Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für eine nach Wiedereinsetzung einzulegende Beschwerde
Leitsatz (NV)
1. Für den Antrag auf PKH hinsichtlich einer Beschwerde besteht beim BFH kein Vertretungszwang. Es ist unschädlich, wenn der Steuerpflichtige den Antrag beim FG anbringt.
2. Der mittellose Steuerpflichtige ist bis zur Entscheidung über seinen PKH-Antrag unverschuldet verhindert, Rechtsmittel einzulegen. Nach Bewilligung von PKH ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er in der Rechtsmittelfrist den PKH-Antrag gestellt und die Erklärung gemäß § 117 Abs. 2, 4 ZPO vorgelegt oder unter Bezugnahme auf eine früher vorgelegte Erklärung versichert hat, daß die Verhältnisse unverändert sind.
3. Ein Antrag auf PKH ist nach dem Interesse des Antragstellers im Hinblick auf die Prozeßlage und unter Berücksichtigung der nach der FGO geeigneten Rechtsmittel auszulegen.
Normenkette
FGO §§ 56, 142 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, 4
Tatbestand
Der Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt einen Versandhandel mit ... Er beantragte wegen sachlicher und persönlicher Unbilligkeit Erstattung bzw. Erlaß der für die Jahre 1981 bis 1989 gezahlten bzw. noch rückständigen Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... DM. Er trug vor, die Erhebung der Umsatzsteuer sei sachlich unbillig, weil das Umsatzsteuerrecht verfassungswidrig sei. Wegen seiner Einkommens- und Vermögenslage lägen auch persönliche Billigkeitsgründe für einen Erlaß vor.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Erlaßantrag ab. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde zurück und führte zur Begründung aus: Die vom Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich allgemein gegen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes richteten, könnten nicht als sachliche Billigkeitsgründe berücksichtigt werden, da sich das Billigkeitsverfahren nur auf die Einziehung des abgabenrechtlichen Anspruchs im Einzelfall beziehe. Im übrigen könnten die sämtlich bestandskräftigen Steuerbescheide im Erlaßverfahren nicht mehr auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden, da es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen sei, gegen die Bescheide mit Rechtsbehelfen vorzugehen und seine verfassungsrechtlichen Bedenken dabei geltend zu machen. Hinsichtlich persönlicher Billigkeitsgründe habe der Kläger die für eine Billigkeitsmaßnahme erforderliche detaillierte Darstellung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und derjenigen seiner Ehefrau trotz mehrerer Anforderungen nicht vorgelegt.
Nach Klageerhebung lehnte das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 26. März 1996 den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren wegen Fehlens von Erfolgsaussichten ab.
Durch Urteil vom 27. März 1996 wies das FG die Klage gegen die Ablehnung der Erstattung bzw. des Erlasses mit der Begründung ab, die OFD habe ohne Ermessens fehler verneint, daß die Einziehung der Umsatzsteuer, deren Erstattung bzw. Erlaß der Kläger begehre, aus sachlichen oder persönlichen Gründen unbillig sei.
Im Rahmen seiner Rechtsmittel und Anträge macht der Kläger zunächst umfängliche Ausführungen zur Darlegung seiner Mittellosigkeit. Er bezeichnet die Forderung nach Abgabe einer Vermögenserklärung als für ihn unerfüllbar, weil sie ihn demütige und seine Würde antaste. Im übrigen trägt er vor, das Umsatzsteuergesetz sei verfassungswidrig, weil sich die Steuer nicht an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen orientiere und das Existenzminimum nicht wahre. Da ihm bei seiner geschäftlichen Betätigung kein Gewinn verbleibe, wirke die Umsatzsteuer auf ihn enteignend.
Das FA hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat hat es für zweckmäßig erachtet, die Verfahren V S 7/96, V B 50/96 und V B 51/96 zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden (§§ 121, 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
II. Die Beschwerde des Klägers (V B 50/96) gegen den Beschluß des FG vom 26. März 1996 wegen Ablehnung der Bewilligung von PKH für das Klageverfahren und die Beschwerde des Klägers (V B 51/96) wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG vom 27. März 1996 sind unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) hätte sich der Kläger bei der Einlegung der Beschwerden zum Bundesfinanzhof (BFH) durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen müssen. Darauf wurde der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidungen hingewiesen. Die ohne eine solche Vertretung eingelegten Beschwerden sind unzulässig. Sie waren mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO zu verwerfen.
