Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Umsatzsteuerpflicht für vom Mieter vorgenommene Um- und Ausbauten, die gemäß § 946 BGB in das Eigentum des Vermieters übergehen und von diesem durch Kürzung des Mietzinses bezahlt werden. Der Senat hält an der im Urteil V 74/56 U vom 19. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 43, Slg. Bd. 64 S. 114) vertretenen Auffassung, daß trotz Eigentumsüberganges gemäß § 946 BGB die Verfügungsmacht an Um- und Ausbauten, die der Mieter an dem gemieteten Grundstücksteil vornimmt, während des Bestehens des Mietverhältnisses nicht auf den Vermieter übergehe, nicht mehr fest.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1; UStDB § 2 Abs. 1; UStG § 3/1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine Lebensmittelhandlung mit zahlreichen Filialen, hat im Jahre 1950 in nach dem Kriege gemieteten Ladengeschäften, die teilweise durch Kriegseinwirkungen beschädigt und von den Hauseigentümern nur behelfsmäßig instandgesetzt waren, im eigenen Namen Reparatur- und Ausbauarbeiten (insbesondere Tischler- und Glaserarbeiten) vornehmen lassen. Nachträglich verlangte sie von den jeweiligen Vermietern den Ersatz der aufgewendeten Kosten. Die Hauseigentümer erklärten sich auf Grund von Verhandlungen bereit, einen Teil (zum Beispiel die Hälfte) der Kosten zu erstatten. Sie bezahlten die übernommenen Kosten dadurch, daß sie sich mit einer Herabsetzung der monatlichen Miete (zum Beispiel um 25 oder 30 DM) auf eine bestimmte Zeit, nämlich bis zur Tilgung ihres Kostenanteils, einverstanden erklärten.
Das Finanzamt zog die Mietzinsminderungen zur Umsatzsteuer heran. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht hat ausgeführt: Durch die vorgenommenen Arbeiten habe die Stpfl. Leistungen an die Grundstückseigentümer bewirkt. Zwar sei der gemäß §§ 946, 94 Abs. 2 BGB durch die Herstellung einer festen Verbindung mit den Grundstücken eingetretene Eigentumsübergang der eingebauten Gegenstände an die Grundstückseigentümer nicht mit der im Umsatzsteuerrecht für die Annahme einer Lieferung allein maßgeblichen Verschaffung der Verfügungsmacht gleichzusetzen. Mit der Einigung der Mietparteien über die übernahme der Leistungen und die Höhe des Entgeltes sowie den Verrechnungsmodus habe sich aber ein Ankauf der Instandsetzungen und Einbauten vollzogen. Dies spreche gegen die Annahme, daß die Verfügungsmacht erst beim Erlöschen der Mietverhältnisse auf die Grundstückseigentümer übergehe. Zur Verschaffung der Verfügungsmacht genüge die Einräumung des mittelbaren Besitzes. Die Gegenleistung, das Entgelt, sei in den von den Grundstückseigentümern anerkannten und im Wege der Mietenverrechnung gezahlten Beträgen zu erblicken. Auch der zur Annahme eines Leistungsaustausches erforderliche innere Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung sei gegeben.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird geltend gemacht: Die Annahme des Finanzgerichts, daß neben dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumserwerb der Grundstückseigentümer eine Einigung zwischen den Mietparteien über den "Ankauf der Instandsetzungen und Einbauten" erfolgt sei, beruhe auf einer Fiktion, die durch keine tatsächlichen Feststellungen getragen werde. Das Finanzgericht habe insoweit gegen seine Ermittlungspflicht (ß 243 AO) verstoßen, was einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 288 Ziff. 2 AO darstelle. Die Mietzinsminderungen seien nicht Kaufpreis für den Verkauf der Einbauten an die Grundstückseigentümer gewesen, sondern seien gemäß § 537 BGB wegen des vertragswidrigen Zustandes der Mieträume vereinbart worden. Die Ausführungen des Finanzgerichts stünden auch im Widerspruch zu den Urteilen des Reichsfinanzhofs VI A 2009/29 vom 7. April 1930 (RStBl 1930 S. 378) und des Bundesfinanzhofs V 74/56 U vom 19. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 43, Slg. Bd. 64 S. 114).
