Leitsatz (amtlich)
Sparkassen, die einen nach dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen unterbringungsberechtigten Beamten beschäftigen und einer nach dem Umlageverfahren arbeitenden Versorgungskasse angeschlossen sind, können eine Pensionsrückstellung nach den allgemeinen Grundsätzen bilden und die jährlich an die Versorgungskasse zu entrichtenden Umlagebeträge im Jahr der Zahlung als Betriebsausgabe absetzen.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 2-3; Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. Mai 1951: § 42
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Stpfl.), eine Kreissparkasse, hat den Direktor P., der als verdrängter Beamter nach dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (Gesetz 131) - BGBl I 1951, 307 - unterbringungsberechtigt war, seit dem 10. Juli 1950 als Beamten auf Lebenszeit wiederverwendet. Wegen der Versorgungsansprüche des P. hat die Stpfl. nach versicherungsmathematischen Grundsätzen eine Rückstellung gebildet. Der Revisionsbeklagte (FA) war bei der Veranlagung für das Streitjahr 1960 der Ansicht, dadurch, daß nach § 42 des Gesetzes 131 der Bund verpflichtet sei, die Pension für die bis zum 8. Mai 1945 zurückgelegte ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu übernehmen, sei die Stpfl. insoweit mit einer Pensionsverpflichtung nicht belastet; der Erstattungsanspruch stelle wirtschaftlich einen Wertberichtigungsposten zu der Pensionslast dar.
Die Stpfl. ist dagegen der Ansicht, ihr stehe kein aktivierungsfähiger Ausgleichsanspruch zu. Sie sei der Niedersächsischen Versorgungskasse angeschlossen, die für sie, d. h. in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung, die Versorgungsansprüche der ihr gegenüber Versorgungsberechtigten erfülle. Die dazu erforderlichen Mittel würden von ihr - wie von den übrigen Mitgliedern der Kasse - im Wege der Umlage nach Maßgabe der Satzung der Kasse erhoben. Damit stehe aber gemäß § 42 Abs. 3 des Gesetzes 131 auch der grundsätzlich dem wiederverwendenden Dienstherrn gegebene Erstattungsanspruch nunmehr der Kasse zu. Die Versorgungskasse setze die ihr aus § 42 Abs. 3 des Gesetzes 131 zufließenden Beträge vom Gesamtbetrag der von allen Mitgliedern der Kasse aufzubringenden Umlage ab und der verbleibende Restbetrag sei nach den in der Satzung festgelegten Schlüsseln von den Mitgliedern der Kasse aufzubringen. Die Verrechnung der Leistungen aus § 42 Abs. 3 des Gesetzes 131 wirke sich aber auch nicht in einem der Zahl der Versorgungsberechtigten der einzelnen Mitglieder der Kasse entsprechenden Verhältnis aus, da von 4506 angemeldeten versorgungsberechtigten Beamten der Gebietskörperschaften und Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Sitz in Niedersachsen nur 452 (= 10 v. H.) Sparkassenbeamte seien. Damit bleibe im praktischen Ergebnis in ihrem Falle die volle Versorgungslast bei ihr bestehen, ein Umstand, dem sie durch Vollpassivierung der Versorgungslast Rechnung zu tragen habe.
Das FG hat die Sprungberufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Versorgungskasse werde im Auftrag und für Rechnung der Stpfl. tätig. Mit Recht weise deshalb das FA darauf hin, daß es für die Beurteilung der Streitfrage keinen Unterschied machen könne, ob der wiederverwendende Dienstherr einer Versorgungskasse angeschlossen sei oder nicht, da der Anschluß auf seinem eigenen freien Willensentschluß beruhe. Die Versorgungskasse empfange die Leistung "anstelle des neuen Dienstherren" und habe demgemäß bei Anforderung der Ausgleichsleistung durch Beibringung einer entsprechenden Erklärung des wiederverwendenden Dienstherrn nachzuweisen, daß dieser selbst den im Grunde ihm zustehenden Erstattungsanspruch nicht erhebe (Abschn. IV Nr. 12 der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des § 42 des Gesetzes 131 vom 3. September 1959, Bundesanzeiger Nr. 176 - Beilage - vom 15. September 1959, Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen 1959 S. 893 ff.).
