Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrechtliche Folgen der Auflösung einer KG und Löschung der KomplementärGmbH im Handelsregister während des finanzgerichtlichen Verfahrens
Leitsatz (NV)
Der mit der Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft eintretende Wechsel in der Vertretungsbefugnis (§ 146 Abs. 1 HGB) führt im Regelfall nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens nach § 241 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO.
Normenkette
HGB §§ 131, 146, 161 Abs. 2; ZPO § 241 Abs. 1, §§ 246, 249 Abs. 3; FGO § 58 Abs. 2, § 155
Verfahrensgang
Tatbestand
Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin - einer GmbH & Co. KG - ist die W-GmbH (GmbH).
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1972 Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgegeben hat.
Das beklagte FA hat Revision eingelegt und im März 1984 mitgeteilt, die Eintragung der Klägerin im Handelsregister des Amtsgerichts K sei am 29. Mai 1981 aufgrund des § 142 FGG von Amts wegen gelöscht worden. Die Eintragung der GmbH im Handelsregister sei bereits am 22. März 1979 nach § 2 LöschG von Amts wegen gelöscht worden.
Auf eine entsprechende Anfrage des Senatsvorsitzenden teilte das Amtsgericht K mit, die Klägerin habe im Zeitpunkt der Löschung keinen Sitz mehr in K gehabt. Auch sei zweifelhaft gewesen, ob sie überhaupt noch bestanden habe. Im Zeitpunkt der Löschung sei bekannt gewesen, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens gegen die Klägerin nach § 107 KO mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen worden sei. Sämtlichen Gesellschaftern sei die Absicht, die Klägerin im Handelsregister zu löschen, mitgeteilt worden. Widerspruch sei dagegen nicht erhoben worden. Hinsichtlich der GmbH hätten Ermittlungen ergeben, daß sie vermögenslos gewesen sei. Der damalige Geschäftsführer X habe gegen die ihm angekündigte Löschung keinen Widerspruch erhoben. Nach Löschung der GmbH habe im November 1979 ein Notar mitgeteilt, daß die GmbH Miteigentümerin eines in S belegenen Grundstücks sei. Auf Antrag dieses Notars sei X am 14. März 1980 durch Bescheid des Amtsgerichts K zum Liquidator der GmbH bestellt worden (§ 2 Abs. 3 LöschG). Die GmbH bestehe zur Zeit als Liquidationsgesellschaft fort.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
I. Das Revisionsverfahren ist ungeachtet der Löschung der Klägerin im Handelsregister fortzusetzen.
1. Durch die Löschung der Firma einer KG im Handelsregister wird die Fähigkeit der KG, im gerichtlichen Verfahren über die Anfechtung einer einheitlichen Gewinnfeststellung als Klägerin aufzutreten, nicht berührt. Entscheidend für die Beteiligtenfähigkeit einer KG im finanzgerichtlichen Verfahren sind nicht die Eintragungen im Handelsregister. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft noch fortbesteht oder ob ihre Vollbeendigung eingetreten und sie damit rechtlich untergegangen ist. Die Löschung der Firma im Handelsregister setzt zwar voraus, daß die Abwicklung der Gesellschaft (§ 157 des Handelsgesetzbuchs - HGB -) und damit auch die Gesellschaft selbst vollbeendet ist. Die das Erlöschen der Firma bekundende Eintragung im Handelsregister hat jedoch keine konstitutive Wirkung. Stellt sich nach der Löschung einer KG heraus, daß die Gesellschaft noch nicht beendet war, so kann die Gesellschaft weiterhin unter ihrer bisherigen Firma im Prozeß auftreten, also klagen und verklagt werden (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Juni 1979 IX ZR 69/75, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1979, 1987; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1977 IV R 113/75, BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467).
Für den rechtlichen Fortbestand einer bereits gelöschten KG genügt es, daß diese noch an einem schwebenden finanzgerichtlichen Verfahren über einen Gewinnfeststellungsbescheid (§ 215 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung - AO 1977 -) beteiligt ist (BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467).
2. Die Löschung der Klägerin im Handelsregister am 29. Mai 1981 deutet allerdings darauf hin, daß die Klägerin während des Revisionsverfahrens aufgelöst worden ist (vgl. § 131 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB).
Die Auflösung der Gesellschaft hat zur Folge, daß Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht der bisherigen Geschäftsführer erlöschen (Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 26. Aufl., § 146 Anm. 1). An ihre Stelle treten im Fall der Liquidation (§ 145 HGB) die Liquidatoren (§ 146 HGB). Erfolgt die Auseinandersetzung auf andere Weise als durch Liquidation, so wird die Gesellschaft durch sämtliche Gesellschafter vertreten (Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O.).
3. Der mit der Auflösung der Gesellschaft kraft Gesetzes eintretende Wechsel in der Vertretungsbefugnis führt jedenfalls im Streitfall nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens nach § 241 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO.
