Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Fünfjahresfrist nach dem GrEStEigWoG; Übernahme einer Instandhaltungsrückstellung nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG keine Gegenleistung
Leitsatz (NV)
1. Die Fünfjahresfrist nach § 1 Abs. 1 GrEStEigWoG beginnt nicht erst mit dem Übergang von Eigentum und Besitz an der Eigentumswohnung, sondern ,,mit dem Erwerb", d. h. mit dem Tag des rechtswirksamen Abschlusses des obligatorischen Geschäfts (Kaufvertrag). Das ist der Zeitpunkt, in dem die (volle) Steuerpflicht einträte, falls der Erwerb nicht nach dem GrEStEigWoG begünstigt wäre.
2. Beim Erwerb einer Eigentumswohnung ist der gleichzeitige Erwerb eines in der Instandsetzungsrückstellung nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG angesammelten Guthabens durch den Erwerber nicht in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung einzubeziehen.
Normenkette
GG Art. 3; GrEStG Baden-Württemberg § 2 Abs. 1 S. 1; GrEStG Baden-Württemberg § 26 Abs. 1; GrEStG Baden-Württemberg § 27 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG 1983 § 2 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 3 Abs. 1-2; WEG § 16 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Nr. 4; BGB § 96
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 10. November 1982 eine in A gelegene Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von . . . DM. Mitverkauft und mit einem Betrag von 18 000 DM im Kaufpreis enthalten sein sollten die Einbauküche, sämtliche Gardinenstangen sowie die Überdachung mit Windfang auf der Terrasse. Der Kaufvertrag (§ 3) enthält ferner u. a. folgende Regelung:
,,Ab Übergabe tritt der Käufer in alle Rechte und Pflichten aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ein, wie sie sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz, der Teilungserklärung und den bisher gefaßten Beschlüssen der Hausgemeinschaft ergeben. Er verpflichtet sich, in den bestehenden Verwaltervertrag einzutreten und dem Verwalter auf dessen Verlangen Verwaltervollmacht in öffentlich beglaubigter Form zu erteilen.
Die an den Verwalter zu entrichtende Pauschale für Betriebs- und Verwaltungskosten, Versicherungen, Instandhaltungsrückstellung usw. übernimmt der Käufer vom 1. 3. 1983 an.
Der Anteil des Verkäufers an der bisher angesammelten Instandhaltungsrückstellung geht ab Übergabe ersatzlos auf den Käufer über."
Später legte der Kläger eine vom Verkäufer der Eigentumswohnung unterschriebene Aufstellung hinsichtlich der genauen Zusammensetzung des Betrages von 18 0000 DM mit folgendem Inhalt vor:
,,Instandsetzungsrücklagen 3 000 DM
komplette Kücheneinrichtung mit Elektrogeräten ca. 11/2 Jahre alt 9 500 DM
montierbare Terrassenüberdachung 2 500 DM
Gardinen einschließlich Vorrichtungen 1 200 DM
Terrassenbepflanzung einschließlich Kübel 800 DM
Kellerregale 650 DM
Zimmer-Tonschalen mit Bepflanzung 350 DM."
Antragsgemäß gewährte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die materiell vorläufige Befreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) und setzte lediglich nach der die Freigrenze gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG übersteigenden Gegenleistung die Grunderwerbsteuer fest. Dabei behandelte das FA die Terrassenüberdachung sowie Herd und Spüle (mit einem Betrag von 950 DM) als Bestandteile der Eigentumswohnung sowie die Instandhaltungsrückstellung als einen den Wert des Grundstücks und damit den Wert der Gegenleistung erhöhenden Faktor.
Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, die Wohnung seit dem 15. Februar 1987 zu bewohnen, setzte das FA durch Änderungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von . . . DM sowie Zinsen gemäß § 3 Abs. 2 GrEStEigWoG gegen den Kläger fest, da die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach dem GrEStEigWoG (mindestens einjähriges Bewohnen innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb) vom Kläger nicht mehr zu erfüllen seien.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, die Fünfjahresfrist habe erst mit dem Übergang des Eigentums an der Wohnung auf ihn am 1. März 1983 begonnen, blieben im wesentlichen ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) änderte die Grunderwerbsteuer- und Zinsfestsetzung lediglich bezüglich der Einbeziehung der Instandhaltungsrückstellung in die Besteuerungsgrundlage. Hierzu führt das FG aus, die Instandhaltungsrückstellung sei keine Sache, sondern ein selbständiges Forderungsrecht und könne deshalb weder Zubehör i. S. des § 97 des Bügerlichen Gesetzbuches (BGB) noch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sein. Selbst wenn man der Auffassung sei, die Instandhaltungsrückstellung sei untrennbar mit dem Wohnungseigentum verknüpft, müsse diese Meinung nicht zwangsläufig zum gegenteiligen Ergebnis führen.
Mit seiner Revision beantragt der Kläger sinngemäß, den Grunderwerbsteuer- und Zinsbescheid vom 15. Januar 1988, die Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 1988 sowie das FG-Urteil vom 30. November 1988 aufzuheben. Er rügt sinngemäß fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 GrEStEigWoG und vertritt die Auffassung, die Fünfjahresfrist dürfe erst mit der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit der Eigennutzung beginnen.
Das FA wendet sich gegen die Rechtsauffassung des FG, Instandhaltungsrückstellungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) seien nicht Bestandteil der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung und damit nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
a) Obwohl das FG die Revision nur wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die entgeltliche Übernahme eines Guthabens aus einer Instandhaltungsrückstellung in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung für das Grundstück (Eigentumswohnung) einzubeziehen ist, zugelassen hat, ist - entgegen der Auffassung des FA - die auf andere Gründe gestützte Revision des Klägers zulässig. Denn die Zulassung der Revision gibt das Rechtsmittel in vollem Umfang frei, ohne Rücksicht darauf, ob der Revisionskläger durch den Zulassungsgrund beschwert ist oder er sich in dem anschließenden Revisionsverfahren auf den Zulassungsgrund beruft (Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 115 FGO Rn. 71). Die Zulassung der Revision durch das FG wirkt auch für den Kläger; denn eine Beschränkung der Zulassung auf einzelne Streitpunkte oder einzelne Beteiligte widerspricht dem finanzgerichtlichen Streitgegenstandsbegriff (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Juli 1987 X R 48/82, BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752).
b) Die Revision des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das angefochtene FG-Urteil läßt im Umfang der vom Kläger eingelegten Revision einen Rechtsfehler nicht erkennen; insbesondere hat das FG zutreffend die Erfüllung der Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG verneint. Diese hing u. a. davon ab, daß der Kläger, sein Ehegatte oder einer seiner Verwandten in gerader Linie die Eigentumswohnung binnen fünf Jahren nach dem Erwerb mindestens ein Jahr ununterbrochen bewohnten. Die Fünfjahresfrist begann ,,mit dem Erwerb" (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative GrEStEigWoG), d. h. mit dem Tag des rechtswirksamen Abschlusses des obligatorischen Geschäftes (Kaufvertrag), durch welches der Kläger einen Anspruch auf Übereignung der Eigentumswohnung erworben hat. Das war der 10. November 1982 (§ 108 Abs. 1 AO 1977, § 187 Abs. 1 BGB). Sie endete mit dem Ablauf des 9. November 1987 (§ 108 Abs. 1 AO 1977, § 188 Abs. 2 BGB). Während dieses Zeitraums haben weder Ehegatte noch Verwandte des Klägers in gerader Linie die Wohnung bewohnt. Der Kläger selbst hat nach eigenen Angaben die Wohnung erst ab dem 15. Februar 1987 bewohnt und deshalb die Voraussetzungen des mindestens einjährigen Bewohnens innerhalb der am 9. November 1987 abgelaufenen Fünfjahresfrist nicht erfüllt. Infolgedessen entfiel die vorläufig gewährte Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GrEStEigWoG) und Zinsen waren festzusetzen (§ 3 Abs. 2 GrEStEigWoG).