Zwar sei die Niedersächsische Versorgungskasse funktionell so ausgestaltet, daß die einzelnen Mitglieder zwecks Erzielung möglichst gleichbleibender Beitragsleistungen - unabhängig vom Vorliegen eines oder mehrerer Versorgungsfälle bei dem einzelnen Mitglied - ihre Beiträge allein nach Maßgabe der Zahl und der persönlichen Verhältnisse der von ihnen zur Versorgungskasse angemeldeten Versorgungsberechtigten erbringen. Diese Beitragsabrechnung bringe es mit sich, daß ein Mitglied, bei dem ein Versorgungsfall noch nicht eingetreten sei, Beiträge zu leisten habe, denen lediglich der Anspruch auf spätere Berücksichtigung der bei ihm zu erwartenden Versorgungsfälle gegenüberstehe dergestalt, daß seine Beitragsleistungen sich durch den Eintritt dieser Versorgungsfälle nicht absolut erhöhen, sondern nur im Rahmen der von allen Mitgliedern zu erfüllenden Versorgungsansprüche, d. h. relativ. Nichts anderes könne aber gelten, wenn in diese Regelung auch die der Kasse aus § 42 Abs. 3 des Gesetzes 131 zufließenden Ausgleichszahlungen beitragsmindernd einbezogen werden, diese Minderung mithin nicht auf das aus § 42 Abs. 1 des Gesetzes 131 persönlich berechtigte Mitglied beschränkt werde. Das Mitglied, dessen Rechte aus § 42 Abs. 1 des Gesetzes 131 noch nicht akut geworden seien, nehme schon vorab an der Realisierung solcher Ansprüche anderer Mitglieder durch die Versorgungskasse (§ 42 Abs. 3 des Gesetzes 131) teil und habe dementsprechend seine Ansprüche nach Fälligwerden der Gemeinschaft anteilig zu überlassen, was in § 42 Abs. 3 des Gesetzes 131 gesetzlich sichergestellt sei. Diese Art der Verrechnung erlaube indes nicht, die Versorgungslasten auf der einen Seite voll, den Erstattungsanspruch aus § 42 des Gesetzes 131 aber auf der anderen Seite überhaupt nicht zu berücksichtigen. Zwar entstehe nach dem Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 15. Februar 1955 - S 2158 - 25 - 31 1 - durch die laufenden Beiträge an die Versorgungskasse ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut (in Höhe der gegen diese begründeten künftigen Übernahmeansprüche) nicht und neben den als Betriebsausgaben behandelten Beitragszahlungen könne eine Pensionsrückstellung für die noch nicht pensionierten Beamten nach den allgemeinen Grundsätzen gebildet werden. Das bedeute aber nicht, daß bei Einbeziehung der Erstattungsansprüche aus § 42 des Gesetzes 131 in die Beitragsabrechnung der Erstattungsanspruch - als Gegenposten zur Pensionsrückstellung - bilanzmäßig unberücksichtigt zu bleiben habe.
Mit der Rb. rügt die Stpfl. unrichtige Anwendung des § 42 Abs. 3 des Gesetzes 131.
Der BdF ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 FGO). Sein Vertreter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, durch die Zahlung der Umlage entstehe für die Stpfl. kein Wirtschaftsgut, eine Aktivierung sei auch nicht im Hinblick auf die Verpflichtung des Bundes zur Erstattung eines Teiles der Versorgungsbezüge geboten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Steuerbescheids.
Die Vorinstanz und das FA sind zutreffend davon ausgegangen, daß die Stpfl. eine Pensionsrückstellung nach versicherungsmathematischen Berechnungen für P. bilden kann, weil sie eine Verpflichtung zur Pensionszahlung hat. Durch die Zugehörigkeit zur Niedersächsischen Versorgungskasse wird die Stpfl. nicht von ihrer Verpflichtung dem Versorgungsberechtigten gegenüber befreit.
Bei der Versorgungskasse handelt es sich um einen auf öffentlich-rechtlicher Basis erfolgten Zusammenschluß von Versorgungsverpflichteten zur gemeinsamen Erfüllung ihrer Versorgungsverpflichtungen, wobei sich die einzelnen Mitglieder an der Erstattung der Versorgungsleistungen der Versorgungskasse durch Umlagen ohne Rücksicht darauf zu beteiligen haben, ob die Versorgungskasse bereits jetzt oder erst künftig Versorgungsleistungen für sie erfüllt. Die Zugehörigkeit zu der Versorgungskasse soll dazu führen, daß die einzelnen Mitglieder zwecks Erzielung möglichst gleichbleibender Beitragsleistungen unabhängig vom Vorliegen eines oder mehrerer Versorgungsfälle bei dem einzelnen Mitglied ihre Beiträge nach Zahl und Maßgabe der persönlichen Verhältnisse der von ihnen zu versorgenden Berechtigten erbringen.
P. ist als verdrängter Beamter unterbringungsberechtigt gemäß dem Gesetz 131. Nach § 42 Abs. 1 des Gesetzes 131 trägt der Bund die Versorgungslast für die Zeit bis zum 8. Mai 1945; der wiederverwendende Dienstherr hat insoweit einen Erstattungsanspruch gegen den Bund. Werden - wie im vorliegenden Falle - die Ruhegehälter aus Versorgungskassen gezahlt, so steht der Erstattungsanspruch den Kassen zu (§ 42 Abs. 3 des Gesetzes 131). Die der Versorgungskasse zufließenden Erstattungsbeträge mindern die Umlage. Diese Minderung der Umlage führt aber nicht zu einer Minderung der Rückstellung, denn die Versorgungslast der Stpfl. bleibt unberührt. Ebensowenig kann die Rückstellung durch andere Rechte aus der Mitgliedschaft in der Versorgungskasse gemindert werden. Selbst wenn aktivierungsfähige Rechte der Stpfl. gegen die Versorgungskasse beständen, wäre eine Saldierung von Ansprüchen und Verpflichtungen nicht gestattet (vgl. das Urteil des BFH I 90/63 vom 1. Februar 1966, BFH 85, 108, BStBl III 1966, 251). In diesem Punkte besteht auch unter den Beteiligten kein Streit.
