Leitsatz (amtlich)
Kalkeier und Kühlhauseier sind Gegenstände anderer Marktgängigkeit als Frischeier.
Normenkette
UStG § 7 Abs. 3; UStDB § 12
Tatbestand
Der Steuerpflichtige hat, wie durch eine Betriebsprüfung festgestellt wurde, in den Veranlagungszeiträumen II/1948, 1949 und 1950 Frischeier erworben und teilweise für die Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette eingekalkt, teilweise auch für eigene Rechnung in Kühlhäusern gelagert und die Umsätze aus den Verkäufen der Kalkeier und der Kühlhauseier zum ermäßigten Steuersatze nach § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) versteuert. In den Büchern des Steuerpflichtigen sind nach den Feststellungen der Betriebsprüfung die Lieferanten der Eier und des außerdem gehandelten Geflügels nicht namhaft gemacht, auch ist der Umfang des Einkalkens und Kühlens der Eier nicht ersichtlich gemacht. Das Finanzamt hat deshalb die streitigen Umsätze mangels Buchnachweises und wegen steuerlich schädlicher Bearbeitung zu 3 % versteuert.
Die hiergegen gerichtete Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren hat der Steuerpflichtige u. a. geltend gemacht:
Das Einkalken und insbesondere das Lagern in Kühlhäusern seien reine Erhaltungsmaßnahmen. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern hier steuerlich eine andere Beurteilung Platz greifen solle als bei Fischen, Fleisch, Obst und Milch. Daß Kühlhauseier billiger als Frischeier seien, beruhe auf einem Zersetzungsprozeß, der auch nicht durch die Einkühlung verhindert werden könne; diese Veränderung gehe aber ohne Behandlung durch den Großhändler vor sich. Die Auffassung des Reichsfinanzhofs im Urteil V 167/38 vom 13. Oktober 1939 (Slg. Bd. 47 S. 288, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1939 S. 1105) sei unzutreffend, weil hier übersehen werde, daß man das Einkühlen und den natürlichen Zersetzungsprozeß nicht als Einheit und die Qualitätsverschlechterung nicht als mit beiden Vorgängen im ursächlichen Zusammenhang stehend ansehen könne. Sähe man das Einkühlen der Eier als steuerlich schädliche Bearbeitung an, so müsse man folgerichtig jede Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahme in gleicher Weise beurteilen, da eine vollständige Erhaltung und eine völlige Wiederherstellung niemals möglich sei. Einkalken und Kühlen führten zu keiner Veränderung der Eier. Es sei eine der Hauptaufgaben des Großhandels, die gleichmäßige Versorgung des Einzelhändlers und damit der Bevölkerung sicherzustellen. Bei verderblichen Lebensmitteln sei die Lagerung nur in Verbindung mit einer Einkühlung möglich. Das Einkalken und Kühlhalten gehöre also zu den Aufgaben des Großhandels. Das Kühlhausei sei zwar unter Umständen etwas anderes als ein Frischei; der-Verkehr sehe aber das Kühlen nicht als eine "Bearbeitung" an. Insofern § 12 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) an Stelle des Wortes "Bearbeitung", das das Gesetz im § 7 Abs. 3 UStG verwende, das Wort "Behandlung" setze, sei diese Bestimmung durch die gesetzliche Ermächtigung nicht gedeckt. § 12 UStDB sei insoweit keine gültige Rechtsverordnung. An den Buchnachweis habe das Finanzamt übersteigerte Anforderungen gestellt, weil feststehe, daß der Steuerpflichtige nur erworbene Eier weiterveräußert habe; auch sei keine steuerlich schädliche Bearbeitung vorgenommen worden.