Entgegen der Auffassung des Klägers begann die Fünfjahresfrist nicht erst mit dem Übergang von Eigentum und Besitz an der Eigentumswohnung, am 1. März 1983, sondern mit dem ,,Erwerb" im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne. Das ist der Zeitpunkt, in dem die (volle) Steuerpflicht einträte, falls der Erwerb nicht nach dem GrEStEigWoG begünstigt wäre (vgl. Boruttau / Egly / Sigloch, Grunderwerbsteuerkommentar, 11. Aufl., Anhang Rn. 1745). Denn Steuervergünstigungsvorschriften können erst dann eingreifen und einen Erwerb von der Besteuerung ausnehmen, wenn ein Tatbestand vorhanden ist, der Steuer ausgelöst hat. Gemäß § 38 AO 1977 entstehen ,,die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis", sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Entscheidend ist demnach, wann die einzelnen Tatbestandsmerkmale, die zu einem der Grunderwerbsteuer nach § 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unterliegenden Erwerbsvorgang führen, erfüllt sind. Abgesehen von den Sonderfällen des Art. 97 § 4 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 - (entspricht § 14 GrEStG 1983), die hier nicht vorliegen, entsteht die Steuer bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG mit dem Vertragsabschluß, d. h. mit der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages. Auf das Erfüllungsgeschäft, d. h. die Einigung über den Eigentumsübergang bzw. den Eintritt der Eigentumsänderung, kommt es nicht an.
Nicht zu folgen ist auch der Auffassung des Klägers, § 1 Abs. 1 Satz 2 GrEStEigWoG sei dahingehend auszulegen, daß der Beginn der Fünfjahresfrist bis zum Übergang des Eigentums an der Eigentumswohnung und bis zum Wegfall aller rechtlichen und tatsächlichen Hinderungsgründe für die Eigennutzung hinausgeschoben werde. Denn durch diese Vorschrift wurde der Fristbeginn nicht schlechthin hinausgeschoben, wenn die Eigentumswohnung zum Zwecke der Eigennutzung nicht bezogen werden konnte, sondern nur dann, wenn das Gebäude deshalb nicht bezogen werden konnte, weil es im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht erstmals fertiggestellt war (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Mai 1987 II B 21/87, BFH/NV 1987, 805, und BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 II R 74/88, BFH/NV 1991, 483).
Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -) folgt keine andere Beurteilung. Es ist nicht willkürlich, den Erwerb eines noch nicht fertiggestellten Neubaus und somit eines bisher noch nicht bewohnbaren Gebäudes anders zu beurteilen als den Erwerb von Gebäuden, die bereits fertiggestellt waren, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie nicht bezogen werden können. Im letztgenannten Fall hat es der Erwerber regelmäßig in der Hand, die Voraussetzungen für die Eigennutzung so rechtzeitig zu schaffen, daß er die Eigentumswohnung innerhalb der Fünfjahresfrist ein Jahr lang bewohnen kann. Wird hingegen eine neuerrichtete Eigentumswohnung erworben, so hängt die Möglichkeit des Erwerbers, die Eigentumswohnung innerhalb der Fünfjahresfrist ein Jahr lang zu bewohnen, jedenfalls davon ab, ob der Veräußerer seine Verpflichtung, das Gebäude fertigzustellen, zeitgerecht erfüllt oder aber die Fertigstellung verzögert (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 483).
