Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Bilanzierung von Weihnachtsgratifikationen in der DM-Eröffnungsbilanz.
Normenkette
DMBG § 34/1/b; EStG §§ 5-6
Tatbestand
Streitig ist, ob für Weihnachtsgratifikationen, die die steuerpflichtige AG Ende 1948 an Arbeiter und Angestellte ihres Betriebes gezahlt hat, ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten in der DM-Eröffnungsbilanz einzustellen ist.
Die Firma hat im Jahre 1948 insgesamt 34 445 DM Weihnachtsgratifikationen ausgezahlt. Davon entfielen 27 700 DM auf diejenigen Betriebsangehörigen, die vor dem 1. Juli 1948 bei ihr beschäftigt waren, und zwar 20 680 DM auf Arbeiter und 7020 DM auf Angestellte. Von den Arbeitern erhielten die Männer 40 DM, die Frauen 25 DM, die Angestellten ungefähr die Hälfte des Monatsgehalts und ein Teil der Rentenempfänger 15 bis 20 DM. Den Betriebsangehörigen wurde bekanntgegeben, daß ein Rechtsanspruch auf die Weihnachtsgratifikation nicht bestehe und auf Grund der Auszahlung auch in späteren Jahren nicht begründet werde. Ferner wurde bekanntgegeben, daß die Weihnachtsgratifikationen nur denjenigen Belegschaftsmitgliedern zustünden, die am 24. Dezember 1948 bei der Firma beschäftigt seien. Diese Vorbehalte hat die Steuerpflichtige seit dem Jahre 1944 gemacht.
Das Finanzamt hat für den Betrag von 27 700 DM bei der Gewinnermittlung für die zusammengefaßten Wirtschaftszeiträume vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 und vom 1. Januar 1949 bis 31. Dezember 1949 in der DM-Eröffnungsbilanz einen Teilbetrag von 13 065 DM als passiven Abgrenzungsposten angesetzt. Dies will die Beschwerdeführerin nicht anerkennen. Sie macht u. a. geltend, eine Verpflichtung zur Abgrenzung hätte nur bei tariflichem oder vertraglichem Anspruch auf eine Weihnachtsvergütung bestanden. Eine Weihnachtsvergütung wäre nicht gezahlt worden, wenn nicht im zweiten Halbjahr 1948 Gewinne erzielt worden wären.
Das Finanzamt setzt dem entgegen, daß die Firma regelmäßig Weihnachtsgratifikationen gezahlt habe. Dies begründe arbeitsrechtlich ebenso eine Verpflichtung für den Arbeitgeber wie eine vertraglich vereinbarte Weihnachtsvergütung. Es habe daher am 21. Juni 1948 bereits eine Verpflichtung der Beschwerdeführerin gegenüber der Mehrzahl der Betriebsangehörigen, die zu Weihnachten 1948 im Betrieb beschäftigt gewesen seien, bestanden. Ein Passivposten hätte gemäß Abschn. 32 c der DM-Bilanzrichtlinien in die DM-Eröffnungsbilanz eingestellt werden müssen.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt, und führte aus: Es komme nicht darauf an, ob ein Rechtsanspruch auf die Weihnachtsgratifikation bestanden habe. Im Arbeitsrecht werde die Gratifikation als Lohnbestandteil angesehen, jedoch als ein Lohnbestandteil neben und außer dem Gehalt (Reichsarbeitsgericht vom 13. November 1928, Slg. Arb. G. 1929 S. 17). Volksüblich sei die Auffassung, daß die Weihnachtsgratifikation in Anerkennung der geleisteten Dienste und zum Zeichen der Treue und Verbundenheit der Betriebsangehörigen gewährt werde (Reichsarbeitsgericht 69/40 vom 19. November 1940, AR. Slg. Bd. 40 S. 356; Landesarbeitsgericht Hessen vom 19. April 1950 in "Betrieb" 1950 S. 290). Im Streitfalle sei die Höhe der Gratifikation verschieden, je nachdem, ob der Arbeitnehmer vor oder nach dem 1. Juli 1948 in den Betrieb eingetreten sei. Die Weihnachtsgratifikationen seien nicht so hoch, daß sie als Entgelt für einen bestimmten Zeitraum gedacht sein könnten. Die gezahlten Beträge würden auf das Jahr und die einzelnen Monate verteilt nur wenige DM ausmachen. Man könne bei den geringen Beträgen keine Aufbesserung der Wochen- bzw. Monatsbezüge des laufenden Jahres sehen dergestalt, daß sie Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen darstellten. Jedermann sehe in den Gratifikationen, soweit sie, wie hier, im üblichen Rahmen liegen würden, nur eine Gabe des Arbeitgebers zur Gestaltung der Feiertage.
Die Rechtsbeschwerde (RB.) des Finanzamtsvorstehers macht hiergegen geltend, die Beträge seien bei den Angestellten nach der Höhe der Monatsgehälter gestaffelt worden. Dies zeige, daß die Weihnachtsgratifikationen, ebenso wie die 13. Monatsgehälter im Bankgewerbe, einen auf das ganze Kalender- bzw. Wirtschaftsjahr entfallenden zusätzlichen Arbeitslohn darstellten. Das Finanzamt halte eine anteilige zeitliche Abgrenzung am 21. Juni 1948 für erforderlich.
