Leitsatz (amtlich)
Die Verwendung von Öl im Rahmen von Ausbesserungen an Motor, Getriebe oder Differential von Kraftfahrzeugen geht in der mit 4 v. H. zu versteuernden Reparaturarbeit (Werklieferung oder -leistung) unter; es liegt daher neben dieser keine steuerfreie Großhandelslieferung von Öl vor.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 4a
Tatbestand
Streitig ist, ob die Abgabe von Öl im Rahmen von Ausbesserungen an Motor, Getriebe oder Differential von Kraftfahrzeugen durch die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) in der mit 4 v. H. zu versteuernden Reparaturleistung (Werklieferung oder Werkleistung) untergeht, oder ob neben dieser eine steuerfreie Großhandelslieferung von Öl vorliegt. Die Steuerpflichtige entnimmt vor der Durchführung von Reparaturen an Motor, Getriebe oder Differential von Kraftfahrzeugen das im Motorblock enthaltene alte Öl, beseitigt die Schäden und führt dem Motor in der Regel neues Öl zu, bevor in einem Probelauf das Ergebnis der Ausbesserungsarbeiten überprüft wird. Dem Kunden wird neben den Lohnkosten für die Reparatur auch der Arbeitslohn für den Ölwechsel in Rechnung gestellt. Dieser Betrag ist auf der Rechnung nicht besonders kenntlich gemacht, sondern in der Angabe "Arbeitslöhne" enthalten. Der Preis für das Öl wird in der Rechnung gesondert ausgewiesen.
Die Steuerpflichtige hat bei der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Januar 1966 die Entgelte für dieses Öl in Höhe von ... DM unter den nach § 4 Nr. 4a UStG 1951 steuerfreien Umsätzen aufgeführt. Das FA hat die Umsatzsteuerfreiheit nicht anerkannt. Die gegen die Umsatzsteuerfestsetzung gerichtete Beschwerde an die OFD ... hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanz gab der gegen die Beschwerdeentscheidung erhobenen Anfechtungsklage statt mit der Begründung, dem im Rahmen eines Reparaturauftrags vorgenommenen Ölwechsel komme eine selbständige Bedeutung als Lieferung von Mineralöl zu. Ein Kraftfahrzeug sei auch dann ausgebessert, wenn es ohne Öl und Treibstoff übergeben werde. Entscheidend sei, daß die Steuerpflichtige die ordnungsmäßige Ausbesserungsleistung bereits ohne die Verwendung und Wiederauffüllung von neuem Öl erbringe. Dem Kunden stehe frei, ob er nach der Instandsetzung eigenes Spezialöl, Öl der Steuerpflichtigen oder das alte aufgefangene Öl eingefüllt haben wolle oder die Auffüllung selbst vornehme. Das Ablassen des Öls gehe dem Ausbessern voraus und gehöre zur Reparaturleistung. Das Verschaffen der Verfügungsmacht über das neue Öl sei ein neuer umsatzsteuerlicher Tatbestand, der trotz des zeitlichen Zusammenhangs nicht von der Reparatur abhänge und daher als eigene begünstigte Öllieferung angesehen werden müsse. Es sei unerheblich, daß bei einem Ölwechsel ohne Reparaturleistung die Arbeitsleistung kostenfrei ausgeführt werde, denn der bei den Ausbesserungsarbeiten mitberechnete Zeitaufwand für das Zuführen des neuen Öls sei geringfügig. Ebenso wie beim Abschmierdienst oder bei der Inspektion lägen zwei getrennte Leistungen vor. Das FG führt weiterhin aus, die Annahme einer einheitlichen Leistung sei insbesondere dann unhaltbar, wenn die Reparaturfirma nur Vermittlerin für eine Mineralölfirma sei. Dann werde offenbar, daß der Kundenauftrag in eine Ausbesserungsleistung und eine Öllieferung aufgeteilt werden müsse.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der Revision und rügt die Verletzung der Vorschrift des § 4 Nr. 4a UStG 1951. Die OFD ist dem Klageverfahren beigetreten. Das FA führt aus, Instandsetzung und Ölwechsel seien ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang. Zwischen beiden Tätigkeiten bestehe ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang. Erst die Zugabe von Öl nach der Reparatur ermögliche den erforderlichen Probelauf; danach erst sei der Auftrag des Kunden, der einen betriebsfähigen Motor erwarte, ordnungsgemäß erledigt. Der Kunde bestelle nicht ausdrücklich einen Ölwechsel, sondern gehe ebenso wie die Werkstätte von der Selbstverständlichkeit des Ölwechsels bei Motorreparaturen aus. Anders als bei dem Abschmieren oder der Inspektion sei bei den Ausbesserungsarbeiten das Ablassen und Neueinfüllen von Öl notwendig. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a UStG 1951 könne nicht gewährt werden, selbst wenn die Steuerpflichtige Öllieferungen bewirkt habe, denn das Öl habe durch die Benutzung bei dem Probelauf eine andere Marktgängigkeit im Sinne von § 12 Abs. 1 UStDB 1951 erhalten.
Die dem Verfahren beigetretene OFD ... trägt vor, es spreche für die Einheitlichkeit des Vorgangs, daß die Reparatur meist die Ursache für den Ölwechsel sei. Mit dem Einfüllen des Öls sei die Reparatur nicht beendet. Erst nach dem Probelauf würden alle Teile wieder am Fahrzeug befestigt.
