Leitsatz (amtlich)
Wird einem Schiffahrtsunternehmen von der Hafenverwaltung in einem besonderen Vertrag gestattet, den Güter- und Personenverkehr von einem näher gekennzeichneten Teil einer Kaianlage mit Vorrang vor anderen Hafenbenutzern abzuwickeln, ist der Teilwert der Kaianlage (Spundwände) dem Gewerbekapital des Schiffahrtsunternehmers nicht hinzuzurechnen.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt den linienmäßigen Schiffsverkehr zwischen X und Y. Sie benutzt als Anlegeplatz für ihre Schiffe in X eine durch eine Spundwand wasserseitig abgegrenzte Kaianlage. Die Anlage ist Teil der dem Lande gehörenden öffentlichen Hafenanlagen und steht grundsätzlich allen Hafenbenutzern zur Verfügung. Die Nutzung durch die Klägerin ist geregelt in einem zwischen ihr und dem Lande abgeschlossenen Gestattungsvertrag. Danach gestattet das Land der Klägerin, den Personen- und Güterverkehr an der Kaianlage abzufertigen und zu diesem Zweck Strom- und Wasserversorgungsanschlüsse, eine Lautsprecheranlage sowie Flaggenmasten herzustellen und zu betreiben. In § 2 des Vertrags heißt es:
"Durch die Ausübung der Gestattung dürfen Betrieb und Verkehr auf der Wasserstraße bzw. im Hafen nicht gestört werden. Anordnungen des Landes sind für den Gestattungsnehmer verbindlich.
Der Kai und die Wasserfläche vor dem Kai sind dem allgemeinen Hafenverkehr vorbehalten ... Der Gestattungsnehmer hat keinen Anspruch auf alleinige, jedoch Anspruch auf vorrangige Nutzung der im angehefteten Lageplan durch blaue Färbung bezeichneten Kai- und Wasserflächen. Der Anspruch auf vorrangige Benutzung dieser Schiffsliegeplätze berechtigt den Gestattungsnehmer, die Liegeflächen rechtzeitig vor Ankunft seiner eigenen Schiffe freimachen zu lassen. Er ist ferner berechtigt, diese Schiffsliegeplätze durch wasserseitige Beschriftung am Kai entsprechend zu kennzeichnen, wobei Wortlaut und Anbringungsort der Zustimmung des Wasser- und Schiffahrtsamtes bedürfen."
Für die Gestattung hat die Klägerin eine jährliche Vergütung von 275 DM zu zahlen. Sie darf die ihr aus dem Gestattungsvertrag zustehenden Rechte nur mit schriftlicher Einwilligung des Landes auf einen anderen übertragen.
Auf Grund einer Betriebsprüfung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) in den endgültigen Gewerbesteuermeßbescheid 1967 bis 1973 den Teilwert der Spundwände dem Gewerbekapital der Klägerin gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzu. Das FA vertrat die Auffassung, die Spundwand stelle eine dem Betrieb der Klägerin dienende Betriebsvorrichtung dar. Auf welchem Rechtsgrund die Überlassung beruhe - Miete, Pacht oder Leihe - und ob ein Entgelt gezahlt werde, sei unerheblich. Bei dem Gestattungsvertrag handele es sich um eine zivilrechtliche Vereinbarung über die Einräumung eines Sondergebrauchs.
Eine Hinzurechnung der gemäß § 4 des Gestattungsvertrags gezahlten Vergütung gemäß § 8 Nr. 7 GewStG unterblieb.
Gegen die Hinzurechnung zum Gewerbekapital wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 92 veröffentlichten Urteil statt.
Gegen das Urteil des FG wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, den Wert der Kaianlage (Spundwand), an der die Klägerin ihren Personen- und Güterverkehr auf Grund des Gestattungsvertrags abfertigt, beim Gewerbekapital dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzuzurechnen.
