Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
GmbH-Anteile, die bei der Veranlagung der Vermögensabgaben gemäß § 24 Nr. 2 LAG außer Ansatz gelassen worden sind, dürfen im Erlaßverfahren wegen Vermögensverfalles ungeachtet dessen, daß sie für die Berechnung eines Vermögensverlustes beim Restvermögen zu erfassen sind, dem Ausgangsvermögen nicht hinzugerechnet werden.
AO § 131; LAG §§ 24 Nr. 2, 203 Abs. 5; VAO des BdF vom 19. Juli 1954 (BStBl I 1954, 380) Tz. 12
Normenkette
AO § 131; LAG § 24 Nr. 2, § 203 Abs. 5
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Entscheidung über einen Stundungsantrag, der im Hinblick auf ein späteres Erlaßverfahren wegen Vermögensverfalls gestellt worden ist, der Wert von GmbH- Anteilen, die bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe (VA) gemäß § 24 Nr. 2 LAG außer Ansatz gelassen worden sind, beim Restvermögen und beim Ausgangsvermögen zu berücksichtigen ist.
Bei der VA-Veranlagung der Revisionsklägerin waren GmbH-Anteile im Werte von 55.000 DM gemäß § 24 Nr. 2 LAG außer Ansatz geblieben. Auf Grund des Ergebnisses der von der Revisionsklägerin auf den 1. Januar 1957 abgegebenen Vermögenserklärung beantragte sie im März 1959, ihr einen dem eingetretenen Vermögensverfall entsprechenden Teilbetrag der VA- Vierteljahrsbeträge ab 1. Januar 1957 bis zum Ablauf des Erlaßzeitraums zu stunden. Der VA liege ein Gesamtvermögen von 220.000 DM zugrunde, das zum Zwecke der Vergleichbarkeit noch um den bei der Berechnung des abgabepflichtigen Vermögens nach § 24 Nr. 2 LAG abgesetzten Betrag von 55.000 DM und das nicht abgabepflichtige Vermögen zu erhöhen sei, so daß sich das Ausgangsvermögen auf 278.000 DM belaufe. Bei Gegenüberstellung des Restvermögens nach der auf den 1. Januar 1957 abgegebenen Vermögenserklärung in Höhe von 94.000 DM ergebe sich ein Vermögensverlust von 184.000 DM. Das Finanzamt (FA) ermittelte auf Grund von Hinzurechnungen gemäß Tz. 23 der Verwaltungsanordnung über den Erlaß von Vermögensabgabe und Soforthilfeabgabe aus Billigkeitsgründen vom 19. Juli 1954 - VAO - (BStBl I 1954, 380) das Restvermögen auf 139.000 DM, verneinte die Zulässigkeit der Erhöhung des Ausgangsvermögens um den Wert der GmbH-Anteile von 55.000 DM und stellte einen Vermögensverfall von weniger als 40 v. H. des Ausgangsvermögens fest mit der Folge, daß es die begehrte Stundung ablehnte. Mit der gegen die Versagung der Stundung eingelegten Beschwerde wurde außer der Beanstandung des vom FA ermittelten Restvermögens wiederum geltend gemacht, der Wert der GmbH-Anteile müsse dem Ausgangsvermögen zugeschlagen werden, weil anderenfalls unzulässigerweise Unvergleichbares miteinander verglichen und der Vermögensverfall unrichtig errechnet würde. In ihrer Beschwerdeentscheidung ermittelte die Oberfinanzdirektion (OFD) ein Restvermögen von nur 126.000 DM, stellte einen Vermögensverfall von 94.000 DM fest und wies das FA an, ab 1. Januar 1957 die Vierteljahrsbeträge in Höhe von 16 v. H. bis auf weiteres mit dem Ziel eines Erlasses im noch durchzuführenden Erlaßverfahren zu stunden. Eine Erhöhung des Ausgangsvermögens um den Wert der GmbH-Anteile lehnte die OFD ebenfalls ab.
