Leitsatz (amtlich)
Die Rückabwicklung eines rückgängig gemachten Anschaffungsgeschäfts i.S. des § 18 KVStG 1972 löst in der Regel als weiteres Anschaffungsgeschäft Börsenumsatzsteuer aus. Etwas anderes gilt bei rückwirkend unwirksamen Anschaffungsgeschäften, deren wirtschaftliches Ergebnis nicht bestehenbleibt.
Orientierungssatz
1. Geschäftsanteile an GmbH sind "Wertpapiere" i.S. des § 17 Abs. 1 KVStG 1972.
2. Unwirksam i.S. des § 41 AO 1977 sind nur Rechtsgeschäfte, die von Anfang an (ex tunc) unwirksam sind oder werden. Wirkt die Unwirksamkeit nur für die Zukunft (ex nunc), so bleibt der Steuertatbestand erfüllt und der Steueranspruch entstanden (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur). Die Vorschrift des § 41 AO 1977 gilt ihrem Wortlaut und ihrem Sinn nach auch für Verkehrsteuern (Literatur).
3. Auflösend bedingte Rechtsgeschäfte werden bei Eintritt der Bedingung nicht rückwirkend unwirksam.
4. Eine Rücktrittserklärung beseitigt einen Vertrag nicht insgesamt mit rückwirkender Kraft. Durch eine Rücktrittserklärung wandelt sich ein Vertragsverhältnis vielmehr nur in ein Abwicklungsverhältnis und Rückgewährschuldverhältnis um, ohne seine Identität zu verlieren (Literatur).
5. Eine Revision wird nicht dadurch unzulässig, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers im Laufe des Revisionsverfahrens sein Mandat niedergelegt hat.
6. Hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dem BFH gegenüber die Niederlegung des Mandats erklärt, so ist das Urteil dennoch diesem Prozeßbevollmächtigten zuzustellen, wenn die Bestellung eines anderen Bevollmächtigten nicht angezeigt wird. Hat der Prozeßbevollmächtigte dem Kläger gegenüber eine wirksame Kündigung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses ausgesprochen, so beschränkt sich seine Verpflichtung darauf, Zustellungen entgegenzunehmen und die zugestellten Schriftstücke an den Kläger weiterzuleiten.
7. Parallelentscheidung: BFH, 3.2.1988, I R 401/83, NV.
Normenkette
KVStG 1972 § 17 Abs. 1, § 18; AO 1977 § 41 Abs. 1; BGB §§ 158, 346, 168, 671; FGO § 155; ZPO § 87 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 14.06.1983; Aktenzeichen III 80/82) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) veräußerte und übereignete am 26.Juli 1979 Geschäftsanteile an der K-GmbH an die A-GmbH (Käuferin) zum Kaufpreis von X Mio DM. Verkauf und Abtretung wurden notariell beurkundet. Der über dieses Rechtsgeschäft ergangene Börsenumsatzsteuerbescheid ist bestandskräftig.
In der Folgezeit entstanden zwischen den Vertragsparteien Meinungsverschiedenheiten. Die Käuferin vertrat die Auffassung, daß die bei Vertragsabschluß bestehenden Erwartungen an den Gewinn der K-GmbH sich nicht erfüllt hätten. Eine wesentliche Grundlage des Kaufvertrags habe damit nicht vorgelegen bzw. sei weggefallen. Die Käuferin verlangte deshalb die Aufhebung der Übertragungsverträge bzw. die Rückabwicklung des Kaufvertrags und weigerte sich, den Kaufpreis zu entrichten. Der Kläger forderte demgegenüber die Bezahlung des Kaufpreises und die Erfüllung weiterer Pflichten der Käuferin aus dem Kaufvertrag.
Als keine Einigung erzielt wurde, schlossen die Vertragsparteien am 17.Dezember 1981 eine als "Vergleich" bezeichnete privatschriftliche Vereinbarung (Vereinbarung), wonach der Kaufvertrag "rückabzuwickeln" sei. Der Kaufvertrag sei "von Anfang an unwirksam" gewesen. Die Vereinbarung stand unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß die Rückabwicklung "für die Käuferin steuerlich möglich" sei. Anderenfalls vereinbarten die Vertragsparteien eine Rückabwicklung auf der Grundlage eines ermäßigten Kaufpreises.
Noch am 17.Dezember 1981 übertrug die Käuferin die erworbenen Geschäftsanteile durch notariell beurkundete Abtretung an den Kläger zurück.
Für die Rückabtretung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Steuerbescheid vom 23.Februar 1982 Börsenumsatzsteuer aus wiederum X Mio DM gegen den Kläger fest.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid erhobene Klage blieb erfolglos (s. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 517).
Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision zu.
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die aufgrund der gesetzlichen Rücktrittsrechte beider Vertragsparteien vorgenommene Rückabwicklung sei kein Anschaffungsgeschäft i.S. der §§ 17 Abs.1, 18 Abs.1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1972 (KVStG 1972).