Die Firma wendet ein, wenn ein Unternehmen an einem Zeitpunkt vor Weihnachten den Betrieb einstelle, werde im Regelfalle die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation von der Belegschaft und den Angestellten nicht gefordert werden können. Im allgemeinen gelte für die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation, daß an dem für die Auszahlung maßgebenden Stichtag der Empfänger der Weihnachtsgratifikation im Betriebe tätig sein müsse. Die Rechtslage sei anders wie bei dem 13. Monatsgehalt im Bankgewerbe. Bei ihm handle es sich um einen tariflichen Anspruch, der auch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Laufe des Jahres durch anteilige Auszahlung befriedigt werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes.
Nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen, wie sie insbesondere in der Lehre von der Dynamischen Bilanz vertreten werden, müssen die Ausgaben auf die einzelnen Wirtschaftsperioden mit Hilfe der Abgrenzungsposten nach dem Aufwand (Güterverzehr) aufgeteilt werden, der auf sie entfällt. Ein Aufwand, der noch nicht zur Ausgabe geworden ist, führt zu einem antizipativen Passivum. Die Entscheidung hängt davon ab, ob die umstrittenen Beträge wirtschaftlich betrachtet Aufwand des gesamten Kalenderjahres 1948 oder lediglich des Weihnachtsmonats darstellen. Das Finanzgericht und die Firma nehmen Aufwand des Monats Dezember, das Finanzamt nimmt Aufwand des Kalenderjahres an.
Die Bilanzierung muß nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen, bei denen rechtliche Erwägungen von wesentlicher Bedeutung sein können. Es sind Fälle denkbar, wo man hinsichtlich der Frage, welcher Wirtschaftsperiode der Aufwand zuzurechnen ist, mit guten Gründen gegensätzlicher Ansicht sein kann, wo also keine der beiden Meinungen als falsch zu bezeichnen ist. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs war bestrebt dort, wo sich in der Betriebswirtschaftslehre noch keine einheitliche Auffassung in wirtschaftlichen Fragen herausgebildet hat, der Ansicht des einzelnen Steuerpflichtigen weitgehend Rechnung zu tragen und ihm ein Wahlrecht zu gewähren, welcher Auffassung er sich anschließen will. So hat der Reichsfinanzhof ausgesprochen, daß die Körperschaften berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, künftig erwachsende Pensionslasten durch Einstellung eines Schuldpostens in ihrer Bilanz zu berücksichtigen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 110/36 vom 23. November 1937, Reichssteuerblatt 1938 S. 85). Bei Nachfordern von Steuern auf Grund von Betriebsprüfungen haben es Verwaltung und Rechtsprechung dem Steuerpflichtigen überlassen, die Mehrsteuern zu Lasten des Wirtschaftsjahres zu verbuchen, in dem der Steuerpflichtige mit der Nachforderung rechnen konnte, oder zu Lasten des Wirtschaftsjahres zu dem sie wirtschaftlich gehören (Einkommensteuer-Richtlinien 1950 Abschnitt 22). In der Entscheidung VI A 899/28 vom 13. Dezember 1928, Reichssteuerblatt 1929 S. 136, wurde es dem buchführenden Kaufmann, der zu verschiedenen Preisen gekaufte Wertpapiere gleicher Art besitzt, überlassen, beim Verkauf einzelner Stücke in seinen Büchern anzugeben, welche Stücke als verkauft gelten sollen, ohne daß er diese Stücke auch tatsächlich liefert.
Der erkennende Senat tritt dem in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz bei, daß dort, wo sich bei der Beurteilung wirtschaftlicher Tatbestände in der Betriebswirtschaftslehre eine im wesentlichen einheitliche Auffassung noch nicht herausgebildet und auch das Einkommensteuergesetz die Bilanzierungsart nicht genau festgelegt hat, es dem Kaufmann überlassen bleibt, zu wählen, welcher Ansicht er sich anschließen will.
Im vorliegenden Falle sprechen sowohl für die Ansicht des Finanzamts wie für die Ansicht des Finanzgerichts und der Firma beachtliche wirtschaftliche Gesichtspunkte. Die Rechtslage ist hier nicht gleichartig der Rechtslage bei den sogenannten 13. Monatsgehältern der Bankangestellten. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist, worauf das Finanzgericht hinwies, hinsichtlich der Weihnachtsgratifikationen nicht immer einheitlich. Zum mindesten ein Teil der Arbeitsgerichte ist der Ansicht, daß dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Weihnachtsgratifikation nicht zusteht, wenn er vorzeitig durch Kündigung ausgeschieden ist. Nach Lage der Verhältnisse kann die von der Firma vertretene Auffassung, daß die von ihr gezahlten Weihnachtsgratifikationen Aufwand des Dezember 1948 darstellen, nicht als falsch bezeichnet werden. Der einzelne Arbeitnehmer wird bei den verhältnismäßig geringen Beträgen, um die es sich bei ihm handelt, in der Weihnachtsgratifikation keine Nachzahlung für das Jahr erblicken, sondern einen Mehrlohn für Dezember. Es erscheint deshalb auch eine entsprechende Auffassung des Arbeitgebers hinsichtlich des gezahlten Lohnes vertretbar. Unter diesen Verhältnissen kann die Bilanzierung der Firma in der DM-Eröffnungsbilanz nicht als den Grundsätzen des D-Markbilanzgesetzes widersprechend bezeichnet werden.
Die Rb. des Finanzamtsvorstehers wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 407399 |
BStBl III 1952, 143 |
BFHE 1953, 365 |
BFHE 56, 365 |
BB 1952, 396 |
DB 1952, 406 |