Die Berufung, mit der sowohl die Berechnung des Restvermögens als auch die Versagung einer Erhöhung des Ausgangsvermögens um den Wert der GmbH-Anteile angegriffen wurde, hatte nur hinsichtlich der Höhe des Restvermögens Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat das FA "angewiesen", die Stundung der Vierteljahrsbeträge vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1959 in Höhe von 18 v. H. bis zur endgültigen Entscheidung im Erlaßverfahren auszusprechen. Die Ansicht der Revisionsklägerin, daß entweder die von der VA nicht erfaßten Vermögensteile, also die GmbH-Anteile, beim Ausgangsvermögen anzusetzen seien oder daß derartige Vermögenswerte beim Endvermögen unberücksichtigt bleiben müßten, lehnte auch das FG ab.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Die Revision richte sich ausschließlich gegen die Behandlung der GmbH- Anteile bei der Berechnung des Vermögensverfalls. Voraussetzung für eine zutreffende Ermittlung des Vermögensverfalls sei das Vorhandensein vergleichbarer Größen. Dies sei dann nicht der Fall, wenn am 21. Juni 1948 beim Abgabepflichtigen Vermögen vorhanden gewesen sei, das nicht bei ihm zur VA herangezogen worden sei, sondern bei einer anderen Person, z. B. einer GmbH oder AG. Dieses Vermögen sei nach der VAO beim Ausgangsvermögen nicht zu berücksichtigen, wohl aber beim Endvermögen. Um zu einer zutreffenden Ermittlung des Vermögensverfalls zu gelangen, müßten aber die von der VA nicht erfaßten Vermögensteile entweder dem Ausgangsvermögen zugesetzt oder vom Endvermögen gekürzt werden. Es handle sich nicht darum, das Endvermögen nicht in allen Teilen zu erfassen, sondern den Vermögensverlust auf der Grundlage vergleichbarer Größen zu ermitteln. Das schließe nicht aus, daß Werterhöhungen, die bei dem beim Anteilseigner nicht der VA unterliegenden Vermögen gegenüber dem Stand vom 21. Juni 1948 entständen, beim Endvermögen berücksichtigt würden. Im vorliegenden Fall aber betrage der Wert der GmbH-Anteile am 21. Juni 1948 55.000 DM, am 1. Januar 1957 34.000 DM und am 1. Januar 1960 33.000 DM. Es sei also an den GmbH-Anteilen ein Verlust von rd. 22.000 DM entstanden, der beim Vermögensverfall der Abgabepflichtigen außer Ansatz bleibe. Entgegen der Auffassung des FG stelle es eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der VA nicht unterliegendes Vermögen beim Endvermögen, nicht aber beim Ausgangsvermögen berücksichtigt werde. Aus Gründen einer Vergleichbarkeit seien die GmbH-Anteile, die nach der VAO dem Endvermögen zuzurechnen seien, auch beim Ausgangsvermögen zu berücksichtigen, und zwar mit dem gleichen Betrag, höchstens aber mit dem Wert vom 21. Juni 1948. Die Revisionsklägerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Stundung mit dem Ziel des Erlasses zu gewähren.
Die OFD (Revisionsbeklagte) hat beantragt, die Revision als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liege nicht vor, wenn nach der VAO zu § 203 Abs. 5 LAG nur solche Verluste berücksichtigt werden könnten, die an dem der VA unterliegenden Vermögen entstanden seien, so daß auch nur dieses als Ausgangsvermögen der Berechnung des Vermögensverfalls zugrunde gelegt werde. Es würde dem Sinn und Zweck des LAG und des § 131 AO widersprechen, wenn die auf § 131 AO beruhende Billigkeitsmaßnahme allein darauf abgestellt würde, wieviel von dem der VA unterliegenden Vermögen inzwischen verlorengegangen sei, ohne die veränderte gesamte Vermögenslage, insbesondere also den Neuerwerb von Vermögen, und damit in gewissem Masse die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Abgabeschuldners in Betracht zu ziehen. Eine Kürzung des Restvermögens um die abgabefreien Vermögensteile würde ein ungerechtfertigtes und mit § 131 AO nicht zu vereinbarendes Entgegenkommen bedeuten, zumal die VA als eine persönliche Schuld gestaltet und nicht allein aus dem abgabepflichtigen Vermögen vom Währungsstichtag, sondern aus dem jeweils tatsächlich vorhandenen Gesamtvermögen aufzubringen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die von der Revision gerügte Außeransatzlassung des Werts der GmbH-Anteile beim Ausgangsvermögen beruht sowohl auf zutreffender Anwendung der VAO des Bundesminister der Finanzen (BdF) zu § 203 Abs. 5 LAG vom 19. Juli 1954 als auch auf ermessensfehlerfreier, richtiger Anwendung des § 131 AO. Der Senat trägt keine Bedenken, der VAO darin zu folgen, daß der für die Frage des Vermögensverfalls maßgebende Vermögensrückgang nur durch einen Vergleich des Ausgangsvermögens mit dem gesamten in den Vergleichszeitpunkten vorhandenen Restvermögen festgestellt werden kann. Dies entspricht den in § 131 AO enthaltenen Rechtsgrundsätzen für einen Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen, der grundsätzlich nur dann gewährt werden kann, wenn die steuerliche Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen in ihrer Gesamtheit so stark gelitten hat, daß ihm die Aufbringung des vollen Abgabebetrags nicht mehr zugemutet werden kann. Für den Streitfall folgt daraus zunächst, daß