Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheitsanforderungen an einen Schenkungsteuerbescheid
Leitsatz (NV)
Schriftliche Steuerbescheide müssen nach § 119 Abs. 1 AO 1977 inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Danach muss der Regelungsinhalt dem Verwaltungsakt eindeutig entnommen werden können. Bleibt unklar, welche Sachverhalte von der Steuerfestsetzung erfasst werden sollten, ist der Bescheid wegen inhaltlicher Unbestimmtheit insgesamt nichtig.
Normenkette
AO 1977 §§ 38, 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 157 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (Kläger) lebt mit seiner Ehefrau im Güterstand der Gütertrennung. Zur Einkommensteuer wurden die Eheleute in den Jahren 1982 bis 1998 zusammen veranlagt. Zu Steuerfestsetzungen kam es in diesem Zeitraum nicht, weil den positiven Einkünften der Ehefrau von rd. 9,6 Mio. DM ausgleichsfähige Verluste des Klägers in Höhe von 11,16 Mio. DM gegenüberstanden.
Die Ehefrau übernahm bzw. tilgte ab 1990 bis 1993 verschiedene Verbindlichkeiten des Klägers und machte zahlreiche Barschenkungen an den Kläger. Nach einer schriftlichen Erklärung des Klägers und seiner Ehefrau vom 2. Juli 1993 handelte es sich im Einzelnen um Vorgänge vom:
05.11.1990 16.11.1990 21.12.1990 31.12.1990 26.04.1991 28.12.1992 12.03.1993 Summe: |
400 000 DM 100 000 DM 140 000 DM 300 000 DM 117 500 DM 750 000 DM 450 000 DM 2 257 500 DM |
30.04.1993 14.05.1993 24.05.1993 Summe |
676 000 DM 455 000 DM 151 000 DM 1 282 000 DM |
In der schriftlichen Erklärung der Eheleute, in der auch auf die als Folge der Zusammenveranlagung bei der Ehefrau eingetretenen Steuervorteile in Höhe von 5 491 000 DM hingewiesen wird, heißt es hierzu ferner, es bestehe Einigkeit, dass "eine Ausgleichs- bzw. Rückzahlungsverpflichtung für die vorstehend genannten Vorteile nicht besteht".
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ am 16. Dezember 1994 gegen den Kläger einen "Schenkungsteuerbescheid über Ihren Erwerb aus der Schenkung der …(Ehefrau)… vom 30.04. - 24.05.1993". Als Wert des Erwerbs wurde der Betrag von 1 282 000 DM angegeben "zuzüglich Vorschenkungen (§ 14 ErbStG) 05.11.90 - 12.03.93 2 937 568 DM". Die Steuer wurde auf 516 035 DM fest- und dabei ein "Anrechnungsbetrag für die Vorerwerbe (§ 14 ErbStG)" nicht abgesetzt.
Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, ein Teil der vom FA erfassten Zuwendungen sei darlehensweise gegeben und mittlerweile von ihm wieder zurückgezahlt worden. Ferner fehle es in objektiver Hinsicht an einer Bereicherung, weil die Zahlungen der Ehefrau an den Kläger einen Ausgleich für die Nutzung von einkommensteuerrechtlichen Verlustvorträgen des Klägers darstellten.
Nachdem der Kläger in Höhe von 680 068 DM nachgewiesen hatte, dass es sich um Darlehenszahlungen handelte, setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 die Steuer wie folgt herab:
"Vermögensübertragung lt. Steuerbescheid = abzüglich Darlehen = verbleiben = abzüglich Freibetrag = geänderter steuerpflichtiger Erwerb = Steuersatz 13 v.H., Steuer = |
4 219 568 DM ./. 680 068 DM 3 539 500 DM ./. 250 000 DM 3 289 500 DM 427 635 DM" |
Das FA wies den Einspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück.
Der Klage, mit der der Kläger die Aufhebung der Steuerfestsetzung beantragte, gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 209 veröffentlichten Urteil teilweise statt und setzte die Steuer auf 203 885 DM herab. Der Bescheid, der nur die Zuwendungen in der Zeit vom 30. April bis 24. Mai 1993 in Höhe von insgesamt 1 282 000 DM erfasse und die vorangegangenen Zuwendungen nur als Vorschenkungen berücksichtige, sei insoweit rechtswidrig, als das FA den aus der Zusammenrechnung mit den Vorerwerben sich ergebenden Anrechnungsbetrag von 223 750 DM nicht abgezogen habe. Im Übrigen habe das FA die Zuwendungen der Ehefrau zutreffend als Schenkung an den Kläger behandelt. Denn die Zuwendungen seien unentgeltlich erfolgt, weil die Ehefrau nicht zu einer Beteiligung des Klägers an der Steuerersparnis rechtlich verpflichtet gewesen sei und ihrer Geldhingabe auch keine äquivalente Gegenleistung des Klägers gegenüber gestanden habe.
Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des FG sowie den Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Zuwendungen wegen der Verrechnung mit den Steuervorteilen entgeltlich erfolgt seien. Ferner macht er geltend, der Schenkungsteuerbescheid sei inhaltlich unbestimmt, weil darin mehrere selbstständige Schenkungsvorgänge unaufgegliedert zusammengefasst worden seien.
