Leitsatz (amtlich)
Bei steuerrechtlicher Nichtanerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten sind auch die für den mitarbeitenden Ehegatten einbehaltenen und abgeführten Sozialversicherungsbeiträge nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Lederwaren-Einzelhandelsgeschäft, in dem seine Ehefrau im Streitjahr 1975 ganztägig mitarbeitete. Außerdem hat die Ehefrau dem Kläger ihren Halbanteil am Betriebsgrundstück verpachtet.
Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) vom Kläger im Streitjahr an seine Ehefrau geleistete Lohn- und Pachtzahlungen nicht als Betriebsausgaben an, weil die Zahlungen auf ein Konto des Klägers gegangen seien. Dementsprechend erging ein Einkommensteuerbescheid für 1975.
Nach erfolglosem Einspruch begehrte der Kläger mit der Klage Berücksichtigung der Lohnzahlungen als Betriebsausgaben, hilfsweise, Anerkennung der Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgaben. Die Klage hatte mit dem Hilfsantrag Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 222 veröffentlichten Urteil dazu aus:
Der Hauptantrag -- Lohnzahlungen als Betriebsausgaben -- sei nicht begründet, weil ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Ehefrau steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei. Es fehle die tatsächliche Durchführung des Arbeitsverhältnisses, weil die Lohnzahlungen nicht auf ein Konto der Ehefrau, sondern auf ein Konto des Klägers geleistet worden seien. Die Lohnbeträge seien auf das Konto 2356 bei der B-Bank überwiesen worden. Dieses Konto sei im Streitjahr unter dem Namen des Klägers geführt worden. Eine vom Kläger bereits für 1971 behauptete Umschreibung des Kontos auf den Namen der Ehefrau sei nicht durchgeführt worden, wie sich aus Urkunden ergebe. Dies sei erst auf einen schriftlichen Umschreibungsantrag vom 21. Februar 1977 hin geschehen. Unerheblich für die steuerrechtliche Beurteilung sei es, daß die Ehefrau eine Bankvollmacht für das Konto des Klägers gehabt habe oder ob ihr künftige Guthaben im voraus abgetreten worden seien. Die Behandlung durch das FA lasse auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben erkennen. Bei vorangegangenen Betriebsprüfungen sei lediglich die Angemessenheit von Lohnzahlungen, nicht aber eine Anerkennung des Ehegattenarbeitsverhältnisses trotz Lohnzahlungen auf ein Konto des Klägers erörtert worden.
Der Hilfsantrag -- Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgaben -- sei begründet. Diese Beträge seien wegen der tatsächlichen Mitarbeit der Ehefrau im Betrieb des Klägers aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften endgültig aus dem Betriebsvermögen an den Versicherungsträger abgeflossen. Sie seien trotz Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses nach dem Steuerrecht als betrieblich veranlaßte Aufwendungen gewinnmindernd zu berücksichtigen.
Gegen das Urteil des FG legten beide Beteiligte Revision ein.
Das FA rügt mit der -- vom FG zugelassenen -- Revision unrichtige Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und macht geltend:
Wenn infolge steuerrechtlicher Nichtanerkennung eines Arbeitsverhältnisses Lohnzahlungen sowie Lohn- und Kirchensteuerzahlungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien, dann habe Entsprechendes für die Sozialversicherungsbeiträge zu gelten. Steuerrechtlich sei das Arbeitsverhältnis mit allen seinen Folgen einheitlich zu beurteilen.
Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision des FA.
Der Kläger ließ gegen das ihm am 26. Januar 1980 zugestellte Urteil des FG durch seinen Prozeßbevollmächtigten Revision einlegen. Ein Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ging am 27. März 1980 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Nach einem Hinweis, daß der Antrag nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beim BFH eingegangen sei, beantragte der Prozeßbevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trug dazu vor, der Antrag sei bereits am 21. März 1980 geschrieben, unterzeichnet und am selben Tag zur Post gebracht worden. Der lange Postlauf könne ihm nicht angelastet werden. Die Ehefrau und Büroangestellte des Prozeßbevollmächtigten bestätigte unter eidesstattlicher Versicherung den Sachverhalt. Die Revisionsbegründung ging am 23. April 1980 beim BFH ein.
Der Kläger rügt mit seiner Revision unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 4 EStG und macht geltend, das Urteil des FG überspanne die Voraussetzungen für die tatsächliche Durchführung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten und enthalte einen Verstoß gegen Denkgesetze.
Zur Anerkennung des Arbeitsverhältnisses im Streitfall müsse es genügen, daß die Ehefrau des Klägers über das Konto habe verfügen können. Außerdem seien die Löhne aus dem Betrieb abgeflossen.
