Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbarkeit von Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahmen bei Übernahme von Kostenanteilen durch kommunale Gebietskörperschaften
Leitsatz (NV)
Übernehmen kommunale Gebietskörperschaften die den Trägern von Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahmen entstehenden Kostenanteile, die von der Förderung durch die Arbeitsverwaltung ausgenommen sind, handelt es sich dabei nicht um echte, nicht der Umsatzsteuer unterliegende Zuschüsse, wenn die Gebietskörperschaften als Gegenwert einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Verfahrensgang
Thüringer FG (Urteil vom 17.11.2005; Aktenzeichen II 1395/01) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine als gemeinnützig anerkannte Gesellschaft zur Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung im Beitrittsgebiet, führte in den Streitjahren (1995 und 1996) umfangreiche durch öffentliche Zuschüsse geförderte Projekte zur Arbeitsförderung durch. Sie entwickelte dafür zunächst in Abstimmung mit den begünstigten Rechtsträgern (meist Kommunen) nach den Richtlinien der Arbeitsverwaltung förderbare Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahmen und beantragte dann als Maßnahmeträger bei der Arbeitsverwaltung die Gewährung entsprechender Zuschüsse, die auf 90 v.H. der Kosten beschränkt waren. Da die Klägerin die danach von ihr zu tragenden Eigenanteile nicht selbst erwirtschaften konnte, finanzierte sie diese durch Übernahmevereinbarungen mit den durch die Maßnahmen begünstigten Rechtsträgern. Bei den Maßnahmen handelte es sich beispielsweise um die Erweiterung oder Entfernung von Spielplätzen, den Bau von zusätzlichen Spielgeräten für Kindergärten, Arbeiten an Jugend- und Gemeinschaftsräumen sowie zur Stadtbildverschönerung und Instandhaltung oder Sanierung von Grünanlagen, öffentlichen Freizeitanlagen, Wegen und Straßen, Aufräumungs- und Müllentsorgungsarbeiten und die Renaturierung eines Wasserlaufes.
Während die Klägerin annahm, die Zahlungen der begünstigten Rechtsträger unterlägen insgesamt nicht der Umsatzsteuer, unterwarf sie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) teilweise der Steuer.
Die Klage hatte nur hinsichtlich weniger Maßnahmen Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, die Zahlungen der begünstigten Rechtsträger für die übrigen Maßnahmen seien Entgelte für steuerpflichtige Leistungen. Durch die Zahlungen sei insoweit nicht lediglich eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein-politischen Gründen erwünschte Tätigkeit der Klägerin gefördert worden. Die Klägerin habe vielmehr durch Leistungsaustausch aufgrund gegenseitiger Vertragsverhältnisse individualisierbare Leistungen an die einzelnen Zuschussgeber erbracht. Es hätten jeweils einzelfallbezogene Finanzierungszusagen für zuvor abgestimmte, konkrete Projekte vorgelegen. Leistungsgegenstand sei die Ausführung der von den Zuschussgebern individuell angeforderten Maßnahmen gewesen, die in den der Besteuerung unterworfenen Fällen hauptsächlich der Wahrung der diesen obliegenden Verkehrssicherungspflichten gedient hätten. Die Klägerin habe die entsprechende Mittelverwendung nachweisen müssen.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Unrichtigkeit der Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, soweit sie sie den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargelegt hat.
1. Die Klägerin sieht als in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar die Frage an, ob stets echte, nicht der Umsatzsteuer unterliegende Zuschüsse vorliegen, wenn kommunale Gebietskörperschaften die den Trägern von Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahmen entstehenden Kostenanteile übernehmen, die von der Förderung der Maßnahmen durch die Arbeitsverwaltung ausgenommen sind.
Diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage ist auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung eindeutig zu verneinen und begründet daher nicht die Zulassung der Revision (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juli 2006 VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029, und vom 27. September 2006 X B 71/06, BFH/NV 2007, 37).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24. August 2006 V R 19/05, BStBl II 2007, 187, m.w.N.) setzt die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in gegenseitigen Verträgen verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsverbrauch grundsätzlich vor; das versprochene Tun, Dulden oder Unterlassen ist der Vorteil, den der Leistungsempfänger erhält.
Dagegen sind Zahlungen, durch die lediglich eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein-politischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll, kein Entgelt für eine steuerbare Leistung. Leistungen sind allerdings nicht bereits deshalb von der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgenommen, weil sie ein Unternehmer im allgemeinen Interesse erbringt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können auch außerhalb ihrer Betriebe gewerblicher Art Empfänger von Lieferungen und sonstigen Leistungen (Dienstleistungen) sein. Für die Steuerbarkeit ist nicht entscheidend, ob eine Leistung im öffentlichen Interesse liegt, sondern ob ein individueller Leistungsempfänger vorhanden ist, der aus der Leistung einen Vorteil zieht, der Gegenstand eines Leistungsaustauschs sein kann. Der Gesellschaftszweck des leistenden Unternehmers, Förderrichtlinien oder das kommunale Haushaltsrecht spielen demgegenüber keine Rolle. Maßgebend ist vielmehr, ob ein Verhalten den Steuertatbestand erfüllt. Selbst wenn ein solches Verhalten gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist dies nach § 40 der Abgabenordnung für die Besteuerung unerheblich.
3. Mit bloßen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung wird kein Grund für die Zulassung der Revision dargelegt (BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2007 VII B 142/06, BFH/NV 2007, 873; vom 26. Januar 2007 VIII B 14/06, BFH/NV 2007, 951; vom 29. Januar 2007 III B 169/05, BFH/NV 2007, 858, und vom 22. Februar 2007 VI B 29/06, BFH/NV 2007, 969).
Fundstellen
BFH/NV 2007, 1938 |
UR 2007, 849 |
ZKF 2008, 14 |