Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der Beschluß einer Rechtsanwaltskammer, den Hinterbliebenen jedes versterbenden Kammermitglieds ein Sterbegeld zu gewähren und die dazu erforderlichen Mittel jeweils nach Eintritt des Sterbefalls von den übrigen Mitgliedern durch Umlage zu erheben, stellt sich als Vereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 VersStG dar, die als Versicherungsvertrag im Sinne des VersStG gilt.
Normenkette
VersStG § 2 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine Rechtsanwaltskammer, gewährt den Hinterbliebenen jedes versterbenden Mitglieds ein Sterbegeld als Unterstützung und überbrückungshilfe. Das Sterbegeld beträgt 5.000 DM, wenn das verstorbene Mitglied mindestens fünf Jahre bei einem deutschen Gericht als Rechtsanwalt zugelassen war; im andern Fall beträgt das Sterbegeld 1.500 DM. Im Jahre 1949 war das Sterbegeld niedriger, es betrug 1.500 DM, wenn das verstorbene Mitglied mindestens fünf Jahre bei einem deutschen Gericht als Rechtsanwalt zugelassen war, im andern Fall 500 DM. Aufgebracht werden die zur Zahlung des Sterbegelds jeweils erforderlichen Mittel durch eine Umlage. Die durch Rundschreiben anzufordernde Umlage wird am Schluß des Kalendervierteljahres fällig, in dem sich ein Todesfall ereignet hat.
Das Finanzamt sieht hinsichtlich dieser Sterbegeldeinrichtung ein Versicherungsverhältnis im Sinne des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) als gegeben an und fordert für die Kalenderjahre 1949 bis einschließlich 1953 die Versicherungsteuer in Höhe von 9.226,35 DM (= 1,961 v. H. von 470.491,59 DM Umlagebeträgen).
Einspruch und Berufung der Bfin., die das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses bestreitet, wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde ist ohne Erfolg.
Zunächst ist festzustellen, daß es sich bei der in Frage stehenden Sterbegeldeinrichtung nicht um eine gesetzlich vorgeschriebene Einrichtung, d. h. um eine unmittelbar auf Gesetz beruhende Einrichtung handelt. Die von der Bfin. angegebene Rechtsanwaltsordnung schreibt im § 61a keineswegs eine Sterbegeldeinrichtung für die der Rechtsanwaltskammer angehörenden Rechtsanwälte vor. Sie überläßt die Schaffung einer solchen Einrichtung vielmehr der Kammer selbst und beschränkt sich darauf, die Erhebung von Sonderbeiträgen zur Unterstützung notleidender Rechtsanwälte, früherer Rechtsanwälte oder deren Hinterbliebenen zuzulassen. Das gleiche gilt für das vorher im Bereich der Bfin. geltende Anwaltsrecht. Die Schaffung der Sterbegeldeinrichtung war also Sache der Bfin., d. h. der innerhalb ihres Wirkungskreises zugelassenen und in der Bfin. zusammengeschlossenen Rechtsanwälte. Die Sterbegeldeinrichtung beruht auf einem Beschluß der in der Bfin. zusammengeschlossenen Rechtsanwälte. Sie stellt sich mithin als eine Vereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 VersStG zwischen mehreren Personen dar; denn auch die bloße Feststellung einer Willensübereinstimmung in einer Satzung (Sterbegeldregelung) ist eine Willenseinigung. Daran wird nichts dadurch geändert, daß die Mitgliedschaft bei der Bfin. eine Zwangsmitgliedschaft ist.