Darüber hinaus ist der Hinweis des Klägers, er habe mit dem Steuerbefreiungsantrag vom gleichen Tage dem FA mitgeteilt, die erworbene Eigentumswohnung sei ab 1. März 1983 bezugsfertig, unerheblich. Denn aus dem Umstand, daß das FA dieser - objektiv unrichtigen - einseitigen Erklärung des Klägers nicht widersprach, durfte der Kläger nicht kurzerhand den Schluß ziehen, die Fünfjahresfrist beginne mit dem 1. März 1983. Hätte der Kläger sicher sein wollen, hätte er sich durch Rückfrage beim FA über die Rechtslage unterrichten müssen. Denn es war und blieb seine Sache, sich rechtzeitig über die gesetzlichen Voraussetzungen der von ihm in Anspruch genommenen Steuerbefreiung zu informieren und sie zu verwirklichen. Auf eine solche Rückfrage hin wäre das FA auf Grund seiner Fürsorgepflicht (§ 89 AO 1977) gehalten gewesen, klarzustellen, daß die Fünfjahresfrist im Streitfall ,,mit dem Erwerb", d. h. mit dem 10. November 1982, beginne (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 27. Mai 1987 II B 21/87, BFH/NV 1987, 805, 807).
2. Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
a) Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß beim Erwerb einer Eigentumswohnung das Entgelt für den Erwerb eines in der Instandhaltungsrückstellung nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG angesammelten Guthabens durch den Erwerber nicht in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983; Gegenleistung) einzubeziehen ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 gelten bei einem Kauf der Kaufpreis für das Grundstück einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen als Gegenleistung.
Der auf die Übernahme des in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Guthabens entfallende Teil des Kaufpreises stellt keine Gegenleistung i. S. v. §§ 8, 9 GrEStG 1983 dar. Denn dieser wurde im Streitfall vom Kläger nicht als ,,Entgelt für den Grundstückserwerb" (vgl. hierzu Boruttau / Egly / Sigloch, a. a. O., § 9 Rn. 291, m . w. N.) erbracht, er stellt vielmehr Aufwand für den Erwerb einer geldwerten Vermögensposition dar, die nicht unter den Grundstücksbegriff des GrEStG fällt.
Für die Frage, ob Leistungen Entgelt für den Grundstückserwerb darstellen, ist vom grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen. Dieser knüpft an den Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts an (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG 1983). In bestimmter Hinsicht sind aber der Besteuerung engere Grenzen gezogen. Das folgt aus dem Sinn der Nr. 2 des § 2 Abs. 1 GrEStG 1983, wonach nur der Rechtsverkehr mit Grundstücken der Steuer unterliegen soll und der Erwerb von Geldforderungen oder anderen vergleichbaren Vermögenspositionen selbst dann grunderwerbsteuerrechtlich unerheblich ist, wenn solche Rechte gemäß § 96 BGB als Bestandteile des Grundstücks bürgerlich-rechtlich dessen Schicksal teilen (vgl. die Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 393; BFH-Urteile vom 23. Oktober 1985 II R 111/83, BFHE 145, 238, BStBl II 1986, 189 - zum Erwerb des Anspruchs auf Brandentschädigung -, und vom 30. Januar 1991 II R 89/87, BFHE 163, 251, BStBl II 1991, 271 - zum Erwerb des mit einem Erbbaugrundstück verbundenen Erbbauzinsanspruches). Werden zusammen mit einem Grundstück mit diesem verbundene Rechte, die gemäß § 96 BGB als Bestandteile des Grundstücks gelten, erworben, ist deshalb der hierauf entfallende Aufwand des Grundstückserwerbers nicht zwingend und in jedem Fall als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung anzusehen. Umgekehrt ergibt sich daraus aber noch nicht, daß der Aufwand für solche Rechte generell nicht zur Gegenleistung zu rechnen ist. Entscheidend und in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob solche mit dem Eigentum verbundene und deshalb gemäß § 96 BGB als Grundstücksbestandteile geltende Rechte geldwerte Vermögenspositionen vermitteln, die nicht unter den Grundstücksbegriff des GrEStG fallen.
