Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflichtige Umsätze aus der Tätigkeit als Tierarzt
Leitsatz (NV)
- Umsätze aus der Tätigkeit als Tierarzt i.S. des § 4 Nr. 14 Satz 4 Buchst. a UStG 1980 liegen vor, wenn der Unternehmer Tierarzt ist und die Umsätze für seinen Beruf typisch sind.
- Ein Fachtierarzt für Laboratoriumsdiagnostik, der aufgrund einer besonderen Zulassung funktional die Tätigkeit eines (humanmedizinischen) Facharztes für Laboratoriumsdiagnostik ausübt, erbringt insoweit keine für einen Tierarzt berufstypischen Leistungen.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 14 S. 4 Buchst. a
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Fachtierärztin für Laboratoriumsdiagnostik. Sie betrieb in den Streitjahren ein diagnostisches Labor und führte dort bakteriologische, serologische, immunologische, mykologische und histologische Untersuchungen bzw. Arbeiten durch. U.a. untersuchte sie im Auftrag verschiedener Frischzellentherapeuten Kontrollproben von sog. Frischzellensuspensionen (Zellaufschwemmungen), mit denen bereits Patienten behandelt worden waren, nach Maßgabe von Richtlinien des Bundesgesundheitsamts auf Sterilität. Stellte die Klägerin dabei eine Verunreinigung fest, nahm sie eine Keimdifferenzierung sowie eine Empfindlichkeitstestung (Resistenzbestimmung) vor und empfahl dem behandelnden Arzt das zu verabreichende Medikament. Für die Medikamentenempfehlung berechnete sie keine Gebühr.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre behandelte die Klägerin ihre Umsätze aus den beschriebenen Laboruntersuchungen - im Gegensatz zu weiteren Umsätzen - als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hingegen unterwarf die Umsätze - für die Jahre 1980 und 1981 mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1980 - im Anschluß an eine Betriebsprüfung in den angefochtenen Bescheiden der Umsatzsteuer. Der Einspruch der Klägerin blieb im Streitpunkt erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Die Klägerin habe die streitigen Umsätze nicht aus einer heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980, sondern aus einer - gemäß Satz 4 Buchst. a der Vorschrift ausdrücklich nicht steuerfreien - Tätigkeit als Tierärztin erzielt. Das ergebe sich aus dem Untersuchungsgegenstand und dem unmittelbar angestrebten Untersuchungsziel. Mit dem Gesundheitszustand von Menschen hätten die Untersuchungen nur in einem mittelbaren Zusammenhang gestanden. Da die Tätigkeit tierärztlicher Natur gewesen sei, scheitere auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 Nr. 14 UStG 1980 und der §§ 76, 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie trägt im wesentlichen folgendes vor: Das FG habe den Begriff der heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 zu eng ausgelegt. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand von Menschen sei dafür nicht erforderlich. Ziel ihrer Untersuchungen und ggf. gegebenen Medikamentenempfehlungen sei es gewesen, die mit den Frischzellen behandelten Patienten vor Körperschäden zu bewahren und zur Erhaltung und Besserung ihres Gesundheitszustandes beizutragen. Damit habe ihre Tätigkeit den Begriff der Heilkunde erfüllt, wie er im Heilpraktikergesetz definiert sei.
Selbst wenn man mit dem FG tierärztliche und humanmedizinische Tätigkeiten danach abgrenze, ob es unmittelbar um den Gesundheitszustand eines Tieres oder eines Menschen gehe, sei ihre Tätigkeit der Humanmedizin zuzuordnen. Zu diesem Ergebnis sei das FG nur deshalb nicht gelangt, weil es verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt habe, daß sie für humanmedizinische Untersuchungen sowie als Heilpraktikerin zugelassen und wesentlicher Inhalt ihrer Tätigkeit die Feststellung gewesen sei, ob die angewendeten Frischzellensuspensionen verträglich im humanmedizinischen Sinne seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Die Feststellungen der Vorinstanz ermöglichen dem Senat nicht die Beurteilung, ob die streitigen Umsätze nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 steuerfrei waren, oder ob es sich um von dieser Vorschrift ausgenommene Umsätze aus der Tätigkeit als Tierarzt i.S. des § 4 Nr. 14 Satz 4 Buchst. a UStG 1980 handelte.
1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 sind die Umsätze u.a. aus der Tätigkeit als Arzt, Heilpraktiker oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Dies gilt gemäß § 4 Nr. 14 Satz 4 Buchst. a UStG 1980 nicht für die Umsätze aus der Tätigkeit als Tierarzt. Der Ausschluß der Steuerbefreiung für tierärztliche Leistungen verstößt nicht gegen Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Harmonisierung der Umsatzsteuern in den Europäischen Gemeinschaften (6. EG-Richtlinie) 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 1977 L 145, S. 1) über die Steuerbefreiung für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin. Leistungen der Tierärzte werden von dieser Bestimmung nicht erfaßt (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 24. Mai 1988 Rs. 122/87, EuGHE 1988, 2685, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1989, 315).