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den Steuerbescheid vom 23.Februar 1982 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben im Juni 1985 dem erkennenden Senat angezeigt, daß sie ihre Mandate niedergelegt haben.
Entscheidungsgründe
II. A. Die Revision ist zulässig.
Die Revision wurde nicht dadurch unzulässig, daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Laufe des Revisionsverfahrens ihr Mandat niedergelegt haben. Der Vertretungszwang nach Art.1 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8.Juli 1975 --BFHEntlG-- (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 3.Dezember 1987 (BGBl I 1987, 2442, BStBl I 1987, 800) schreibt lediglich vor, daß sich jeder Beteiligte vor dem Bundesfinanzhof (BFH) durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen muß. Das bedeutet, daß alle Prozeßhandlungen nur durch diese postulationsfähigen Vertreter wirksam vorgenommen werden können. Die entscheidenden Prozeßhandlungen des Klägers, die Einlegung und Begründung der Revision, erfolgten jedoch durch postulationsfähige Vertreter und sind deshalb wirksam (BFH-Urteil vom 24.Oktober 1978 VII R 17/77, BFHE 126, 506, BStBl II 1979, 265).
B. Die Revision ist jedoch unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Der Rückerwerb der Anteile an der K-GmbH durch den Kläger unterlag der Börsenumsatzsteuer. Der Börsenumsatzsteuer unterliegt nach § 17 Abs.1 KVStG 1972 u.a. der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere, wenn die Geschäfte im Inland abgeschlossen werden. Anschaffungsgeschäfte in diesem Sinne sind entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind (§ 18 Abs.1 KVStG 1972).
Die Vereinbarung vom 17.Dezember 1981 erfüllte diese Voraussetzungen.
a) Die Vereinbarung war auf den Erwerb von Wertpapieren gerichtet (§ 18 Abs.1 KVStG 1972). Geschäftsanteile an GmbH sind "Wertpapiere" i.S. des § 17 Abs.1 KVStG 1972, da sie gemäß § 19 Abs.2 KVStG 1972 als "Dividendenwerte" gelten, die gemäß § 19 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972 als Wertpapiere gelten.
b) Die Vereinbarung war auf den "entgeltlichen" Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet (§ 18 Abs.1 KVStG 1972).
Aus dem ursprünglichen Kaufvertrag stand dem Kläger ein Kaufpreisanspruch über X Mio DM gegen die Käuferin zu. Dieser Anspruch bestand noch im Zeitpunkt der Vereinbarung, da die Käuferin ihre Zahlungsverpflichtung noch nicht erfüllt hatte. Durch die Rückabwicklungsvereinbarung erhielt der Kläger einen auf Rückerwerb der Anteile gerichteten Anspruch und verzichtete gleichzeitig auf seinen Kaufpreisanspruch. Dieser Verzicht stellte das Entgelt des Klägers für den Rückerwerb dar.
c) Der Rückabwicklungsvertrag war auch wirksam. Zwar bedürfen die Verpflichtung zur Abtretung und die Abtretung von Geschäftsanteilen an GmbH gemäß § 15 Abs.3 und Abs.4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. Wird jedoch --wie im Streitfall-- die Abtretung als dingliches Erfüllungsgeschäft notariell beurkundet, so wird der Formmangel des Verpflichtungsgeschäfts dadurch geheilt (§ 15 Abs.4 Satz 2 GmbHG).
2. Die für das Rückabwicklungsgeschäft entstandene Börsenumsatzsteuerpflicht entfiel weder dadurch, daß dieses Rechtsgeschäft an eine auflösende Bedingung geknüpft war, noch dadurch, daß es lediglich der Rückabwicklung des ursprünglichen Kaufvertrages diente.
a) Aus § 41 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergibt sich, daß unwirksame Rechtsgeschäfte der Besteuerung nur zugrunde zu legen sind, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 41 AO 1977 Tz.1). Die Vorschrift gilt ihrem Wortlaut und ihrem Sinn nach auch für Verkehrsteuern (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 41 AO 1977 Tz.2).
Unwirksam i.S. des § 41 AO 1977 sind nur Rechtsgeschäfte, die von Anfang an (ex tunc) unwirksam sind oder werden. Wirkt die Unwirksamkeit nur für die Zukunft (ex nunc), so bleibt der Steuertatbestand erfüllt und der Steueranspruch entstanden (vgl. BFH-Urteile vom 14.Mai 1976 III R 113/74, BFHE 119, 214, BStBl II 1976, 656; vom 2.August 1983 VIII R 15/80, BFHE 139, 79, BStBl II 1983, 736; vom 8.Mai 1985 I R 12/85, nicht veröffentlicht --NV--; Tipke/Kruse, a.a.O., § 41 AO 1977 Tz.1; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 41 AO 1977 Anm.5; anderer Ansicht: Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 41 Tz.4).