Das Guthaben aus der Instandhaltungsrückstellung nach dem WEG stellt eine mit einer Geldforderung vergleichbare Vermögensposition dar. Denn Sinn der Instandhaltungsrückstellung ist es, für künftig erforderlich werdende Reparaturen vorzusorgen und die Liquidität der Eigentümergemeinschaft für den Fall höherer Instandhaltungsaufwendungen zu gewährleisten. Es handelt sich wirtschaftlich um Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer auf zukünftige Instandhaltungsaufwendungen. Diese können deshalb verlangen, daß Aufwendungen für Instandsetzungen am Gemeinschaftseigentum, an denen sie sich entsprechend der Größe ihres Wohnungeigentums zu beteiligen hätten (vgl. § 16 Abs. 2 WEG), zunächst aus der Rücklage bezahlt werden. Die insoweit bestehenden Ansprüche der Wohnungseigentümer sind zwar zweckgebunden und für die einzelnen Wohnungseigentümer - nach überwiegender Rechtsauffassung in der Literatur - nicht frei verfügbar. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß die in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel den einzelnen Wohnungseigentümern ihrem Anteil an der Instandhaltungsrückstellung entsprechend im Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht nach § 16 Abs. 2 WEG unmittelbar zugute kommen. Dies gilt bei Verkauf einer Eigentumswohnung sowohl für den hier vorliegenden Fall des entgeltlichen Erwerbs der entsprechenden Anteile aus einer bereits bestehenden als auch für den Fall der Übernahme der Verpflichtung zur Bildung einer noch nicht bestehenden Instandhaltungsrückstellung. Denn in beiden Fällen kann der Erwerber einer Eigentumswohnung für den Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht wegen Instandhaltungsmaßnahmen nach § 16 Abs. 2 WEG zu seiner Entlastung die Verwendung der in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Mittel verlangen (vgl. Palandt / Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 50. Aufl., § 21 WEG Rz. 8). Unter diesem Gesichtspunkt stellt der Aufwand des Erwerbers einer Eigentumswohnung für die Übernahme oder Bildung einer Instandhaltungsrückstellung nicht Entgelt für den Erwerb der Eigentumswohnung selbst, sondern Entgelt zur Erlangung eines - möglicherweise erst zukünftig entstehenden - geldwerten Anspruchs auf Bezahlung von Instandhaltungsaufwendungen aus der Instandhaltungsrückstellung dar. Der Erwerb eines solchen Anspruchs ist nicht grunderwerbsteuerpflichtig, und zwar unabhängig von der zivilrechtlichen Vorfrage, ob es sich bei den Guthaben aus der Instandhaltungsrückstellung nach dem WEG um selbständige, vom Wohnungseigentum loslösbare Forderungsrechte (so: Weitnauer, WEG-Kommentar, 7. Aufl. 1988, Vorbem. § 1 Rn. 30 e, § 1 Rn. 4 o, p; Palandt / Bassenge, a. a. O., § 1 WEG Anm. 4; Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts - BayObLG - vom 25. Juli 1984 BayObLG 84, 198), oder um untrennbare Bestandteile der jeweiligen Wohnungseigentumsrechte handelt und diese deshalb an die Unauflösbarkeit der Gemeinschaft (vgl. § 11 WEG) gebundene Vermögensbestandteile darstellen, die nicht als eigene Guthaben der Wohnungseigentümer anzusehen sind (so: Bärmann / Pick, WEG-Kommentar, Einleitung Rn. 17, § 1 Rn. 10; Röll in Münchner Kommentar zum BGB, Bd. 4, 2. Aufl., § 1 WEG Rn. 12; ders., Handbuch für Wohnungseigentümer und Verwalter, 5. Aufl. 1991, Rn. 2. 4. 2. 5 und 1. 2. 4. 2; Sauren, WEG, § 11 Anm. 3; Belz, Das Wohnungseigentum, 2. Aufl. 1982, S. 107; Henkes / Niedenführ / Schulze, WEG, 1991, § 21 Tz. 31). Denn selbst wenn der zuletzt dargestellten Rechtsmeinung zu folgen wäre, könnte - wie oben ausgeführt - grunderwerbsteuerrechtlich allein aus der zivilrechtlichen Verknüpfung des jeweiligen Anteils an der Instandhaltungsrückstellung mit dem Wohnungseigentumsrecht nicht der Schluß gezogen werden, der Aufwand für die Instandhaltungsrückstellung sei für den Erwerb der Eigentumswohnung getätigt worden.
