Entscheidungsstichwort (Thema)
Türkeireise einer Lehrerin, die Türkinnen unterrichtet
Leitsatz (NV)
Auch bei einer Lehrerin, die an einer berufsbildenden Schule fast ausschließlich junge Türkinnen im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres für ausländische Jugendliche unterrichtet, sind die Kosten einer Reise in die Türkei keine Werbungskosten, wenn mit der Reise programmgemäß auch ein allgemein-touristisches Interesse von nicht untergeordneter Bedeutung befriedigt wird.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Studienrätin an einer berufsbildenden Schule. Sie unterrichtet seit geraumer Zeit fast ausschließlich junge Türkinnen im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres für ausländische Jugendliche. Die Schülerinnen treten überwiegend in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) in die Schule erst ein, nachdem sie bereits in der Türkei eine Schule besucht hatten.
Streitig ist in dem vorliegenden Rechtsstreit, ob die Klägerin Aufwendungen für eine Reise in die Türkei in der Zeit vom 30. März bis zum 13. April . . . als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit absetzen kann. Diese Reise war vom Kultusministerium in Zusammenarbeit mit einer Akademie für politische Bildung im Rahmen eines Weiterbildungslehrgangs für Lehrer organisiert worden. Die Reise diente dem Kennenlernen des türkischen Erziehungs- und Bildungswesens. Dementsprechend waren vorwiegend die Vormittage zum Besuch von türkischen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen sowie dem Gespräch mit Lehrern und Vertretern von Schulbehörden bestimmt. Während der übrigen Zeit wurde die Reise fortgesetzt und es wurden touristische Sehenswürdigkeiten des Gastlandes besichtigt, u. a. die Blaue Moschee, die Hagia Sophia und der Topkapi- Palast in Istanbul. Für die Fahrt hatte die Klägerin von dem staatlichen Institut für Lehrerfortbildung einen Zuschuß von 100 DM erhalten. Um die von der Klägerin selbst aufgewandten Kosten von . . . DM geht es in diesem Rechtsstreit.
Auf die Klage der Klägerin hin hat das Finanzgericht (FG) im Gegensatz zu dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) diesen Betrag als Werbungskosten anerkannt. Es hat sich dabei auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. November 1978 GrS 8/77 (BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) bezogen und den vorliegenden Sachverhalt von dem Urteil des erkennenden Senats vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78 (BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69) abgegrenzt, das den Fall eines Geographie-Professors behandelte, der an einer allgemeinen Erlebnisreise teilgenommen hatte. In ihrer zu vorliegendem Fall ergangenen Entscheidung hebt die Vorinstanz darauf ab, daß ein erheblicher Erlebniswert der hier zu beurteilenden Reise nicht abzusprechen sei, dieser Umstand allein jedoch den ganz überwiegend beruflichen Charakter nicht in Frage stellen könne. Denn für einen Lehrer, der in Deutschland türkische Schüler unterrichte, stehe die Möglichkeit, aufgrund eigenen Erlebens den Unterricht noch besser zu gestalten, auch dann im Vordergrund, wenn die zu diesem Zweck unternommene Reise zugleich einen Erlebniswert habe, der auch bei Auslandsreisen anderer Personen zu beobachten sei. Zudem zeige sich die berufliche Veranlassung darin, daß die Klägerin von ihrem Dienstherrn einen bei den geltend gemachten Kosten berücksichtigten Zuschuß erhalten habe.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es begründet diese wie folgt: Um sich ein Bild vom Schulsystem eines Landes zu machen, sei es nicht erforderlich, verschiedene Schulen - zerstreut über weite Teile des Landes - zu besuchen. Hierzu gebe es auch Gelegenheiten, die nicht eine ausgedehnte Landesrundfahrt erforderten. Ohne nähere Prüfung habe das FG die mit dem Besuch von allgemein interessanten Sehenswürdigkeiten angefüllte Rundreise der beruflichen Sphäre der Klägerin zugerechnet. Dies sei mit den vorgenannten Entscheidungen des BFH nicht zu vereinbaren.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind nach der Rechtsprechung des Senats alle durch den Beruf veranlaßten Aufwendungen des Arbeitnehmers. Zu den beruflich veranlaßten Werbungskosten gehören auch die sog. Berufsfortbildungskosten. Sie dienen dazu, in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216). Berufsfortbildungskosten können u. a. Aufwendungen wegen Teilnahme an einer beruflich bedingten Fortbildungsveranstaltung, auch einer Auslandsreise, sein. Da solche Reisen, wie das FG nicht verkannt hat, zum großen Teil auch einen privaten Erlebniswert besitzen, ist in derartigen Fällen eine Abgrenzung zu den nicht abziehbaren Ausgaben für die allgemeine Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG von besonderer Bedeutung.
Diese Abgrenzung hat das FG hier nicht in zutreffender Weise gefunden, denn die vorgenommene Wertung entspricht nicht den Grundsätzen des Großen Senats des BFH in dem Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213. Danach obliegen zwar die tatsächlichen Feststellungen der einzelnen Merkmale und ihre Gewichtung (Würdigung) im Einzelfall dem FG. Es ist jedoch Pflicht des BFH als Rechtsinstanz, zum Zwecke einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung und Beurteilung einer solchen Reise Kriterien zu bilden und deren Anwendung im Rechtsmittelwege zu überwachen, die für eine private oder betriebliche (berufliche) Veranlassung einer Reise sprechen.
Das FG hebt hervor, daß für einen Lehrer, der in der Bundesrepublik türkische Schüler unterrichte, eine Reise in die Türkei auch dann beruflich veranlaßt sei, wenn dabei zugleich touristische Sehenswürdigkeiten - wie hier - aufgesucht würden. Gerade das ist aber nach den Kriterien, die der Große Senat des BFH aufgestellt hat, zumindest dann nicht richtig, sobald der Reise zugleich ein erheblicher Erlebniswert zukommt oder mit anderen Worten, wenn durch die Reise programmgemäß auch ein allgemein-touristisches Interesse befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn die Reiseroute hat nach dem vorliegenden Reiseprogramm nicht nur viele Orte in der Türkei berührt, sondern sie führte auch an den Küsten des Bosporus und des Mittelmeeres entlang bis weit in das Landesinnere nach Ankara und Kappadokien. Dabei wurden jeweils auch die örtlichen Sehenswürdigkeiten besichtigt. In dem vorgelegten Protokoll über die Reise heißt es hierzu ausdrücklich: ,,Daneben konnten zahlreiche Eindrücke von der türkischen Kultur, dem Land Türkei sowie dessen Bevölkerung gesammelt werden."
Damit ist der überwiegend private Charakter der Reise eindeutig festgelegt mit der Rechtsfolge, daß die Aufwendungen der Klägerin hierfür den nach § 12 Nr. 1 EStG einkommensteuerrechtlich nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung zuzuordnen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 415877 |
BFH/NV 1989, 93 |