Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für die Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
Wird ein Grundstückskaufvertrag rückgängig gemacht, weil die Finanzierungskosten nur mit Hilfe der Mietzahlungen der Lebensgefährtin aufgebracht werden können und diese aufgrund einer plötzlich aufgetretenen Erkrankung der Lebensgefährtin ausfallen, sind die Aufwendungen für die Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Derartige Kosten sind als Folge einer frei getroffenen Entscheidung zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen und daher mangels Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit nicht abziehbar (§ 12 EStG).
Normenkette
EStG §§ 12, 33 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von brutto 65 887 DM. Er hatte zusammen mit seiner Lebensgefährtin den Kauf eines eigenen Hauses geplant. Nach eingehender wirtschaftlicher und steuerlicher Beratung und der Kreditzusage einer Bank erwarb der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 2. November 1999 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Grundlage der Finanzierung war die Untervermietung eines Teils des Hauses an seine Lebensgefährtin. Dadurch sollte sie ihren Teil zur Finanzierung und zum Unterhalt der Immobilie beitragen. Vorgesehen waren monatliche Mietzahlungen von 1 300 DM. Ohne diese Mieteinnahme hätte die Bank den Grundstückskauf nicht finanziert.
Kurz nach Abschluss des Kaufvertrages erlitt die Lebensgefährtin des Klägers einen Schlaganfall und ist seitdem schwerstpflegebedürftig. Die Finanzierung des Hauses sowie die Bezahlung der laufenden Kosten war dem Kläger aufgrund des Wegfalls der fest eingeplanten Einkünfte unmöglich geworden. Deshalb wurde der Vertrag rückabgewickelt. Die aufgrund der Rückabwicklung entstandenen Kosten von insgesamt 77 020 DM (Notar- und Rechtsanwaltskosten, entstandener Schaden bei dem Verkäufer, Amtsgericht usw.) trug der Kläger allein.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2000 begehrte der Kläger vergeblich den Abzug dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1454 veröffentlicht.
Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, das FG habe sich in seiner Entscheidung von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entfernt. Es habe zu Unrecht bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nach § 33 EStG maßgeblich auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrages abgestellt.
Entscheidend sei demgegenüber vielmehr das konkrete, die außerordentlichen Kosten auslösende Ereignis als wesentliche Ursache der Aufwendungen. So habe der BFH in seinem Urteil vom 23. Mai 1990 III R 63/85 (BFHE 161, 69, BStBl II 1990, 894) die Anerkennung von Kosten für Besuche eines inhaftierten Ehegatten nicht etwa mit der Begründung abgelehnt, die Ehefrau habe diesen Häftling irgendwann einmal freiwillig geheiratet, sondern nur deshalb, weil er diese Kosten als von § 32a Abs. 1 EStG abgedeckt angesehen habe. Die in rein naturwissenschaftlichem Sinne unendliche Kette der Ursächlichkeit werde für Fälle des § 33 EStG --durchaus gewollt-- sinnvoll unterbrochen, nämlich dann, wenn eben ein von außen kommendes, vom Steuerpflichtigen nicht beherrschbares unvorhersehbares Ereignis eintrete, das ihn in außergewöhnlicher Weise zwangsläufig mit Aufwendungen belaste, denen die Mehrheit der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht ausgesetzt sei.
Frühere Überlegungen, zwischen Einkommens- und Vermögensbelastungen im Rahmen des § 33 EStG zu unterscheiden, seien spätestens durch die Entscheidung des BFH vom 6. Mai 1994 III R 27/92 (BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104) abgeschlossen worden. Darin habe der BFH für den Fall eines Wasserrückstaus in einem im Eigentum der Steuerpflichtigen stehenden Einfamilienhaus infolge eines Risses eines Drainagerohres und eines unsachgemäßen Anschlusses an einer Verbindungsstelle die Anwendbarkeit des § 33 EStG bejaht, ohne etwa den Steuerpflichtigen entgegenzuhalten, sie hätten das Eigentum an ihrem Einfamilienhaus ja irgendwann einmal ohne Zwang erworben.
