Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bewertung von Pflanzenbeständen in Baumschulkulturen
Leitsatz (NV)
Die Bewertung von Pflanzenbeständen in Baumschulkulturen kann im Schätzungswege nach den Hektar-Richtsätzen der Finanzverwaltung erfolgen.
Normenkette
AO § 217; AO 1977 § 162; EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die beiden Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) betrieben in der Rechtsform einer zwischenzeitlich aufgelösten und beendeten Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) eine Baumschule. Ihren Gewinn ermittelten sie durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Bilanzstichtag 30. Juni.
Den Wert ihrer gesamten Pflanzenbestände an den jeweiligen Bilanzstichtagen schätzten die Kläger nach Maßgabe der Ländererlasse vom 25. Juli 1968 (BStBl I 1968, 1056) nach sog. Hektar-Richtsätzen.
Bei einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Schätzung nach Hektar-Richtsätzen sei nicht zulässig für diejenigen Pflanzen, die auf einem als ,,Garten" bezeichneten Gelände von 6 962 qm hinter dem Bürogebäude stünden. Auf diesem Gelände stelle die Firma verkaufsfertige Pflanzen aus; der ,,Garten" sei eine Einschlagfläche. Da das Bereitstellen nicht dem Wachstum diene und Einschlagflächen mit einer wesentlich größeren Anzahl von Pflanzen bestückt werden könnten, seien die Pflanzenbestände des ,,Gartens" nicht nach Hektar-Richtsätzen, sondern mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten.
Der Prüfer ermittelte die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Pflanzenbestände des ,,Gartens", indem er vom Katalogpreis der Pflanzen die darin enthaltene Umsatzsteuer, den Rabattsatz für Großabnehmer und den Unternehmergewinn abzog.
Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) Gewinnfeststellungsbescheide für 1973 bis 1976.
Den Einspruch wies das FA mit der Begründung zurück, die Bewertung der Pflanzenbestände des ,,Gartens" mit Hektar-Richtsätzen führe zu einer objektiv unzutreffenden Bewertung. Der ,,Garten" diene nicht dazu, Pflanzen zu verkaufsfertiger Größe aufzuschulen, sondern sei eine Schauanlage, in der die erzeugten Produkte den Käufern gezeigt werden sollten. Die Pflanzen im ,,Garten" stünden wesentlich enger als auf dem übrigen Gelände.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und änderte demgemäß die Gewinnfeststellungen 1973 bis 1976.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FA rügt unrichtige Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG zu berücksichtigenden Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG). Statt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten kann der niedrigere Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Der Ansatz des höheren Teilwerts ist bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ,,zulässig", wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG); auch bei diesen Betrieben besteht jedoch entgegen der Auffassung, die möglicherweise der Revisionsbegründung des FA zugrunde liegt, keine einkommensteuerrechtliche Verpflichtung des Unternehmers, den höheren Teilwert anzusetzen (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 EStG Rz. 772, m. w. N.).
2. Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß die Pflanzenbestände von Baumschulkulturen in gärtnerischen Betrieben Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind, wenn und soweit die Pflanzen dazu bestimmt sind, nach einer bestimmten in der Regel mehrjährigen Kulturzeit durch Verkauf einen einmaligen Ertrag zu erbringen (vgl. das Senatsurteil vom 3. Dezember 1970 IV R 170/67, BFHE 101, 373, 377, BStBl II 1971, 321). Nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), waren im Streitfall auch die Pflanzen, die auf dem als Garten bezeichneten Gelände von 6 962 qm hinter dem Bürogebäude eingepflanzt waren, zum Verkauf bestimmt und daher Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens - ungeachtet dessen, daß der sog. Garten auch bestimmte Funktionen der Werbung erfüllte. Hiervon geht auch die Revision des FA aus, wenn darin ausgeführt wird, die fragliche Fläche habe in erster Linie dem Verkauf und der Werbung gedient.
