26. Juni 1997 VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810), dies indessen nur im Hinblick auf eine weitere -- selbständige -- Urteilserwägung. Im übrigen hat der Senat ausgeführt:
"Gegen die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung des Fahrzeugs bestehen allerdings Bedenken. Das FG hat das Fahrzeug nicht als Personenkraftwagen (§8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes -- KraftStG --), sondern als gewichtsteuerbaren ,anderen` Kraftwagen (§8 Nr. 2 KraftStG) -- Lastkraftwagen -- angesehen, weil dies der ,Hersteller-Zulassung` und der verkehrsrechtlichen Genehmigung entspreche; das äußere Erscheinungsbild sei ebensowenig maßgebend wie die nunmehrige verkehrsrechtliche Einstufung entsprechender Fahrzeuge (mit kleinerer Ladefläche). Es erscheint fraglich, ob das FG insoweit von zutreffenden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Maßstäben ausgegangen ist ... Zunächst ist nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit die "Hersteller-Zulassung" (das Betreiben der Einzel zulassung gemäß §21 der Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung -- StVZO --), die nur das Ergebnis einer verkehrsrechtlichen Einschätzung enthält, auf eine ,Hersteller-Konzeption` schließen läßt (zur Bedeutung derselben in Umbaufällen Senat, Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97, BStBl II 1997, 627, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 598, UVR 1997, 298). Die festgestellte Herstellung als ,Light-Truck` ist angesichts der ebenfalls festgestellten vielseitigen Verwendbarkeit gleichartiger Fahrzeuge möglicherweise nicht geeignet, den Schluß auf eine Konzeption als Lastkraftwagen zu rechtfertigen. Die verkehrsrechtliche Einstufung als solche hat, wie auch vom FG erkannt, keine kraftfahrzeugsteuerlich bindende Wirkung (insbesondere arg. §2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG; zuletzt Senat in VII R 1/97; früher schon Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. September 1981 II R 56/78, BFHE 134, 367, 369, BStBl II 1982, 82), mag es auch im Zweifel veranlaßt sein, ihr zu folgen (was das FG indessen wieder auszuschließen scheint im Hinblick auf die neuere verkehrsrechtliche Bewertung von Fahrzeugen mit verhältnismäßig kleiner Ladefläche). Abgrenzungen, die nach ausländischem Recht maßgebend sind, spielen bei der Beurteilung keine Rolle. Das Erscheinungsbild gehört hingegen zu der beurteilungserheblichen objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs (vgl. nur Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, 1996, KraftStG §8 Rdziff. 18); nach ihr ist zu bestimmen, ob ein Personenkraftwagen (ggf. in Gestalt eines Kombinationskraftwagens, §23 Abs. 6 a StVZO) oder ein Lastkraftwagen (ein mindestens überwiegend für die Güterbeförderung konzipiertes Fahrzeug mit vorrangiger Verwendbarkeit zur Güterbeförderung) vorliegt. Schwierigkeiten, die sich bei der Feststellung des Erscheinungsbildes ergeben können (die subjektiv unterschiedliche Betrachtung), dürfen nicht dazu führen, dieses Kriterium von vornherein zu ver werfen."
Auch wenn diese Ausführungen das Urteil in VII R 12/97 nicht tragen, so ergibt sich doch aus ihnen, daß gewichtige Bedenken gegen die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung durch das FG Nürnberg bestehen. Diese dürfen, jedenfalls im Rahmen der summarischen Überprüfung der angegriffenen Festsetzung, nicht unberücksichtigt bleiben. Aus ihnen folgt, daß die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung eines "Pick-up"-Fahrzeugs mit Doppelkabine als Lastkraftwagen erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist und daß stärkere Gründe für die der Änderungsfestsetzung zugrundeliegende Qualifikation als Personenkraftwagen (in Gestalt eines Kombinationsfahrzeugs) sprechen. Im Klageverfahren wird hierüber, auch anhand der im Urteil VII R 1/97 aufgezeigten Maßstäbe, endgültig zu befinden sein. Dasselbe gilt hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen einer rückwirkenden Änderungsfestsetzung nach §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (vgl. auch Urteil in VII R 12/97; dazu Olbertz, UVR 1997, 299 -- Anmerkung zu VII R 1/97). Im vorliegenden Verfahren ergeben sich insoweit keine durchgreifenden Bedenken. Solche werden auch vom Antragsteller nicht geltend gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 66608 |
BFH/NV 1998, 87 |