Die Vorschrift des § 241 ZPO will die Beteiligten nur davor schützen, daß sie durch Verlust ihrer Prozeßfähigkeit oder Wegfall ihrer gesetzlichen Vertreter vorübergehend im Verfahren nicht vertreten sind (Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 241 Anm. 7). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 241 Abs. 1 ZPO, in dem es heißt, daß die Unterbrechung andauert, bis der neue gesetzliche Vertreter dem Gericht von seiner ,,Bestellung" Anzeige macht. Die Vorschrift ist nach ihrem Sinn und Zweck nicht anwendbar, wenn an die Stelle der bisherigen Vertreter sogleich andere treten, sei es, daß durch Gesellschafterbeschluß die bisher vertretungsberechtigten Gesellschafter abberufen und durch andere Vertreter ersetzt werden, sei es, daß im Fall der Auflösung die im Gesellschaftsvertrag oder - soweit dieser keine besondere Regelung enthält - die im Gesetz (§§ 146, 158 HGB) bestimmten Personen an die Stelle der bisherigen vertretungsberechtigten Gesellschafter treten (h.M.: vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 8. August 1958 9 U 134/57, Betriebs-Berater - BB - 1959, 463; Fischer in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., § 124 Anm. 31; Ulmer, ebenda, § 131 Anm. 143; Schlegelberger/Geßler, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 124 Anm. 24; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl., § 241 Rdnr. B III b 2; so wohl auch: Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O., 25. Aufl., § 124 Anm. 5 E; einschränkend: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl., § 241 Anm. 2 B: ,,Der Eintritt der Abwicklung unterbricht den Prozeß nur, soweit die bisherigen gesetzlichen Vertreter keine Abwickler sind"). § 241 ZPO greift nach seinem Sinn und Zweck im Fall der Auflösung nur dann ein, wenn die Gesellschaft zunächst ohne Vertreter ist, etwa deshalb, weil nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags der Liquidator durch Gesellschafterbeschluß zu bestellen ist (Fischer und Ulmer, a.a.O.). Im Streitfall enthält der Gesellschaftsvertrag keine besonderen Bestimmungen über die Vertretung der Gesellschaft im Fall der Auflösung. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Klägerin entsprechend den Vorschriften der §§ 146, 158 HGB durch sämtliche Gesellschafter vertreten wird.
Das Urteil des FG hätte nicht erlassen werden dürfen, weil das Verfahren bereits vor der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 14. September 1979 durch die am 22. März 1979 erfolgte Löschung der GmbH im Handelsregister unterbrochen war (§§ 241 Abs. 1, 246, 249 Abs. 3 ZPO, § 155 FGO). Die Löschung der GmbH hatte zur Folge, daß die Klägerin, die nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, ihre Prozeßfähigkeit verlor (§ 58 Abs. 2 FGO). Die Klägerin wurde im finanzgerichtlichen Verfahren durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die GmbH, gesetzlich vertreten. Gesetzlicher Vertreter der GmbH war der Geschäftsführer X (§ 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Die Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit bewirkte, daß die Vertretungsmacht des bisherigen Geschäftsführers endete (BGH-Beschluß vom 23. Februar 1970 II ZB 5/69, BGHZ 53, 264). Da die GmbH aber gleichwohl fortbesteht, weil sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat (vgl. BFH-Urteile vom 2. Juli 1969 I R 190/67, BFHE 96, 335, BStBl II 1969, 656 m.w.N., und vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587; BGH-Urteil vom 29. September 1967 V ZR 40/66, BGHZ 48, 303), befindet sie sich nunmehr in Liquidation (§ 2 Abs. 3 LöschG) und bedarf zu ihrer Vertretung eines Liquidators, der nach § 2 Abs. 3 LöschG vom Gericht zu ernennen ist (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1967 I R 144-145/66, BFHE 90, 336, BStBl II 1968, 95).
Im Streitfall ist der frühere Geschäftsführer X erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils zum Liquidator bestellt worden. Das angefochtene Urteil ist deshalb gegen eine nicht prozeßfähige Beteiligte ergangen. Die Prozeßfähigkeit der Verfahrensbeteiligten ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Sachentscheidung (BGH-Urteil vom 16. Juni 1970 VI ZR 98/69, NJW 1970, 1983; BFH-Urteil vom 3. Dezember 1971 III R 44/68, BFHE 105, 230, BStBl II 1972, 541). Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen im Verfahren der Vorinstanz hat das Revisionsgericht von Amts wegen nachzuprüfen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. September 1961 2 AZR 32/60, BAGE 11, 276; BFHE 90, 336, BStBl II 1968, 95; BGH-Urteil, NJW 1970, 1683; Stein/Jonas, a.a.O., 20. Aufl., § 551 Anm. 2).
Das trotz vorheriger Verfahrensunterbrechung ergangene Urteil des FG ist nicht schlechthin nichtig, es ist jedoch auf die Revision eines Beteiligten, die auch während des Verfahrenstillstands eingelegt werden kann (BGH-Urteil vom 30. September 1968 VII ZR 93/67, BGHZ 50, 397), ohne Sachprüfung aufzuheben (BFHE 90, 336, BStBl II 1968, 95).
Der Verfahrensmangel wäre nur dann unbeachtlich, wenn die Klägerin im Revisionsverfahren durch ihre gesetzlichen Vertreter die fehlerhafte Prozeßführung in der Vorinstanz ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hätte (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO i.V.m. § 134 FGO; BGH-Urteil vom 19. Januar 1967 II ZR 37/64, Lindenmaier/Möhring (LM), Zivilprozeßordnung, § 249 Nr. 9); das ist im Streitfall nicht geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 413781 |
BFH/NV 1985, 88 |