Entscheidungsgründe
Die gegen die Versagung der Großhandelsvergünstigung gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben. Auch gegenüber dem Vorbringen in der Rb. sieht der erkennende Senat keinen Anlaß, von dem im oben angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs vom 13. Oktober 1939 eingenommenen Standpunkt abzugehen. Daß Kühlhauseier und Kalkeier gegenüber den vom Beschwerdeführer (Bf.) erworbenen Frischeiern ein neues Verkehrsgut darstellen, kann auch von der Rb. nicht ernstlich bestritten werden. Wenn demgegenüber gerügt wird, daß es die Vorentscheidung an einer entsprechenden Feststellung der Verkehrsauffassung fehlen lasse, so übersieht die Rb., daß die im Handel übliche und vorgeschriebene andere Bezeichnung, die unbestritten geänderte Qualität und die beschränktere Verwendungsmöglichkeit des Kalk- oder Kühlhauseies gegenüber dem Frischei so eindeutige auf der Verkehrsanschauung beruhende Feststellungen im Sinne einer Änderung der Wesensart nach § 12 UStDB darstellen, daß es weiterer Erhebungen nicht bedurfte. Gegenüber den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, daß der der Rechtsauffassung des Senats zugrundeliegende Sachverhalt streitig sei, wird auf den Schriftsatz des Bf. vom 18. Juni 1953 (unter II) verwiesen. Anf Grund der dort gemachten Ausführungen konnte das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum oder Aktenverstoß die jetzt angegriffenen Feststellungen treffen, die demnach für den Senat bindend sind (§§ 288, 296 der Reichsabgabenordnung -- AO --). Im Gegensatz zur Auffassung der Rb. kommt es nach dem Sinn und dem klaren Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 UStDB allein darauf an, ob ein Kühlhaus- oder Kalkei etwas anderes ist als ein Frischei, und für diese Frage sind eben die Anschauung des Verkehrs, nicht aber biologische Untersuchungen über die Beschaffenheit der Eier maßgebend. Insbesondere war das Finanzgericht weiterer Ermittlungen im Hinblick auf die gesetzliche Regelung durch die in den streitigen Veranlagungszeiträumen allein noch anzuwendenden Verordnungen vom 17. März 1932 (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- I S. 146) in der Fassung des Gesetzes vom 17. Mai 1933 (RGBl. I S. 273) und vom 8. Juni 1934 (RGBl. I S. 479) enthoben. Es sei bemerkt, daß auch die jetzt gültige Regelung (§§ 3 bis 7 der Verordnung über Handelsklassen und Kennzeichnung von Eiern -- Eierverordnung -- vom 19. April 1952, Bundesanzeiger 1952 Nr. 77 vom 22. April 1952) zu keiner anderen Beurteilung führt.
Die erwähnten Regelungen tragen nicht nur der bestehenden Verkehrsauffassung Rechnung, sondern haben sie auch laufend beeinflußt. Erst eine neuere wirtschaftliche Erkenntnisse berücksichtigende Regelung der Materie würde unter Umständen eine geänderte Verkehrsauffassung zur Folge haben, die eine andere Beurteilung nach sich ziehen könnte. Für die streitigen Veranlagungszeiträume werden vom Standpunkt des geltenden Rechts Unterschiede in der Lagerzeit der Kühlhauseier nicht berücksichtigt, so daß ohne Rücksicht darauf, ob dies durch die Beschaffenheit der Eier gerechtfertigt ist, Kühlhauseier ganz allgemein als ein anderes Verkehrsgut angesehen werden als Frischeier.
Die Rb. irrt auch, wenn sie der Meinung ist, daß die Verkehrsauffassung über den Begriff "Bearbeitung" oder "Verarbeitung" festzustellen gewesen wäre; diese Begriffe sowie der ursächliche Zusammenhang zwischen den Maßnahmen des Großhandels und der Entstehung des neuen Verkehrsgutes haben Rechtsfragen zum Gegenstand, die der Beurteilung durch die beteiligten Wirtschaftskreise entzogen sind.
Zu prüfen bleibt deshalb, ob die streitigen Maßnahmen des Einkalkens und Kühlens überhaupt eine Behandlung im Sinne des § 12 UStDB darstellen und für die Änderung der Wesensart ursächlich sind. Auch insoweit tritt der erkennende Senat dem oben angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs vom 13. Oktober 1939 in vollem Umfange bei. Das bewußte Ausnutzen und die Anwendung der Kälte oder des Kalkwassers durch den Steuerpflichtigen ist insofern für die Entstehung des neuen Verkehrsgutes ursächlich, als ohne diese Behandlung das in seinem Endergebnis entstandene Produkt eben nicht ein Kühlhausei oder ein Kalkei, sondern bei entsprechend langer Lagerung, die ohne dem natürlichen Zersetzungsvorgang entgegenwirkende Maßnahmen vor sich gegangen wäre, nur ein verdorbenes Ei gewesen wäre.