b) Die Feststellungen des FG lassen eine abschließende revisionsrechtliche Überprüfung nicht zu. Denn das FG hat die Höhe des vom Kläger übernommenen Anteils an der Instandhaltungsrückstellung nicht festgestellt. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um ermitteln zu können, welcher Anteil des vereinbarten Gesamtkaufpreises auf die vom Kläger übernommene Instandhaltungsrückstellung entfällt.
Im Streitfall haben die Vertragsbeteiligten mit der Vereinbarung eines Kaufpreises von . . . DM eine Gesamtgegenleistung vereinbart, weil gemäß § 3 des Vertrages der Anteil des Verkäufers an der bisher angesammelten Instandhaltungsrückstellung ab Übergabe ,,ersatzlos" auf den Käufer (Kläger) übergehen sollte. Dabei muß ,,ersatzlos" so verstanden werden, daß für den Übergang der Ansprüche hinsichtlich der Mittel aus der Instandhaltungsrückstellung über den vereinbarten Kaufpreis hinaus keine weitere Vergütung vom Kläger zu zahlen war; in dem vereinbarten Kaufpreis demnach das Entgelt für die Übernahme der Ansprüche aus der Instandhaltungsrückstellung enthalten sein sollte. Die vom Kläger nachträglich vorgelegte Bestätigung des Verkäufers, wonach auf die Instandhaltungsrückstellung ein Teilbetrag von . . . DM entfallen sollte, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn auf den Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrags zurückwirkende Einzelpreisvereinbarungen ergeben sich hieraus nicht.
Liegt eine Gesamtgegenleistung vor, die Entgelt sowohl für das Grundstück als auch für nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Gegenstände ist, so ist diese aufzuteilen. Im Regelfall hat die Aufteilung nach der sog. Boruttauschen Formel zu erfolgen (vgl. Boruttau / Egly / Sigloch, a. a. O., § 9 Rn. 111; Hofmann, Grunderwerbsteuer, Kommentar, 5. Aufl., § 8 Rn. 15, m. w. Rechtsprechungshinweisen). Die Verhältnisrechnung braucht aber ausnahmsweise dann nicht vorgenommen zu werden, wenn Gegenstand eines Erwerbsvorgangs unter Vereinbarung einer Gesamtgegenleistung ein Grundstück und eine Geldforderung ist. In diesen Fällen reicht es grundätzlich aus, in Höhe der erworbenen Geldforderung einen Abzug von der vereinbarten Gesamtgegenleistung vorzunehmen, weil Kapitalforderungen im Regelfall mit dem Nennwert anzusetzen sind (§ 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes; vgl. auch Boruttau / Egly / Sigloch, a. a. O., § 9 Rn. 121; Hofmann, a. a. O., § 8 Rn. 16). Dies gilt entsprechend auch für die Übernahme eines Guthabens aus einer Instandhaltungsrückstellung durch den Erwerber einer Eigentumswohnung, weil damit eine Rechtsposition übertragen wird, die einer Geldforderung vergleichbar ist.
Fundstellen
Haufe-Index 418046 |
BFH/NV 1992, 335 |
BFHE 1992, 548 |
BB 1992, 696 |
NWB 1993, 3948 |
ErbStB 2012, 291 |