Entscheidungsstichwort (Thema)
Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung
Leitsatz (NV)
Die Herstellung einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG kann auch durch Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung erfolgen, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Dies setzt nicht notwendig den Vollverschleiß des bisherigen Gebäudes voraus.
Normenkette
EigZulG § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die Umgestaltung einer Doppelhaushälfte samt Anbau Anspruch auf den (höheren) Fördergrundbetrag der Eigenheimzulage gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) hat.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das ursprünglich mit einer 1936 errichteten Doppelhaushälfte (Wohnfläche 72 qm, teilunterkellert) bebaut war. Im September 2000 hatte das Gebäude einen insgesamt befriedigenden Bauzustand, der dem Baualter entsprach; es bestand aber erheblicher Reparaturbedarf. 2002 führte die Klägerin umfangreiche Baumaßnahmen durch: An der Giebelseite wurde das Gebäude erweitert und die tragende Außenwand erneuert, auf der Hofseite die tragende Außenwand ebenfalls neu aufgebaut, der Dachstuhl mit Satteldach zum Pfettendach umgebaut und auf die Gebäudeerweiterung ausgedehnt, die auch unterkellert wurde. Die gesamte Elektro-, Sanitär- und Heizungsanlage sowie der Innen- und Außenputz wurden erneuert.
Im September 2002 stellte die Klägerin einen Antrag auf Eigenheimzulage ab 2002 für das ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude (Bemessungsgrundlage 267 820 €). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom März 2003 Eigenheimzulage in Höhe von 2 045 € (einschließlich Kinderzulage) fest, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 66 378 € für den Anbau (Gesamtkosten 201 146,90 €, Anbaufläche 30,45 qm, Gesamtfläche neu 95,03 qm). Einspruch hiergegen blieb erfolglos.
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, bautechnisch sei ein neues Gebäude entstanden. Es seien nicht nur die Grundrisse im EG und I. OG geändert, sondern neue Fußböden mit Estrich, Decken über dem EG und dem I. OG mit Holzbalken und eine Stahlbetonplatte hergestellt worden. Soweit das bestehende Fundament teilweise schadhaft gewesen sei, sei es ersetzt, stabilisiert, verblendet und isoliert worden. Von den vorhandenen Außenwänden seien lediglich 4 m an der Südseite und 1,5 m an der Nordseite unverändert geblieben. Alle anderen Innen- und Außenmauern seien entfernt worden. Die Geschossdecken seien mit Stahlträgern verstärkt worden. Der Wert der Altbausubstanz habe 24 443 € betragen, der der Baumaßnahmen 201 147 €, wovon ein Drittel auf den Anbau entfalle.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Klägerin habe jedenfalls keine neue Wohnung hergestellt. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Januar 2003 III R 53/00 (BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565) könnten zwar Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung als Herstellung beurteilt werden, wenn diese bautechnisch neu sei. Dies bedeute, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert werde, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes gäben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erschienen. Nur wenn ein Gebäude infolge Abnutzung unbrauchbar geworden sei, werde durch Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt. Eine grundlegende Sanierung reiche danach nicht aus. Das Haus der Klägerin sei vor der Sanierung in einem bautechnisch befriedigenden Zustand gewesen. Von einer erheblichen Substanzverschlechterung an wesentlichen Gebäudeteilen sei nicht auszugehen. Neuer, bisher nicht vorhandener Wohnraum sei nur in dem Bereich geschaffen worden, der erweitert worden sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG. Das finanzgerichtliche Urteil beschränke zu Unrecht die Möglichkeit der Herstellung eines neuen Gebäudes aus vorhandener Substanz auf die Notwendigkeit, diese Substanz abzureißen. Es sei von der unzutreffenden Vorstellung getragen, das ehemalige Wohnhaus existiere noch und werde lediglich um einen Anbau erweitert.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verpflichten, auf die Baukosten den Förderbetrag gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG 2002 mit einer Grundförderung von 2 556 € jährlich zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat die (Neu-)Herstellung einer Wohnung i.S. von § 2 Satz 1 EigZulG zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, neuer, bisher nicht vorhandener Wohnraum sei nur im erweiterten Bereich des streitigen Objekts geschaffen worden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung können auch Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung zur Neuherstellung einer Wohnung führen, wenn sie eine bautechnisch neue Wohnung ergeben. Dies kann auch durch einen mit der bisherigen Wohnung verbundenen Neubau geschehen, wenn die in die neue Wohnung einbezogene alte Gebäudesubstanz so tiefgreifend umgestaltet wird, dass die eingefügten Teile der entstandenen Wohnung das Gepräge geben. Ein solcher Fall ist z.B. gegeben, wenn beide Gebäudeteile bautechnisch und funktional in einer Weise zusammengefügt werden, dass sich dadurch nicht lediglich die bisherige Wohnfläche vergrößert, sondern der Gesamtkomplex eine neue Wohnung bildet. Auch wenn sich im Altbau schon Räumlichkeiten befinden, die in bewertungsrechtlicher Hinsicht die Merkmale einer Wohnung erfüllen, liegt keine bloße Erweiterung an einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 2 EigZulG vor, wenn sich auch diese Räumlichkeiten durch das Zusammenführen beider Bauteile in ihrer Struktur nachhaltig verändern (BFH-Urteil vom 1. März 2005 IX R 60/04, BFH/NV 2005, 1505, unter II. 2., m.w.N.).
2. Von diesen Maßstäben weicht das FG ab, wenn es ausgehend von der Verneinung einer Substanzverschlechterung an wesentlichen Gebäudeteilen lediglich darauf abstellt, dass neuer, bisher nicht vorhandener Wohnraum geschaffen werden muss. Maßgeblich ist demgegenüber, ob die Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen dem Gebäude ein neues Gepräge gegeben haben.
Welche Umstände im Einzelfall dazu führen, ob die Alt- oder Neubauteile dem Gesamtkomplex das Gepräge geben, kann nur durch die Tatsacheninstanz aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse entschieden werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1505, unter II. 2., m.w.N.). Diese Beurteilung wird das FG im zweiten Rechtsgang vorzunehmen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1780885 |
BFH/NV 2007, 1835 |