Die Feststellung des FG, die Lohnzahlungen seien auf ein unter dem Namen des Klägers geführtes Konto geflossen, verstoße gegen Denkgesetze. Die schriftliche Anweisung des Klägers vom 6. Dezember 1971 an die Bank, das Konto 2886 aufzulösen und "den Saldo auf das Konto 2356 M. H. umzubuchen", könne nur so verstanden werden, der Kläger sei damals davon ausgegangen, daß das Konto 2356 bereits auf die Ehefrau umgeschrieben worden sei. Es komme nicht darauf an, daß die Bank eine Willenserklärung des Klägers falsch gewertet habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Lohnzahlungen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
I. Revision des Klägers
1. Die Revision ist zulässig.
Das Rechtsmittel wurde verspätet begründet. Indes ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
a) Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Im Streitfall lief nach Zustellung des Urteils des FG am 26. Januar 1980 die Revisionsbegründungsfrist am 26. März 1980 ab. Da die Revisionsbegründung erst am 23. April 1980 beim BFH einging, wurde die Begründungsfrist versäumt.
b) Nach § 56 FGO ist bei schuldloser Versäumung einer Rechtsmittelfrist und bei rechtzeitigem Nachholen der versäumten Rechtshandlung (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Voraussetzungen dafür sind erfüllt.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat die Revisionsbegründungsfrist nicht schuldhaft versäumt, weil er damit rechnen konnte, daß sein Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist noch vor dem Ablauf dieser Frist beim BFH eingehen würde. Er hat vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung seiner Büroangestellten glaubhaft gemacht, daß der Verlängerungsantrag am 21. März 1980 zur Post gegeben wurde. Daß der Antrag erst nach einem Postlauf von mehr als fünf Tagen zwischen Bad Dürkheim und München beim BFH einging, kann dem Prozeßbevollmächtigten nicht angelastet werden (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1974 VIII R 128/70, BFHE 114, 330, BStBl II 1975, 338).
Die Revisionsbegründung wurde rechtzeitig nachgeholt. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers wurde durch einen am 10. April 1980 zugestellten Hinweis des Senatsvorsitzenden auf die Fristversäumung aufmerksam gemacht. Vor Ablauf der nach § 56 Abs. 2 Satz 1 und 3 FGO maßgebenden Frist -- 24. April 1980 -- gingen Wiedereinsetzungsantrag und Revisionsbegründung beim BFH ein.
2. Die Revision ist jedoch unbegründet.
Zu Recht haben FA und FG die als Lohnzahlungen bezeichneten Beträge nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) berücksichtigt.
Nach der Rechtsprechung des BFH sind Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten auch steuerrechtlich anzuerkennen, wenn sie klar und eindeutig vereinbart und tatsächlich vollzogen sind. Zum tatsächlichen Vollzug eines solchen Arbeitsverhältnisses gehört, daß das vereinbarte Entgelt aus dem betrieblichen Bereich des Arbeitgeber-Ehegatten ausscheidet und in den alleinigen Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangt. Das ist nicht der Fall, wenn das Arbeitsentgelt auf ein Konto überwiesen wird, dessen alleiniger Inhaber der Arbeitgeber-Ehegatte ist und über das der Arbeitnehmer-Ehegatte lediglich Verfügungsvollmacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 1980 VIII R 154/78, BFHE 130, 149, BStBl II 1980, 350, m. w. N.).
Hiernach ist auch im Streitfall die steuerrechtliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dessen Ehefrau zu versagen, weil die als Arbeitslohn gezahlten Beträge auf ein allein auf den Namen des Klägers geführtes Bankkonto überwiesen wurden. Die Feststellung des FG, daß es sich bei dem Konto Nr. 2356 um ein Konto des Klägers handelte, für das die Ehefrau lediglich eine Bankvollmacht besaß, ist verfahrensrechtlich einwandfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zustande gekommen. Diese Feststellung ließ sich anhand der vom FG angeführten Umstände treffen. Entgegen der Meinung des Klägers kommt es auch nicht darauf an, wie der Kläger das Konto geführt wissen wollte; entscheidend ist vielmehr, wie das Konto tatsächlich von der Bank geführt wurde. Denn nur davon hängt es ab, welchem Vermögensbereich die auf dem Konto ausgewiesene Forderung oder Schuld zuzuordnen ist.
II. Revision des FA
1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Entgegen der Meinung des FG sind die im Zusammenhang mit den Zuwendungen des Klägers an seine Ehefrau stehenden Sozialversicherungsbeiträge keine Betriebsausgaben.
Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Für den Abzug genügt es nicht -- wie das FG meint --, daß in Geld oder Geldeswert bestehende Güter endgültig aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind. Dies ist auch bei Entnahmen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) der Fall; gleichwohl handelt es sich nicht um Betriebsausgaben. Daß Sozialversicherungsbeiträge, die bei der Zahlung von Arbeitslohn abzuführen sind, zu den Betriebsausgaben gehören, unterliegt keinem Zweifel. Anders liegt es indessen bei der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit Zuwendungen, die steuerrechtlich nicht als Arbeitslohn anerkannt werden. Diese im Sozialversicherungsrecht begründeten Beiträge können nicht betrieblich veranlaßt sein, weil sie durch Zuwendungen ausgelöst werden, die ihrerseits nicht betrieblich veranlaßt sind. Die Zuwendungen an den im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten werden deshalb nicht als Arbeitslohn und damit nicht als Betriebsausgaben anerkannt, weil die Mitarbeit ihre Grundlage nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern in der ehelichen Lebensgemeinschaft hat. Alle Zuwendungen -- einschließlich der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge -- werden dann für betriebsfremde Zwecke entnommen und sind Entnahmen.
Hiernach hat das FA die umstrittenen Sozialversicherungsbeiträge zu Recht nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen.
2. Die Vorentscheidung, die insoweit auf anderen Rechtsüberlegungen beruht, war aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden und weist die Klage in vollem Umfang ab.
Fundstellen
Haufe-Index 74650 |
BStBl II 1983, 496 |
BFHE 1983, 198 |