Ebenso wie in diesem entschiedenen Fall habe es für den Kläger des vorliegenden Verfahrens keinerlei Möglichkeit gegeben, sich etwa vorbereitend auf den Ausfall der Mietzahlungen seiner Lebensgefährtin infolge der urplötzlichen und unvorhersehbaren Erkrankung einzustellen oder sich dagegen abzusichern. Naturkatastrophen wie auch "private Katastrophen" seien gleich zu behandeln.
Ergänzend beruft sich der Kläger auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01 (BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240).
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung in Höhe von 77 020 DM nach § 33 EStG zu berücksichtigen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die Zahlungen im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen ausgeschlossen sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sowie die durch § 10 EStG und Freibeträge für Kinder oder Kindergeld abgegoltenen weiteren zwangsläufigen Aufwendungen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, und vom 23. Mai 2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567).
Nicht unter § 33 EStG fallen auch Kosten, die einem Steuerpflichtigen als Folge seiner frei getroffenen Entscheidungen zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen (§ 12 EStG). Diese sind grundsätzlich von ihm selbst --ohne eine steuerliche Entlastung-- zu tragen. Anspruch auf Solidarität der Gemeinschaft hat der Einzelne in der Regel nur, wenn ihn entweder die Steuerzahlung überfordert --für diese Fälle sehen die §§ 163, 227, 222 der Abgabenordnung (AO 1977) die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen vor-- oder wenn die Aufwendungen einen Bereich der Lebensführung betreffen, der der individuellen Gestaltungsmöglichkeit des Einzelnen entzogen ist. Nur diese Fälle werden, sofern es sich nicht um Aufwendungen handelt, die durch allgemeine Entlastungsbeträge abgegolten werden, durch § 33 EStG erfasst, der ohne Überprüfung der Vermögensverhältnisse zu einer Steuerminderung führt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, und vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).
2. Im Streitfall fehlt es an der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen.
a) Vergebliche Zahlungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks und der Erstellung eines Einfamilienhauses für eigene Wohnzwecke hat der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774 nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt, weil der Erwerb eines Einfamilienhauses typischerweise das Existenzminimum nicht berühre und deshalb steuerlich als Vorgang der normalen Lebensführung zu behandeln sei. Die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Herstellung bzw. der Anschaffung eines Einfamilienhauses berührten das steuerliche Existenzminimum nicht und seien daher schon nicht als außergewöhnlich zu beurteilen (vgl. auch Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 33 Rz. 14; Blümich/Heger, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Einkommensteuergesetz, § 33 EStG Rz. 270; Stöcker in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Rz. 116).
Ferner hat der Senat im Urteil in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774 die vergeblichen Aufwendungen für den Grundstückserwerb und die Herstellung des Einfamilienhauses auch nicht für zwangsläufig gehalten, weil die Steuerpflichtigen eine ihrem Wohnbedürfnis entsprechende Wohnung bewohnt hätten und deshalb weder zum Erwerb eines Einfamilienhauses noch zum Abschluss der für sie nachteiligen Verträge gezwungen gewesen seien. Als rechtliche Gründe i.S. von § 33 Abs. 2 EStG kämen nur solche rechtlichen Verpflichtungen in Betracht, die der Steuerpflichtige nicht selbst gesetzt habe. Verpflichtungen aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen könnten für sich allein eine Zwangsläufigkeit i.S. von § 33 Abs. 2 EStG regelmäßig nicht begründen (Senatsurteil vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745). Zu der selbst begründeten Rechtspflicht müsse eine weitere rechtliche oder sittliche Verpflichtung bzw. eine tatsächliche Zwangslage zur Leistung der Aufwendungen treten. Entsprechendes gelte, wenn die Übernahme der Rechtspflicht ihrerseits auf rechtlichen oder sittlichen Verpflichtungen bzw. einer tatsächlichen Zwangslage beruht habe.
Auch im Streitfall ist der existenzielle Wohnbedarf des Klägers durch den Abschluss und die Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages nicht berührt, weil er über eine seinen Wohnbedürfnissen entsprechende Mietwohnung verfügt. Wenn vor diesem Hintergrund schon die Aufwendungen für den Erwerb eines Einfamilienhauses im Sinne der Rechtsprechung des Senats und der zitierten Literatur nicht als außergewöhnlich zu beurteilen sind, gilt dies erst recht bei den streitbefangenen Kosten, die infolge der Rückabwicklung des Erwerbs eines Einfamilienhauses entstanden sind.