Der erkennende Senat geht mit dem FG und den Beteiligten davon aus, daß es sich bei der Kaianlage, die der Klägerin als Anlegestelle dient, um eine Betriebsvorrichtung und nicht um ein in Grundbesitz bestehendes Wirtschaftsgut handelt. In der Entscheidung des erkennenden Senats vom 17. Oktober 1979 I R 31/76 (BFHE 129, 275, BStBl II 1980, 160) ist mit ausführlicher Begründung klargestellt, daß eine Hinzurechnung des Teilwerts von überlassenen Wirtschaftsgütern nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG beim Gewerbekapital und der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Überlassung dieser Wirtschaftsgüter nach § 8 Nr. 7 GewStG beim Gewerbeertrag nur in Betracht kommt, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter auf Grund eines Rechtsverhältnisses überlassen worden sind, das seinem wesentlichen Inhalt nach einen Miet- oder Pachtvertrag im Sinne des bürgerlichen Rechts darstellt. An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.
Die mit dem Land getroffenen Vereinbarungen der Klägerin über die Benutzung der Kaianlage, die ausdrücklich als Gestattungsvertrag überschrieben worden sind, sind kein Mietvertrag i. S. der §§ 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach § 535 BGB muß der Vermieter dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit gewähren. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß der Vermieter nicht nur zu einer bloßen Duldung, sondern darüber hinaus zu einer positiven Tätigkeit verpflichtet ist. Er muß dem Mieter die Sache übergeben, soweit dies zur Durchführung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlich ist, und alles tun, damit der Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch ausüben kann (Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., §§ 535, 536, Rdnr. 18). Die Verpflichtung des Landes der Klägerin gegenüber ist nicht derart, daß das Land - vertreten durch das örtliche Schiffahrtsamt - etwa den Mietbesitz oder eine dem Mietgebrauch entsprechende Benutzungsmöglichkeit der Kaianlagen zu überlassen hatte. Der Klägerin war nach § 1 des Vertrags ausdrücklich nur "gestattet", an der Kaianlage den Personen- und Güterverkehr abzufertigen. Sie hatte, wie es in § 2 des Vertrags festgelegt ist, keinen Anspruch auf alleinige, sondern nur auf die vorrangige Benutzung innerhalb der bezeichneten Flächen der Kaianlage. Sie mußte außerdem selbst dafür sorgen, daß die Anlegeplätze vor Ankunft ihrer Schiffe von fremden Anlegern freigemacht werden. Damit ist deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es den Vertragschließenden - entsprechend der Überschrift des Vertrags - nur darauf ankam, der Klägerin das ungestörte Anlegen zum Zwecke der Abfertigung des Personen- und Güterverkehrs zu ermöglichen. Dem sollten auch die Vorrichtungen dienen, die die Klägerin als die Benutzerin auf ihre Kosten und nicht etwa das Land herzustellen hatte (Anschlüsse für Wasser und Strom, Lautsprecheranlage, Flaggenmasten). Die Verpflichtung des Landes als des Hafeneigentümers erschöpfte sich somit nur in einem bloßen Dulden des Gebrauchs; das ist aber etwas anderes als die Gewährung des Gebrauchs gemäß § 535 BGB (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. November 1955 V ZR 162/54, BGHZ 19, 85, 93).
Unter diesen Umständen braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob das Vertragsverhältnis der Klägerin mit dem Land über die Benutzung der Kaianlage dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist. Handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis in Gestalt der Einräumung eines Sondernutzungsrechts, unterliegt es grundsätzlich nicht den Mietrechtvorschriften des BGB (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 42. Aufl., Einführung vor § 535, Anm. 2 j).
Zutreffend hat das FG auch unter dem Gesichtspunkt, daß der Klägerin mit einem "Recht auf gesteigerten Gemeingebrauch" ein immaterielles Wirtschaftsgut zur Nutzung gegen Entgelt überlassen sein könnte, von einer Zurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG abgesehen. Ob der Klägerin auf Grund des Gestattungsvertrags ein immaterielles Wirtschaftsgut überlassen worden ist, ist an sich schon fraglich. Jedenfalls ist ein solches Wirtschaftsgut wertmäßig nicht greifbar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. März 1976 VIII R 169/72, BFHE 118, 470, BStBl II 1976, 463).
Fundstellen
Haufe-Index 74871 |
BStBl II 1984, 149 |
BFHE 1984, 408 |