Der Bf. zieht zur Stützung seiner Auffassung, es handle sich nur um Erhaltungsmaßnahmen, Vergleiche zu anderen Landesprodukten, wie Obst oder Fleisch, die ohne steuerliche Nachteile gleichfalls kühl gelagert würden. Dabei wird übersehen, daß der Liefergegenstand bei kühl gelagertem (nicht konserviertem!) Obst oder Fleisch auch nach der Lagerung immer noch unverändert frisches Obst und Fleisch ist, während im Streitfall ein neues Verkehrsgut entstanden ist. Außerdem wirken, worauf schon das Finanzgericht zutreffend hingewiesen hat, die Maßnahmen des Großhändlers im Streitfall über seine Besitzzeit hinaus. Auch aus dem gleichfalls anders gelagerten Falle des Urteils des Reichsfinanzhofs V 292/38 vom 14. Juni 1940 (Slg. Bd. 49 S. 15, RStBl. 1940 S. 837), in welchem das Nachreifenlassen von Bananen behandelt wird, lassen sich keine Schlüsse für den Streitfall ziehen. Der erkennende Senat (vgl. Urteil V 174/52 U vom 30. April 1953, Slg. Bd. 57 S. 528, Bundessteuerblatt -- BStBl. -- 1953 III S. 203) wie schon der Reichsfinanzhof haben wiederholt auf die beschränkte Möglichkeit der Heranziehung "ähnlich" gelagerter Fälle bei Bearbeitungsmaßnahmen hingewiesen.
Schließlich ist noch auf die behauptete Rechtsungültigkeit des § 12 UStDB einzugehen, die die Rb. offenbar auch für die Veranlagungszeiträume vor Geltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) annimmt. Für diese Zeit ist § 12 UStDB schon deshalb durch die Ermächtigung im § 18 UStG 1934 gedeckt, weil § 12 keinesfalls gegen Grundsätze des Gesetzes verstößt (vgl. Gutachten des Bundesfinanzhofs IV D 1/51 S vom 22. November 1951, Slg. Bd. 56 S. 14, BStBl. 1952 III S. 6, und Urteil des erkennenden Senats V 58/51 U vom 23. Oktober 1952, Slg. Bd. 57 S. 60, BStBl. 1953 III S. 22). Für die Zeit des Geltungsbereichs des GG hat der erkennende Senat die Frage bereits im Urteil V 188/53 U vom 5. November 1953 (Slg. Bd. 58 S. 311, BStBl. 1954 III S. 31) geprüft; er hält daran fest, daß sich § 12 UStDB im Rahmen der erteilten Ermächtigung hält. Dem Gesetzgeber war bei Erlaß des UStG 1951 die langjährige Rechtsprechung des obersten Steuergerichts in Bearbeitungsfragen bekannt, ohne sich deshalb veranlaßt zu sehen, dem Gesetz oder den Durchführungsbestimmungen eine einschränkende Fassung zu geben. Die Auslegung des Begriffs "Behandlung" durch die, ständige Rechtsprechung weist auch gegenüber der von der Rb. gegebenen Bedeutung des Begriffs "Bearbeitung" im übrigen keinen grundsätzlichen Unterschied auf, weil im Streitfalle wie auch sonst eine bewußte Handlung vorliegt, die zum Zwecke der Schaffung eines neuen Verkehrsgutes vorgenommen wird.
Inwieweit der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verletzt sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Rb. hat nicht darzulegen vermocht, inwiefern wesentlich gleiche Tatbestände ungleich behandelt würden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 69/53 S vom 25. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 109, BStBl. 1953 III S. 332).
Im übrigen entsprechen die Ausführungen der Vorinstanz über den Buchnachweis der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil V 172/53 U vom 12. August 1954, BStBl. 1954 III S. 294). Auch aus diesem Grunde ist deshalb die Inanspruchnahme der Großhandelsvergünstigung nicht gerechtfertigt.
Die Rb. war hiernach mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1955, 195 |
BFHE 1955, 513 |