Nach § 2 Abs. 1 Ziff. 1 VersStG gilt als Versicherungsvertrag im Sinne des VersStG auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können. Eine solche Vereinbarung liegt im Streitfall vor. Der Tod eines Mitglieds berührt die wirtschaftlichen Belange der Hinterbliebenen eines Mitglieds. Eine Versicherung kann gegen jede Beeinträchtigung wirtschaftlicher Belange genommen werden. Der Tod eines Mitglieds stellt sich also als Verlust oder Schaden im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 VersStG dar, der den Gegenstand einer Versicherung bilden kann. Die Sterbegeldregelung hat weiter den ausgesprochenen Zweck, die aus Anlaß des Todes eines Mitglieds für dessen Hinterbliebene eintretenden wirtschaftlichen Verluste oder Schäden auf die Mitglieder der Bfin. abzuwälzen. Damit erfüllt die Sterbegeldeinrichtung die Voraussetzungen der genannten Vorschrift. Sie gilt daher als Versicherungsvertrag im Sinne des VersStG; es erübrigt sich somit, im einzelnen auf die Ausführungen der Bfin. über den Begriff der Versicherung, über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Wagnisses und über die Zahlung der Umlage erst nach Eintritt des Todesfalles einzugehen, mit denen sie das Nichtvorliegen eines Versicherungsverhältnisses zu begründen sucht. Der Streitfall liegt grundsätzlich gleich dem vom Reichsfinanzhof mit Urteil II A 305/26 vom 16. November 1926 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1926 S. 362 = Mrozek-Kartei, Versicherungsteuergesetz § 2 Rechtsspruch 1) behandelten Fall. Der Senat sieht keinen Anlaß, von den in diesem Urteil gemachten Ausführungen abzuweichen, die nicht nur für den dort entschiedenen Fall von Bedeutung sind. Da im Streitfall die Bfin. noch andere Aufgaben erfüllt, ist für die Beurteilung der Sterbegeldeinrichtung ebenso ohne Belang wie der von der Bfin. geltend gemachte Umstand, daß die Bfin. behördlichen Charakter habe. Die Zahlung der Umlage bildet keinen Wohltätigkeitsakt, sie ist vielmehr eine Leistung, zu der die Mitglieder satzungsmäßig verpflichtet sind. Unzutreffend ist die Behauptung der Bfin., daß kein Mitglied die Umlage zahlt, um später für die eigenen Hinterbliebenen im Fall des Eintritts seines Todes Sterbegeld zu erhalten. Die Sterbegeldregelung geht dahin, den Hinterbliebenen jedes Mitglieds ein Sterbegeld zu gewähren, wobei hinsichtlich der Aufbringung der hierzu erforderlichen Mittel die Erhebung einer Umlage nach Ablauf jedes Kalendervierteljahres vorgesehen ist, in dem Sterbefälle eingetreten sind. Es ist daher nicht angängig, einen Zusammenhang zwischen der in der Sterbegeldregelung vorgesehenen Zahlung der Umlage und der Versorgung der eigenen Angehörigen der die Umlage zahlenden Kammermitglieder im Falle ihres Todes zu verneinen. Umlage und Unterstützung stehen auch im Streitfall im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Bei dieser Sachlage würde auch ein in der Sterbegeldregelung formell ausgesprochener Ausschluß eines Rechtsanspruchs auf das Sterbegeld dem Vorliegen einer steuerpflichtigen Versicherung nicht entgegenstehen. Ein solcher Ausschluß ist übrigens entgegen der Behauptung der Bfin. in den in den Akten befindlichen Sterbegeldregelungen, die sich auf die Jahre 1952, 1953 und 1954 beziehen, nicht enthalten. Ausnahmen davon, daß nach der Sterbegeldregelung den Hinterbliebenen jedes versterbenden Kammermitglieds das Sterbegeld gewährt wird, sind in der Sterbegeldregelung nicht vorgesehen. Wenn wirklich auf Grund der in der Sterbegeldregelung enthaltenen Bestimmung, daß in Zweifelsfällen der sogenannte Sozialausschuß über die Gewährung eines Sterbegelds entscheidet, die Gewährung des Sterbegelds an die Hinterbliebenen eines Mitglieds trotz Zahlung früherer Umlagen in dem einen oder dem anderen Fall abgelehnt worden ist, wie die Bfin. angibt, so kann dies ebensowenig an der Beurteilung etwas ändern wie der von der Bfin. weiter geltend gemachte Umstand, daß Sterbegeld auch in Fällen gewährt worden sei, die den satzungsmäßigen Tatbestand nicht erfüllten. Maßgebend für die Beurteilung kann nur die grundsätzliche Regelung sein. Danach aber steht nur Mitgliedern, und zwar jedem Mitglied für seine Hinterbliebenen das Sterbegeld im Todesfalle zu. Unerheblich für die Beurteilung ist auch, daß die Bfin. alljährlich in der Lage ist, die getroffene Sterbegeldregelung, die übrigens nach den Feststellungen des Prüfers bereits 30 Jahre besteht, aufzuheben. Der Hinweis der Bfin. auf die nicht veröffentlichte Entscheidung des Senats II 188/54 vom 31. August 1955 geht fehl, da es sich in dem dort entschiedenen Fall um die Unterstützung der in Not geratenen Personen aus einem Unterstützungsfonds gehandelt hat, bei dessen Schaffung die unterstützten Personen bereits in Not geraten waren.
Es war daher zu erkennen wie geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 408782 |
BStBl III 1957, 253 |
BFHE 1958, 54 |
BFHE 65, 54 |
StRK, VersStG:2 R 1 |
NJW 1957, 1416 |