b) Das der Besteuerung im Streitfall zugrunde liegende Rechtsgeschäft war nicht unwirksam in diesem Sinne. Das gilt sowohl für das Rückabwicklungsgeschäft als auch für den rückabgewickelten Kaufvertrag.
aa) Für eine rückwirkende Unwirksamkeit des dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Rückabwicklungsgeschäfts bestehen keine Anhaltspunkte. Es ist zwar an die Bedingung geknüpft, daß die Rückabwicklung "für die Käufer auch steuerlich möglich sei". Selbst wenn diese Bedingung bei Bejahung der Börsenumsatzsteuerpflicht einträte, wird dadurch die Rückübertragung nicht unwirksam i.S. des § 41 AO 1977. Auflösend bedingte Rechtsgeschäfte werden bei Eintritt der Bedingung nicht rückwirkend unwirksam. Das bürgerliche Recht mißt dem Eintritt einer Bedingung grundsätzlich keine rückwirkende Kraft bei (§ 158 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--; Wolf in Soergel/Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, § 158 Rdnr.29; Staudinger/Dilcher, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 158 Rdnr.12; Steffen in Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes --BGB-RGRK--, § 159 Anm.1).
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein steuerlicher Tatbestand auch dann bestehen bleibt, wenn die Beteiligten die Folgen des Eintritts einer Bedingung nach § 159 BGB auf einen früheren Zeitpunkt zurückbeziehen wollen, da die Formulierung der Vereinbarung vom 17.Dezember 1981 hierfür keinen Anhaltspunkt bietet (gegen Rückbeziehung mit steuerlicher Wirkung Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 41 AO 1977 Anm.26; ebenso Schmidt in Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1979/1980, 314, 321).
bb) Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Unwirksamkeit des rückabgewickelten Kaufvertrages überhaupt nach § 41 AO 1977 dazu führen könnte, auch das Rückabwicklungsgeschäft der Besteuerung nicht zugrunde zu legen. Denn auch der ursprüngliche Kaufvertrag ist nicht rückwirkend unwirksam geworden.
Nach Auffassung des Klägers war der ursprüngliche Kaufvertrag durch die Ausübung eines ihm wegen Nichterfüllung zustehenden gesetzlichen Rücktrittsrechts von Anfang an unwirksam geworden. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat nicht an. Eine Rücktrittserklärung beseitigt einen Vertrag nicht insgesamt mit rückwirkender Kraft. Durch eine Rücktrittserklärung wandelt sich ein Vertragsverhältnis vielmehr nur in ein Abwicklungs- und Rückgewährschuldverhältnis um, ohne seine Identität zu verlieren (Kaduk in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12.Aufl., Vorbemerkung zu §§ 346 f.). Der Senat folgt der im bürgerlichen Recht herrschenden Meinung über die Wirkung des Rücktritts (vgl. insbesondere Janßen in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, vor § 346 Rdnrn.30, 31; Ballhaus in BGB-RGRK, § 346 Rdnrn.10 f.; Palandt/Hinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 47.Aufl., Einführung vor § 346 Anm.1 b; Erman/Westermann, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7.Aufl., § 346 Anm.4; Soergel/Siebert, a.a.O., 11.Aufl., vor § 346 Anm.4; vgl. auch Brönner/Kamprad, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz, 13.Aufl., § 18 Anm.2). Selbst wenn in der Vereinbarung vom 17.Dezember 1981 die wirksame Ausübung eines Rücktrittsrechts des Klägers zu sehen wäre, könnte somit dieser Rücktritt mangels rückwirkender Kraft keine Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung des Rückabwicklungsgeschäftes besitzen.
3. Alle Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der erkennende Senat hielt es für zweckmäßig, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (§ 90 Abs.2, § 121 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.2 FGO.
Aus Gründen der Rechtsklarheit wird darauf hingewiesen, daß das Urteil den Prozeßbevollmächtigten des Klägers zuzustellen ist. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß die Prozeßbevollmächtigten dem BFH gegenüber die Niederlegung des Mandats erklärt haben (§ 168 i.V.m. § 671 BGB, § 87 der Zivilprozeßordnung --ZPO-- und § 155 FGO). Die Kündigung des Vollmachtsvertrages erlangt in Verfahren, in denen Vertretungszwang besteht, erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Bevollmächtigten rechtliche Wirksamkeit (§ 155 FGO i.V.m. § 87 Abs.1 ZPO). Sollten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers diesem gegenüber eine wirksame Kündigung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses ausgesprochen haben, so beschränkt sich ihre Verpflichtung darauf, Zustellungen entgegenzunehmen und die zugestellten Schriftstücke an den Kläger weiterzuleiten.
Fundstellen
Haufe-Index 62323 |
BStBl II 1988, 416 |
BFHE 153, 58 |
BFHE 1989, 58 |
BB 1988, 1315-1316 (LT1) |
HFR 1988, 328 (LT1) |