Der Revisionskläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Revisionsbeklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Die Steuerpflichtige verwendet bei den Reparaturen Öl, das als Autoöl ein begünstigter Schmierstoff im Sinne der Freiliste 3 Nr. 5 a) aa) (Anlage 1 zu § 4 Nr. 4 UStG 1951) ist. Sie kann die Umsatzsteuerfreiheit jedoch nicht in Anspruch nehmen, da hinsichtlich des Öls ein selbständiger Umsatz (Öllieferung) nicht vorliegt.
Der Senat geht davon aus, daß bei sinnvoller Auslegung der Feststellungen des FG und unter Berücksichtigung des sich insoweit nicht widersprechenden Vorbringens der Beteiligten im vorliegenden Falle die Steuerpflichtige hinsichtlich des bei dem in Rede stehenden bei Reparaturen verwendeten Öls keine Vermittlerstellung zu einer Mineralölfirma hatte. Nur dann kann es verstanden werden, wenn die Steuerpflichtige für ihre Lieferungen von Öl die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 4a UStG 1951 beansprucht und das FG ihr diese zugesprochen hat. Der Senat hat daher nicht zu prüfen, wie zu entscheiden wäre, wenn zwischen der Steuerpflichtigen und einer Mineralölfirma ein Agenturverhältnis bestanden hätte. Soweit das FG diese Frage angesprochen hat, sieht der Senat daher keine Veranlassung, sich mit den Ausführungen auseinanderzusetzen, die jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht unbedenklich erscheinen.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Entscheidung des Rechtsstreits allein davon abhängig ist, ob neben der Reparaturleistung (Werkleistung oder Werklieferung) der Steuerpflichtigen jeweils noch eine Öllieferung vorliegt, oder ob die Verwendung des Öls bei der Reparaturleistung in dieser untergeht. Dabei ist, wie das FG ebenfalls zutreffend ausführt, der wirtschaftliche Gehalt des Geschäfts zu erforschen.
Reparaturleistungen an Motor, Getriebe oder Differential von Kraftfahrzeugen sind regelmäßig mit einem Ölwechsel verbunden. Gerade wegen des im Zusammenhang mit solchen Reparaturaufträgen zur Selbstverständlichkeit gewordenen Ölwechsels wird in der Regel ein besonderer Auftrag zum Ölwechsel nicht erteilt. Zum Ölwechsel gehört das Ablassen des alten und das Einfüllen des neuen Öls. Das FG geht selbst davon aus, daß ohne ein Ablassen des alten Öls die genannten Reparaturen nicht ausgeführt werden könnten. Dagegen erscheint die Auffassung des FG, daß eine Reparatur auch dann ordnungsmäßig beendet ist, wenn das Kraftfahrzeug dem Auftraggeber ohne Öl übergeben wird, formal und entspricht nicht den regelmäßigen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Eine solche Auffassung kann weder den vertraglichen Vereinbarungen noch dem wirtschaftlichen Gehalt des Leistungsaustausches entnommen werden. Ohne die Einfüllung von Öl und ohne einen erst dann möglichen Probelauf kann die Ordnungsmäßigkeit der Reparatur in aller Regel nicht festgestellt werden. Daß das Öl dabei (ebenso wie andere bei der Reparatur verwendeten Teile) in der Rechnung besonders ausgewiesen wird, steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Das Urteil der Vorinstanz war daher aufzuheben.
Die Sache ist entscheidungsreif.
Der Senat ist der Auffassung, daß bei Reparaturen an Motor, Getriebe und Differential von Kraftfahrzeugen der Ölwechsel wegen seines zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs mit der Reparatur, der tatsächlichen Abwicklung und dem Wollen der Beteiligten seinem wirtschaftlichen Gehalt nach keine besonders zu behandelnde Leistung darstellt, sondern in die Reparaturleistung eingeht. Es mag sein, daß der Auftraggeber in der Lage ist, auf die Einfüllung von neuem Öl zu verzichten und die Wiedereinfüllung des alten Öls oder von ihm selbst gestellten Spezialöls verlangen kann. Hierzu bedürfte es aber, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, einer besonderen Vereinbarung. Geschieht dies, was nur in Ausnahmefällen der Fall ist, so liegt ein Ölwechsel in dem hier in Rede stehenden Sinne und die damit verbundene umsatzsteuerrechtliche Streitfrage nicht vor.
Die vom FG für seine Auffassung angeführten Urteile des Senats betreffen Fragen der Abgrenzung zwischen Werklieferung und Werkleistung oder von Haupt- und Nebenleistung und sind daher nicht einschlägig. Auch der Sachverhalt des Urteils V 128/58 U vom 29. September 1960 (BFH 71, 752, BStBl III 1960, 528) kann mit dem vorliegenden Fall nicht verglichen werden, weil dort die Kolben getrennt bestellt und getrennt geliefert wurden.
Der Senat hat sich in diesem Zusammenhang nicht damit zu befassen, ob die umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Ölwechsels gelegentlich des Abschmierens und der Inspektion von Kraftfahrzeugen durch die Verwaltung zutreffend ist. Mit Recht weist jedoch das FA darauf hin, daß in diesen Fällen im Gegensatz zu dem vorliegenden Fall der Ölwechsel nicht notwendigerweise vorgenommen werden muß.
Fundstellen
BStBl II 1971, 787 |
BFHE 1972, 99 |