Ferner sind der freiwillige Abschluss und die nachfolgend vereinbarte Aufhebung des Grundstückskaufvertrages durch den Kläger auch ursächlich für die entstandenen Zahlungsverpflichtungen, so dass es grundsätzlich schon deshalb an der Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen mangelt.
Es sind im Streitfall nach Abschluss des Vertrages auch keine Umstände eingetreten, die nach der Rechtsprechung dazu führen, dass die Rückabwicklung des Vertrages nicht als Folge einer frei getroffenen Entscheidung zur Lebensgestaltung zu beurteilen wäre.
Der finanzielle Engpass des Klägers aufgrund der schweren Erkrankung seiner Lebensgefährtin reicht nicht aus, um eine Zwangslage aus tatsächlichen Gründen anzunehmen.
Tatsächliche Gründe ergeben nur dann eine Zwangsläufigkeit, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines unausweichlichen Ereignisses zu den Aufwendungen gezwungen wird. Hierzu zählen insbesondere Aufwendungen aus Anlass von Krankheiten, Geburt, Tod, Naturkatastrophen, Brand, nicht selbst verschuldetem Unfall, Erpressung und anderen unzumutbaren Beschränkungen der Freiheit (vgl. Blümich/Heger, a.a.O., § 33 EStG Rz. 110; Stöcker in Lademann, a.a.O., § 33 Rz. 162).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt nicht vergleichbar mit den genannten Fallgruppen. Die Erkrankung der Lebensgefährtin war allenfalls eine mittelbare Ursache für die Rückabwicklung des Kaufvertrages. In erster Linie stellt sich die Aufhebung des Vertrages als Folge der konkreten vom Kläger frei gewählten Vertragsgestaltung bei der Finanzierung des Erwerbs des Einfamilienhauses --nämlich der Einbeziehung der Mietzahlungen der Lebensgefährtin-- dar (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391). Insofern hat sich ein von dem Kläger im Rahmen der Vertragsgestaltung zur Finanzierung des Erwerbs des Einfamilienhauses bewusst einkalkuliertes Risiko realisiert, das in seine Verantwortungssphäre fällt und daher von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausscheidet. Die durch die Rückabwicklung entstandenen Kosten sind dem Kläger daher als Folge seiner frei getroffenen Entscheidung zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen (§ 12 EStG).
b) Dieser Wertung stehen auch nicht die Ausführungen der vom Kläger zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen.
So hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104 entschieden, dass auch Kosten zur Beseitigung eines Vermögensschadens (unvorhersehbarer Wasserschaden an einem selbstgenutzten Einfamilienhaus) Aufwendungen i.S. von § 33 EStG bilden könnten. Voraussetzung hierfür sei, dass der Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen eine existentiell wichtige Bedeutung habe, keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben seien. Ein Verschulden des Steuerpflichtigen an dem eingetretenen Vermögensschaden sei auch bei dem Unterlassen des Abschlusses einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherung anzunehmen.
Nach dem Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 können auch Aufwendungen für die Asbestsanierung eines selbst bewohnten Wohnhauses als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein, wenn durch ein vor Durchführung der Maßnahme erstelltes amtliches Gutachten nachgewiesen wurde, dass eine Sanierung zur Beseitigung einer von der Fassade ausgehenden konkreten Gesundheitsgefährdung infolge der Freisetzung von Asbestfasern in das Innere des Hauses unverzüglich erforderlich ist.
Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt ist aber insofern entscheidend anders, als dem Kläger --unabhängig von dem gescheiterten Erwerb des Einfamilienhauses-- nach wie vor seine --nach Aktenlage nicht beschädigte oder gar gesundheitsgefährdende-- Mietwohnung zur Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob der Abzug der Rückabwicklungskosten als außergewöhnliche Belastung auch daran scheitert, dass der Kläger zur Vermeidung der entstandenen finanziellen Kosten nicht auf den Abschluss einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung seiner Lebensgefährtin hingewirkt hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2003 III R 36/01, BFHE 203, 295, BStBl II 2004, 47).
Fundstellen
Haufe-Index 1374681 |
BFH/NV 2005, 1287 |
HFR 2005, 976 |
NWB 2005, 2691 |
EStB 2005, 250 |
NWB direkt 2005, 6 |
StBW 2005, 3 |