Entscheidungsstichwort (Thema)
Formen der Bekanntgabe für die Einspruchsentscheidung
Leitsatz (NV)
Die Finanzbehörde kann für die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen auch andere als die in § 122 AO 1977 geregelten Formen (Bekanntgabe durch die Post gemäß Abs. 2 oder Zustellung gemäß Abs. 5) wählen. Sie kann die Einspruchsentscheidungen zum Beispiel durch Telefax übermitteln und in Form von Telefaxausdrucken wirksam bekannt geben, an Amtsstelle übergeben oder durch Boten überbringen lassen.
Normenkette
AO 1977 §§ 122, 366; FGO §§ 115, 118 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; VwZG § 9 Abs. 2; ZPO § 418 Abs. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757). Ist das finanzgerichtliche Urteil ―wie im Streitfall― vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden, richten sich gemäß Art. 4 2.FGOÄndG die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) nicht hinreichend dargelegt.
Hinreichend dargelegt ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann, wenn der Beschwerdeführer die Rechtsfragen bezeichnet, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt; darzulegen ist insbesondere, dass es sich um aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Fragen handelt und diese Fragen im konkreten Verfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig sind (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Januar 1995 VIII B 41/94, BFH/NV 1995, 807).
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) von einer förmlichen Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) absehen durfte und welche Konsequenzen dies für die Anwendung des § 9 Abs. 2 VwZG hat, ist nicht klärungsbedürftig. Denn es ergibt sich ohne weiteres (im Umkehrschluss) aus dem Gesetz, dass die Finanzbehörden eine Einspruchsentscheidung ―wie hier geschehen― durch Amtsboten bekannt geben können. Nach § 366 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist die Einspruchsentscheidung den Beteiligten bekannt zu geben. Nach § 366 Satz 2 AO 1977 gilt § 122 AO 1977 entsprechend. Weder § 366 AO 1977 noch § 122 AO 1977 schreiben für die Bekanntgabe eine förmliche Zustellung vor. Vielmehr liegt die Form der Bekanntgabe im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde (Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 366 AO 1977 Rz. 17). Diese kann daher auch andere als die in § 122 AO 1977 (Bekanntgabe durch die Post gemäß Abs. 2 und Zustellung gemäß Abs. 5) geregelten Formen der Bekanntgabe wählen. So können Schriftstücke, mithin auch Einspruchsentscheidungen, beispielsweise durch Telefax übermittelt und in Form von Telefaxausdrucken wirksam bekannt gegeben werden (BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 17/96, BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48), an Amtsstelle übergeben oder durch Boten überbracht werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 122 AO 1977 Rz. 47).
Der Kläger selbst nimmt Bezug auf die Anweisung Nr. 2 zu § 366 AO 1977 im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO), nach welcher eine förmliche Zustellung der Einspruchsentscheidung nur erforderlich ist, wenn sie ausdrücklich angeordnet wird (§ 122 Abs. 5 Satz 1 AO 1977), und eine Zustellung nur angeordnet werden soll, wenn ein eindeutiger Nachweis des Zugangs für erforderlich gehalten wird. Nur wenn das FA in dieser Weise verfährt, richtet sich die Zustellung nach den Vorschriften des VwZG. Übt das FA das ihm diesbezüglich eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei aus, ist der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) prinzipiell nicht berührt.
Der Senat verkennt nicht, dass das FA mit der von ihm gewählten formlosen Bekanntgabe mittels eines Boten beim Empfänger des Schriftstücks eine Unsicherheit über den Zeitpunkt der Übergabe und damit über den Beginn der Rechtsmittelfrist bewirken kann. Indes hat der Kläger nicht vorgetragen, dass eine derartige Unsicherheit im Streitfall für die Fristversäumnis ursächlich gewesen wäre. Es fehlt mithin an dem Vortrag, diese Rechtsfrage sei im Streitfall entscheidungserheblich.
Mit Einwänden gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils kann der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Das Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dem Zweck einer allgemeinen Rechtskontrolle finanzgerichtlicher Urteile. Die Einwendung des Klägers, die Einspruchsentscheidung sei möglicherweise nicht am 4. Mai 2000 zugestellt worden, richtet sich zum einen gegen die diesbezügliche Feststellung des Finanzgerichts (FG), die mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen nach § 118 Abs. 2 FGO bindend ist. Zum anderen beanstandet der Kläger damit eine nach seiner Auffassung unzutreffende Anwendung des § 418 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung durch das FG.
2. Auch die Rüge, die angefochtene Entscheidung weiche i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. von der Rechtsprechung des BFH ab, hat der Kläger nicht entsprechend den Anforderungen nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. begründet. Insoweit fehlt es schon an der nach ständiger Rechtsprechung erforderlichen Darlegung, dass das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der angeführten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. Diesen Anforderungen entspricht nur eine Begründung, die die Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet, dass eine Abweichung erkennbar wird (Senatsbeschluss vom 29. Juni 1987 X B 26/87, BFH/NV 1988, 239). Im Übrigen betrifft das BFH-Urteil vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92 (BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603) den vorliegend nicht gegebenen Fall einer wegen Formmangels unwirksamen, von der Finanzbehörde angeordneten Zustellung eines Steuerbescheids.
3. Der Kläger hat auch den geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F.) nicht hinreichend "bezeichnet". Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Januar 1991 V B 119/89, BFH/NV 1992, 667). In der Beschwerdeschrift wird keine Verfahrensvorschrift benannt, die vom FG verletzt worden sein soll. Eine solche ist auch nicht erkennbar. Soweit der Kläger geltend macht, das FA habe sich für die Übermittlung der Einspruchsentscheidung durch eigene Mitarbeiter entschlossen, ohne die förmlichen Vorschriften des VwZG einzuhalten, ist ein Verfahrensmangel schon deshalb nicht ordnungsgemäß gerügt, weil hiermit kein Verstoß des FG gegen Vorschriften des Prozessrechts geltend gemacht wird.
4. Mit dem Vortrag, die Rechtsmittelbelehrung der Einspruchsentscheidung sei unvollständig gewesen, wird ebenfalls kein Verfahrensfehler des FG gerügt.
Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Maßgabe des § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO i.d.F. des 2.FGOÄndG ab.
Fundstellen
Haufe-Index 641330 |
BFH/NV 2001, 1529 |