3. Nach gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25. Juli 1968 (BStBl I 1968, 1056) betreffend die Bewertung von Pflanzenbeständen in gärtnerischen Betrieben sind die zum Umlaufvermögen gehörigen Pflanzenbestände von Baumschulkulturen ,,im Hinblick darauf, daß die an sich erforderliche jährliche mengen- und wertmäßige Bestandsaufnahme bei mehrjährigen Kulturen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist", aus Vereinfachungsgründen (,,Vereinfachungsregelung") mit bestimmten, nach der Art der Pflanzen unterschiedlichen Hektar-Richtsätzen zu bewerten.
Diese Regelung beinhaltet eine Schätzung der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG maßgeblichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Pflanzenbestände. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 101, 373, 378, BStBl II 1971, 321 entschieden hat, bestehen keine Bedenken, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zum Umlaufvermögen gehörigen Pflanzenbeständen von Baumschulkulturen auf der Grundlage von Hektar-Richtsätzen im Rahmen des § 217 der Reichsabgabenordnung - AO - (nunmehr § 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -) zu schätzen.
4. Zu Recht geht die Vorentscheidung davon aus, daß ein Steuerpflichtiger aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf hat, nach Maßgabe einer allgemeinen Verwaltungsanweisung, die eine auf Erfahrungen der Verwaltung beruhende Schätzung z. B. von Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder Teilwerten von aktiven oder passiven Wirtschaftsgütern zum Inhalt hat, besteuert zu werden, es sei denn, daß die Anwendung der allgemeinen Schätzungsrichtlinien im Einzelfalle offensichtlich zu falschen Ergebnissen führt (z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. April 1984 IV R 112/81, BFHE 141, 45, 50, BStBl II 1984, 554; vom 30. Juli 1982 VI R 257/80, BFHE 136, 399, 401, BStBl II 1982, 779; vom 27. Oktober 1978 VI R 8/76, BFHE 126, 217, 219, BStBl II 1979, 54). Der BFH hat allerdings in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen, daß die Steuergerichte nur an Gesetz und Recht gebunden sind und deshalb allgemeine Verwaltungsanweisungen nicht in gleicher Weise wie Gesetze handhaben, insbesondere nach den dafür maßgeblichen Kriterien auslegen dürfen. Vielmehr können die Steuergerichte nur unterbinden, daß die Finanzverwaltung in Einzelfällen, ,,die offensichtlich von der Verwaltungsanweisung gedeckt werden", willkürlich, d. h. ohne zwingende Sachgründe die Anwendung der Verwaltungsanweisung ablehnt. Ist objektiv zweifelhaft, ob ein bestimmter Fall ,,unter eine der Vereinfachung der Verwaltung dienende Anweisung fällt", so ist es Sache der Verwaltungsbehörden zu entscheiden, ob die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist oder nicht (BFHE 126, 217, 219, BStBl II 1979, 54).
5. Der Senat pflichtet der Vorentscheidung darin bei, daß im Streitfall auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Pflanzenbestände des sog. Gartens nach Hektar-Richtsätzen zu schätzen sind, weil die Anwendung dieser Schätzungsgrundlage dem Wortlaut der gleichlautenden Ländererlasse aus 1968 und des später an deren Stelle getretenen Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 12. April 1978 (BStBl I 1978, 190) entspricht und nicht dargetan ist, daß ihre Anwendung im Einzelfall offensichtlich zu einem spezifisch falschen Ergebnis führt.
a) Die gleichlautenden Ländererlasse aus dem Jahr 1968 ordnen an, daß die Hektar-Richtsätze ,,für die gesamte Baumschulfläche des Betriebs" anzuwenden sind. Im BMF-Schreiben vom 12. April 1978, das freilich für die Streitjahre 1973 bis 1976 naturgemäß noch nicht unmittelbar einschlägig ist, wird der Begriff der ,,Baumschulfläche" dahin erläutert, daß aa) dazu die Nutzfläche gehört, die unmittelbar der Erzeugung von Baumschulgewächsen gedient hat, und bb) nicht dazu gehören Dauerwege und Wendeplätze, ,,Lager- und Einschlagplätze" sowie Brach- und Gründüngungsflächen.