III. 1. Der Kläger hat PKH für seine Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH für das Klageverfahren beantragt. Es entspricht seinem Interesse im Hinblick auf die Prozeßlage, den Antrag dahingehend auszulegen, daß dieser sich auf eine von einer postulationsfähigen Person noch einzulegende Beschwerde bezieht.
2. Der Antrag auf PKH ist zulässig.
a) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß der Kläger sich nicht durch eine der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG genannten Personen hat vertreten lassen. Der Vertretungszwang entfällt für alle Prozeßhandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, also auch für den Antrag auf PKH (BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338, m. w. N.).
b) Es ist für die Zulässigkeit des Antrags auch unerheblich, daß der Kläger den Antrag auf PKH bei dem für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen FG angebracht hat, obwohl Prozeßgericht für das Rechtsmittelverfahren i. S. des § 117 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) der BFH ist. Denn was für die Einlegung der Beschwerde (§ 129 Abs. 1 FGO) gilt, muß auch für das sich darauf beziehende PKH-Gesuch Rechtens sein (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juli 1994 VIII S 1/94, BFH/NV 1995, 92; vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10, unter 3. a).
3. Der Antrag auf PKH ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten erbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die beantragte PKH kann deshalb nicht bewilligt werden.
An der Erfolgsaussicht fehlt es allerdings nicht schon deshalb, weil die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde wegen Nichteinhaltung des Vertretungszwangs (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG) unzulässig ist und die Fristen für die Einlegung von Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer abgelaufen sind.
a) Der mittellose Beteiligte wird in der Regel bis zur Entscheidung über seinen PKH- Antrag als jemand angesehen, der ohne sein Verschulden an der wirksamen Einlegung des Rechtsmittels verhindert ist (vgl. BFH- Beschluß vom 20. April 1988 X S 13/87, BFH/NV 1988, 728, m. w. N.). Sofern PKH bewilligt wird, müßte dem Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 92, m. w. N.). Es bestünde dann die Möglichkeit zu einer wirksamen formgerechten Einlegung des Rechtsmittels auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist.
b) Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt allerdings voraus, daß der Antragsteller innerhalb der maßgeblichen Rechtsmittelfrist den Antrag auf Bewilligung der PKH stellt und die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO unter Beifügung der entsprechenden Belege vorlegt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1996, 10, m. w. N.). Eine Bezugnahme auf die im vorhergehenden Verfahren abgegebene Erklärung (i. S. des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO) reicht aus, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist unter Bezugnahme auf diese Erklärung versichert, daß die Verhältnisse unverändert sind (BFH-Beschluß vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62).
c) Der Kläger ist im vorliegenden Verfahren diesen Voraussetzungen nicht nachgekommen. Er hat weder seinem Antrag eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck beigefügt (§ 117 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 142 FGO) noch hat er auf eine im vorhergehenden Verfahren gegebenenfalls abgegebene Erklärung Bezug genommen. Dem Kläger waren -- wie sich aus seinen Ausführungen ergibt -- die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Antragstellung bekannt. Es bedurfte daher von seiten des Senats keiner besonderen Belehrung des Klägers darüber, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf spätere Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewahrt werden können.
IV. 1. PKH auch für eine noch einzulegende Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat der Kläger dem Wortlaut nach nicht ausdrücklich beantragt. Aus seinem gesamten Vorbringen ergibt sich jedoch, daß er PKH für die nach der Finanzgerichtsordnung geeigneten Rechtsmittel erstrebt. Seinem Interesse im Hinblick auf die Prozeßlage entspricht es daher, sein Begehren dahingehend auszulegen, daß er PKH auch für eine von einer postulationsfähigen Person noch einzulegende Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beantragt.
2. Der Antrag auf PKH für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Die Ausführungen zum Antrag auf PKH für die Beschwerde wegen Ablehnung der PKH (oben III.) gelten entsprechend. Der Kläger hat weder seinem Antrag eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck beigefügt (§ 117 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 142 FGO) noch hat er auf eine im vorhergehenden Verfahren gegebenenfalls abgegebene Erklärung Bezug genommen.
Fundstellen