Das FA will den Rückgriffsanspruch gegen die Versorgungskasse aktivieren, der sich durch den gemäß § 42 Abs. 3 des Gesetzes 131 bestimmten Übergang des Anspruchs an den Bund auf die Versorgungskasse nur mehr gegen diese ergibt. Wertmäßig entspreche der Anspruch der Stpfl. dem Anspruch aus § 42 Abs. 1 des Gesetzes 131. Es müsse dem Charakter der Versorgungskasse als Mittelsperson Rechnung getragen werden, nicht nur hinsichtlich der Pensionszahlungen der Versorgungskasse, sondern auch im Hinblick auf die zu diesen Pensionszahlungen gehörenden Erstattungen von dritter Seite. Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden; denn da der dem Bund zur Last fallende Anteil der Versorgungskasse zusteht, entsteht für die Stpfl. kein aktivierungsfähiger Anspruch. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Stpfl. einen Anspruch aktivieren dürfte oder müßte, wenn sie nicht einer Versorgungskasse angeschlossen wäre und ihr der Erstattungsanspruch aus § 42 Abs. 1 des Gesetzes 131 unmittelbar zustände.
Solange die Stpfl. der Versorgungskasse angehört, hat sie keinen Anspruch - weder gegen den Bund noch gegen die Versorgungskasse. Die Versorgungskasse erhält die Erstattung erst bei Eintritt des Versorgungsfalles und verrechnet sie auf die Umlage. Träte die Stpfl. aus der Versorgungskasse aus, so erhielte sie den Anspruch gegen den Bund zurück, jedoch unter Verlust aller Ansprüche gegen die Versorgungskasse (siehe § 18 Abs. 3 der Satzung der Versorgungskasse). Da die Stpfl. aus § 42 des Gesetzes 131 keine realisierbaren Ansprüche hat, darf sie aus diesem Grund nichts aktivieren.
Eine Aktivierung kann auch nicht aus dem vom FA vorgetragenen Gedanken gefolgert werden, die Stpfl. wende durch ihr Verbleiben in der Versorgungskasse den Anspruch gegen den Bund auf und tausche dafür einen Anteil an derartigen Ansprüchen sämtlicher Mitglieder ein; es müsse der allgemein anerkannte Grundsatz gelten, daß sich Leistung und Gegenleistung ausglichen. Richtig ist, daß die der Versorgungskasse zustehenden und bei Fälligkeit zufließenden Erstattungszahlungen in einem gewissen Umfang der Sparkasse zugute kommen. Denn die Versorgungskasse ist verpflichtet, die ihr zufließenden Erstattungsleistungen im satzungsrechtlichen Sinne zu verwenden. Der Mittelbedarf der Versorgungskasse wird um die Erstattungsleistungen gekürzt, so daß die Umlagen geringer werden. Die Umlagenkürzung kommt allen Mitgliedern der Versorgungskasse gleichmäßig zugute - auch solchen Mitgliedern, die keine Beamten nach dem Gesetz 131 beschäftigen. Soweit andere Mitglieder einen Vorteil aus der Erstattung ziehen, hat die Stpfl. keinesfalls aktivierungsfähige Rechte. Der Vorteil der Stpfl. ist nicht identisch mit dem Erstattungsbetrag nach § 42 Abs. 1 des Gesetzes 131. Da der Erstattungsbetrag auch den anderen Mitgliedern der Versorgungskasse zugute kommt, hat die Stpfl. keinen gleichwertigen und gleichartigen Anspruch, den sie aktivieren könnte.
Diese Beurteilung ändert sich nicht dadurch, daß der Anschluß an die Versicherungskasse freiwillig erfolgt ist. Selbst wenn man den "Aufwand" durch Übergang des Erstattungsanspruchs als "freiwillige Leistung" ansehen könnte, so käme eine Aktivierung des Aufwandes nur in Frage, wenn eine konkrete Gegenleistung der Versorgungskasse feststellbar wäre. Die Mitgliedschaft in der Versorgungskasse gibt der Stpfl. eine Rechtsposition, aus der der Stpfl. aber keine aktivierungspflichtigen Rechte erwachsen. Auch die zu zahlende Umlage kann eine Aktivierung nicht rechtfertigen. Die Kasse trägt nach § 20 ihrer Satzung die von ihren Mitgliedern zu gewährenden Versorgungsleistungen; zur Erfüllung dieser Leistungen erhebt sie die Umlage (§ 30 der Satzung). Die Kasse sammelt kein Deckungskapital an. Daraus ergibt sich, daß die Zahlung der Umlage keinen Anspruch für spätere Leistungen der Kasse erzeugt, der bei der Stpfl. aktiviert werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 412789 |
BStBl II 1968, 54 |
BFHE 1968, 264 |