Der Senat geht mit den Prozeßbeteiligten des Streitfalls davon aus, daß die Finanzverwaltung bereits in den gleichlautenden Ländererlassen aus 1968 den Begriff der Baumschulfläche in diesem Sinne verstanden wissen wollte und nach diesem Verständnis auch in der Praxis verfahren ist; das bedeutet insbesondere, daß die Finanzverwaltung die Hektar-Richtsätze nicht auf Pflanzenbestände angewendet hat, die sich auf ,,Lager- und Einschlagflächen" befanden.
Im Streitfall handelt es sich bei der umstrittenen Fläche des sog. Gartens aber, wie das FG für den Senat verbindlich festgestellt hat, entgegen der Sachdarstellung des Betriebsprüfers offensichtlich weitaus überwiegend nicht um einen ,,Lager- und Einschlagplatz". Vielmehr wurden die Pflanzen des sog. Gartens grundsätzlich ebenso (weiter) aufgeschult, wie in den Außenquartieren, wenn auch - offensichtlich wegen der besonderen ,,Nähe" zum alsbaldigen Verkauf und ihres bereits höheren Aufschulungsgrades - in größerer Pflanzdichte als in den Außenquartieren. Hiervon geht nunmehr auch das FA aus, wenn es in der Revisionsbegründung ausführt, es sei richtig, daß die Pflanzenbestände des sog. Gartens - anders als die Bestände von Einschlagflächen - fest eingepflanzt seien und sorgfältig gepflegt würden und demgemäß weiterhin wachsen. Nicht überzeugen kann die hieran anknüpfende sinngemäße Argumentation der Revision, gleichwohl sei der sog. Garten keine Nutzfläche, die unmittelbar der Erzeugung von Baumschulgewächsen gedient hat, weil die Herstellung der im sog. Garten eingepflanzten Gewächse mit der ,,Auspflanzung aus den Außenquartieren abgeschlossen" sei. Der Senat ist der Überzeugung, daß bei Baumschulpflanzen, die ihrer Art nach in verschiedenen Altersstufen, also in unterschiedlichen Graden der Aufschulung, verkauft werden, die Herstellung nicht schon zu dem Zeitpunkt definitiv abgeschlossen ist, zu dem die Pflanzen ein Wachstum erreicht haben, in dem sie überhaupt erstmals verkaufsfähig erscheinen. Die Pflanzen befinden sich vielmehr so lange in der ,,Erzeugung", als sie wachsen und dadurch unter Umständen weiterhin erheblich an Wert gewinnen können. Nach dem Intensitätsgrad der Nutzflächen, die unmittelbar der Erzeugung von Baumschulgewächsen dienen, wird in den gleichlautenden Ländererlassen aus 1968 und in dem BMF-Schreiben aus 1978 - offenbar bewußt wegen der erstrebten Vereinfachung - nicht differenziert.
b) Das FA hat auch nicht schlüssig dargetan, daß die gleichmäßige Anwendung der Hektar-Richtsätze auf die Pflanzenbestände des sog. Gartens und der übrigen Nutzflächen offensichtlich zu einem - spezifisch, d. h. die Pflanzenbestände des sog. Gartens betreffenden - falschen Ergebnis führt. Die Berechnungen des Betriebsprüfers zu einer Einzelbewertung der Pflanzenbestände des sog. Gartens erweisen sich insoweit als untauglich. Denn zum einen führt die vom Katalogpreis ausgehende Rückrechnung, wie das FG zu Recht hervorhebt und nunmehr offensichtlich auch das FA in seinem Antrag auf Zurückverweisung der Sache an das FG stillschweigend einräumt, nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern zum höheren Teilwert, insbesondere, weil dabei auch der Zuwachs erfaßt wird. Zum anderen beansprucht diese Art der Wertermittlung grundsätzlich in gleicher Weise Gültigkeit für die im sog. Garten und in den Außenquartieren eingepflanzten Bestände, so daß damit allenfalls in Frage gestellt wird, ob die Anwendung der Hektar-Richtsätze generell zu einigermaßen wirklichkeitsgerechten Werten führt. Darüber ist im Streitfall jedoch nicht zu befinden.
Fundstellen
Haufe-Index 413798 |
BFH/NV 1986, 664 |