2. Umsätze aus der Tätigkeit als Tierarzt i.S. des § 4 Nr. 14 Satz 4 Buchst. a UStG 1980 liegen vor, wenn der Unternehmer Tierarzt ist und die Umsätze für seinen Beruf berufstypisch sind (vgl. entsprechend zur Tätigkeit als Arzt: Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Mai 1977 V R 95/76, BFHE 123, 199, BStBl II 1977, 879; und BFH-Beschluß vom 14. April 1983 V B 62/82, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1967, § 4 Nr. 14, Rechtsspruch 13).
a) Als Fachtierärztin für Laboratoriumsdiagnostik war die Klägerin Tierärztin im Sinne der bezeichneten Vorschrift.
b) Ob die streitigen Umsätze für einen Tierarzt berufstypisch (vgl. zum Berufsbild des Tierarztes: BFH-Urteile vom 27. Juli 1978 V R 66/76, BFHE 126, 239, BStBl II 1978, 686, und vom 3. Juli 1986 IV R 66/84, BFH/NV 1987, 89) waren, kann der Senat aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht beurteilen.
Das FG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, die Klägerin habe bei den streitigen Leistungen untersucht, ob bei dem Tier Sterilität vorgelegen habe; ihre Tätigkeit habe der Feststellung krankhafter Zustände beim Tier gedient. Diese - dem Klagevorbringen widersprechenden - Ausführungen sind nicht belegt. Sie sind - jedenfalls ohne weitere Feststellungen - nicht vereinbar mit den vom FG in Bezug genommenen Richtlinien des Bundesgesundheitsamts für die Gewinnung keimfreier zellulartherapeutischer Präparate und für die Gesundheitskontrolle der Spendertiere vom 20. Dezember 1978 (Bundesanzeiger Nr. 34, 5 - Richtlinien -). Danach untersucht der Tierarzt die Spendertiere (Richtlinien IIa); andererseits muß auch eine mögliche Kontamination der frischen Zellen bzw. Flüssigkeiten mit von Mensch zu Mensch übertragbaren menschenpathogenen Erregern (sekundäre Kontamination) berücksichtigt werden (Richtlinien IIb). Im Streitfall geht es insbesondere um die ergänzenden Laboratoriumsuntersuchungen zur Sicherstellung der Unschädlichkeit. Aus den nicht nowendig von einem Tierarzt durchzuführenden Untersuchungen soll sich ergeben, ob bei dem Untersuchungsgegenstand Bakterien, Pilze, Mykoplasmen, Parasiten oder Viren nachgewiesen werden konnten (Richtlinien IVf). Es ercheint möglich, daß die Klägerin mit diesen Untersuchungen - entsprechend dem Klage- und Revisionsvorbringen - funktional die Tätigkeit eines (humanmedizinischen) Facharztes für Laboratoriumsdiagnostik und damit der Sache nach eine diesem ähnliche heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 ausübte. Demgegenüber würde nicht ins Gewicht fallen, daß die Klägerin bei ihren Untersuchungen im Rahmen des tierärztlichen Aufgabenbereichs blieb, der auch den Schutz des Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Erzeugnisse tierischer Herkunft umfaßt (vgl. § 1 der Bundes-Tierärzteordnung vom 20. November 1981, BGBl I, 1193). Unerheblich wäre auch, ob sie auf Gebieten tätig wurde, die Gegenstand der tierärztlichen Ausbildung und Prüfung sind (vgl. §§ 17ff. der Approbationsordnung für Tierärzte vom 22. April 1986, BGBl I, 600). Denn eine Tätigkeit ist nicht bereits dann für einen Tierarzt berufstypisch, wenn sie mit dem Beruf lediglich vereinbar ist (vgl. entsprechend zur berufstypischen Tätigkeit eines Rechtsanwalts: Senatsurteil vom 28. Februar 1991 V R 63/86, BFH/NV 1991, 632 unter 1. b).
3. Das FG hat die erforderlichen Feststellungen zu der von der Klägerin konkret ausgeübten Tätigkeit nachzuholen. Dabei wird es insbesondere ihrem Vorbringen nachgehen müssen, als Tierärztin sei sie zu den streitigen Untersuchungen nur deshalb befugt, weil ihr dafür eine besondere Zulassung erteilt worden sei. Eine nur aufgrund Individualzulassung erlaubte Tätigkeit wäre für einen Tierarzt nicht berufstypisch. Das FG wird ferner Feststellungen dazu treffen, ob die von der Klägerin behauptete, aber nicht nachgewiesene Zulassung als Heilpraktikerin Bedeutung für die streitige Tätigkeit hat, jedenfalls, soweit es um Medikamentenempfehlungen geht. Schließlich ist auch bedeutsam, nach welcher Gebührenordnung die Leistungen der Klägerin (zulässigerweise) abrechenbar waren (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1991, 632, unter 1. c).
Fundstellen