Das FA, das der Revision des Klägers entgegengetreten ist und zusätzlich Anschlussrevision eingelegt hat, beantragt sinngemäß, die Revision des Klägers zurückzuweisen und unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht das FA geltend, der Schenkungsteuerbescheid habe keiner Auslegung bedurft; er sei hinreichend bestimmt und habe alle Zuwendungen der Ehefrau an den Kläger erfasst. Für den Kläger sei vollkommen klar gewesen, welcher Sachverhalt habe besteuert werden sollen. Der Inhalt des Steuerbescheides sei zwischen ihm, dem FA, und dem Kläger im Einspruchsverfahren nicht streitig gewesen. Die Aufgliederung in zwei Beträge habe dem besseren Verständnis beim Kläger als Inhaltsadressaten gedient; sie entspreche dem mit dem Kläger geführten Schriftwechsel und auch der schriftlichen Erklärung der Kläger vom 2. Juli 1993.
Die Zusammenfassung mehrer Erwerbsvorgänge habe die Bestimmtheit des Bescheides nicht beeinträchtigt. Eine Differenzierung sei im Streitfall auch nicht wegen der Auswirkungen auf § 14 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) erforderlich gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Anschlussrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat bei seiner Entscheidung nicht beachtet, dass der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 16. Dezember 1994 wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig ist. Es hat deshalb zu Unrecht diesen Bescheid teilweise als rechtmäßig angesehen und die Klage zum Teil abgewiesen.
a) Schriftliche Steuerbescheide müssen nach § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Danach muss der Regelungsinhalt dem Verwaltungsakt eindeutig entnommen werden können. Hierzu gehört u.a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Dieses Erfordernis verlangt die Angabe der einzelnen, durch die Verwirklichung eines bestimmten Steuertatbestandes (vgl. § 38 AO 1977) jeweils ausgelösten Steuerschuld (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Januar 1980 II R 90/75, BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316, und vom 15. Oktober 1980 II R 127/77, BFHE 131, 448, BStBl II 1981, 84). Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen --wie im Streitfall-- das FA von der verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch macht, mehrere Erwerbe (Steuerfälle) in einem Steuerbescheid zusammenzufassen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, BFH/NV 1999, 1091 unter Bezugnahme auf die früheren BFH-Urteile vom 16. Dezember 1992 II R 114/89, BFH/NV 1993, 298, und vom 20. Februar 1980 II R 90/77, BFHE 130, 176, BStBl II 1980, 414).
b) Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 16. Dezember 1994 genügt diesen Anforderungen nicht.
Entgegen der Auffassung des FG lässt der Bescheid nicht zweifelsfrei erkennen, welche Schenkungen besteuert werden sollten. Insbesondere ist unklar, ob auch die in der Zeile "Vorschenkungen" aufgeführten sieben Schenkungsvorgänge aus der Zeit vom 5. November 1990 bis 12. März 1993 (neben den drei Schenkungen aus der Zeit vom 30. April bis 24. Mai 1993) Gegenstand der Steuerfestsetzung sein sollten. Der Bescheid ist insoweit widersprüchlich. Einerseits wird im Einleitungssatz des Bescheids, der den zu besteuernden Sachverhalt umschreibt, nur der Erwerb des Klägers "vom 30.04. - 24.05.1993" genannt, woraus das FG den Schluss gezogen hat, dass die vorangegangenen sieben Schenkungen nicht Gegenstand der Steuerfestsetzung waren. Andererseits sprechen die datums- und betragsmäßige Erfassung der "Vorschenkungen", der Umstand, dass die Steuer für diese noch nicht festgesetzt war, die fehlende Anrechnung der Schenkungsteuer für die Vorerwerbe sowie der Hinweis auf die ausdrücklich in Bezug genommenen Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts dafür, dass das FA diese Schenkungen miterfassen wollte, wie vom FA zur Begründung seiner Anschlussrevision auch behauptet wird. Bleibt aber letztlich unklar, welche Sachverhalte von der Steuerfestsetzung erfasst werden sollten, ist der Bescheid wegen inhaltlicher Unbestimmtheit insgesamt nichtig.
Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob der Bescheid zusätzlich auch deshalb unbestimmt und damit nichtig ist, weil das FA in unzulässiger Weise verschiedene Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag unaufgegliedert zusammengefasst hat und es im Streitfall eines getrennten Steuerausweises für die vom Bescheid erfassten Schenkungsvorgänge bedurfte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1091).
2. Die Anschlussrevision des FA ist unbegründet. Aus den oben unter II. 1. dargelegten Gründen ist der Schenkungsteuerbescheid wegen inhaltlicher Unbestimmtheit insgesamt nichtig. Dem FA kann in seiner Auffassung nicht beigetreten werden, der Bescheid beziehe mit hinreichender Klarheit auch die Schenkungen in der Zeit vom 5. November 1990 bis 12. März 1993 ein.
3. Die Sache ist spruchreif.
Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 16. Dezember 1994 sowie die auf diesem beruhende Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 sind aus den unter II. 1. dargelegten Gründen inhaltlich unbestimmt. Der Bescheid leidet an einem besonders schwerwiegenden Mangel i.S. von § 125 Abs. 1 AO 1977, weil er die konstitutiven Anforderungen an den Inhalt eines Steuerbescheides nicht erfüllt; er ist insgesamt nichtig und deshalb aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 1215473 |
BFH/NV 2004, 1511 |
ErbStB 2005, 7 |