jedenfalls beim Restvermögen die GmbH-Anteile angesetzt werden müssen, weil sonst für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Abgabeschuldners maßgebliche Vermögenswerte unberücksichtigt blieben. Ist aber allein die in der Höhe des Restvermögens zum Ausdruck kommende steuerliche Leistungsfähigkeit des Abgabeschuldners an den beiden Stichtagen des Erlaßzeitraums entscheidender Ausgangspunkt für die Anwendung des § 131 AO und damit auch für die der VAO, dann würde es eine Verfälschung der wirklichen steuerlichen Leistungsfähigkeit bedeuten, wenn man den Wert der GmbH-Anteile bei der Berechnung des Vermögensrückgangs dadurch neutralisieren würde, daß man den Wert der GmbH-Anteile auch dem Ausgangsvermögen nachträglich hinzurechnet, wie dies die Revisionsklägerin wünscht. Auch würde, worauf die Vorinstanz und auch die Revisionsbeklagte mit Recht hingewiesen haben, eine Zurechnung der abgabefreien GmbH-Anteile zum Ausgangsvermögen dazu führen, daß ein Wertrückgang dieser Anteile eine Erhöhung der Erlaßquote bewirken würde, obwohl für diese Anteile überhaupt keine VA zu entrichten gewesen ist. Dies würde mit dem Sinn und Zweck des § 131 AO in Widerspruch stehen. Wenn die Revisionsklägerin meint, Voraussetzung für die zutreffende Berechnung eines Vermögensrückgangs sei das Vorliegen oder die Schaffung vergleichbarer Größen, so verkennt sie, daß es sich bei der Regelung der VAO um eine im Rahmen der Ermessensgrenzen getroffene Billigkeitsregelung handelt, nicht aber um einen solchen Vermögensvergleich, wie er etwa für ertragsteuerliche Zwecke oder auch bei der Feststellung von Kriegssachschäden usw. (vgl. §§ 12 ff. des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden in der Fassung vom 14. August 1952) für die Zwecke der VA-Veranlagung vorgesehen ist, wo ausdrücklich bestimmt ist, wann und auf welche Weise durch Zu- oder Abrechnungen vergleichbare Werte geschaffen werden müssen. Bei der Schaffung der VAO lag es ausschließlich im pflichtmäßigen Ermessen des BdF, praktikable Berechnungsmethoden und Berechnungsgrößen anzuwenden, um einen VA-Erlaß wegen Vermögensverfalls zu ermöglichen. Daß sich der BdF dabei des der VA unterliegenden Vermögens als Ausgangsvermögen bedient hat und dies in Beziehung zum Restvermögen gesetzt wissen will, ist nach Ansicht des Senats, wie bereits oben dargetan, nicht nur eine die Ermessensgrenzen nicht überschreitende, sondern durchaus auch praktikable Lösung. Zu der Frage, ob der BdF zur Errechnung eines Vermögensverfalls als Erlaßgrundlage auch andere Methoden hätte wählen können, braucht nicht Stellung genommen zu werden. Indem aber der BdF für alle Abgabepflichtigen, die einen Erlaß aus Billigkeitsgründen wegen Vermögensverfalls begehren, als Ausgangsvermögen grundsätzlich das der VA unterliegende Vermögen (Tz. 15 VAO) und als Restvermögen nach Massgabe der Tz. 18 ff. VAO jedes Wirtschaftsgut und jeden sonstigen geldwerten Vorteil außer den in § 68 Nr. 1 bis 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) a. F. bezeichneten Ansprüchen auf Renten und ähnliche Leistungen und außer Hausrat bestimmt hat, hat er den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachtet. Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin bedeutet es keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, wenn der VA nicht unterliegendes Vermögen zwar beim Endvermögen, nicht aber beim Ausgangsvermögen berücksichtigt wird; es handelt sich vielmehr hierbei um einen Berechnungsmodus, der alle Abgabepflichtigen, die einen Billigkeitserlaß wegen Vermögensverfalls anstreben, berührt. Es würde vielmehr eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bedeuten, wenn nach den Vorstellungen der Revisionsklägerin verfahren und durch Zurechnung der GmbH-Anteile zum Ausgangsvermögen deren Wert beim Restvermögen neutralisiert würde; denn auf diese Weise, d. h. durch die Neutralisierung, würde ein für die Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit maßgeblicher Teil des Restvermögens bei diesen Abgabepflichtigen außer Betracht gelassen werden, während bei allen anderen Abgabepflichtigen das volle Restvermögen für die Beurteilung ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit herangezogen würde. Die Vorinstanz und auch die Revisionsbeklagte haben daher mit Recht eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die in der VAO getroffene Regelung und durch die ihr entsprechende Handhabung im Streitfall verneint. Im übrigen hat der erkennende Senat wiederholt darauf hingewiesen, daß ein innerer Zusammenhang zwischen dem Ausgangsvermögen und dem Restvermögen in der Weise, daß als Restvermögen immer nur der Rest des ursprünglich vorhanden gewesenen und der VA unterliegenden Vermögens angesetzt werden könne, weder in der VAO vorgesehen ist noch vorgesehen werden mußte. Die Vorinstanz hat daher mit Recht die Hinzurechnung der GmbH-Anteile zum Ausgangsvermögen abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 412524 |
BStBl III 1967, 383 |
BFHE 1967, 345 |
BFHE 88, 345 |