Entscheidungsgründe
Der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.
Ein Verstoß des Finanzgerichts gegen seine Ermittlungspflicht gemäß § 243 AO ist nicht erkennbar. Das Finanzgericht ist nicht von falschen Tatsachen oder Unterstellungen ausgegangen, sondern hat den Sachverhalt, so wie er in den Schriftsätzen der Stpfl. vorgetragen worden war und sich aus den in Ablichtung vorgelegten Schreiben einiger Vermieter ergab, seiner Entscheidung zugrunde gelegt und rechtlich gewürdigt.
Zwar mögen die durch die Stpfl. bewirkten Instandsetzungs- und Ausbauarbeiten zum Teil durch die ungenügende Beschaffenheit der gemieteten Räume infolge nur behelfsmäßiger Ausbesserung der Kriegsschäden mitveranlaßt worden sein. Ein weiterer wichtiger Grund für die Um- und Ausbauten aber war - wie die Stpfl. dem Finanzamt gegenüber selbst angegeben hat -, ihren sämtlichen Verkaufsstellen ein einheitliches Aussehen zu geben. Aus den genannten Ablichtungen ergibt sich, daß die Hauseigentümer einen Rechtsanspruch der Stpfl. auf Herabsetzung der Miete auf Grund des Mietverhältnisses (ß 537 BGB) niemals anerkannt haben. Es ist aus den Schriftsätzen der Parteien und dem sonstigen Akteninhalt nicht ersichtlich, daß die Stpfl. den Kostenersatz den Vermietern gegenüber auf § 537 BGB gestützt hätte. Es ist vielmehr anzunehmen, daß dies nicht geschehen ist. Denn die Stpfl. hat, wie die Ablichtungen beweisen, die Um- und Ausbauten ohne Einverständnis, zum Teil sogar ohne Wissen der Hausbesitzer bzw. Hausverwalter ausführen lassen. Offensichtlich hat die Stpfl. selbst seinerzeit die Kostenerstattung als Preis für die Um- und Ausbauten angesehen; denn sonst hätte sie von den Hausbesitzern nicht die übernahme sämtlicher Kosten - einschließlich der durch ihre besonderen Ausbauwünsche verursachten - verlangen können. Kennzeichnend ist auch, daß die gewählte Zahlungsweise, nämlich die Verrechnung der übernommenen Kosten durch zeitweilige Kürzung der Mietzinsen, nicht von der Stpfl., sondern als Zahlungserleichterung von den Vermietern gefordert worden ist. Daß sich die Vermieter zur Tragung nur eines Teiles (zum Beispiel der Hälfte) der Kosten bereit erklärten, lag daran, daß die Stpfl. es unterlassen hatte, vor dem Baubeginn ihr Einverständnis einzuholen, und daß die Hausbesitzer an dem modernen und einheitlichen Umbau der Ladenlokale nach den speziellen Bedürfnissen einer Lebensmittelhandlung kein so unmittelbares Interesse hatten wie die Stpfl.
Aus diesen Umständen ist der Schluß berechtigt, daß die Mietzinskürzungen Entgelte für die kraft Gesetzes (ß 946 BGB) in das Eigentum der Hausbesitzer übergegangenen Um- und Ausbauten der Ladenlokale darstellten. Es kann infolgedessen dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Stpfl. gegen die Vermieter ein Anspruch aus § 537 BGB zustand, ob nicht auch bei Bestehen eines solchen Anspruchs ein Leistungsaustausch anzunehmen ist und ob nicht im Streitfall ein Anspruch aus § 537 BGB infolge der Kenntnis der Stpfl. von den Mängeln der gemieteten Ladenlokale (nur behelfsmäßige Beseitigung der Kriegsschäden) entfiel (ß 539 BGB). Es ist insoweit weder ein Verfahrensmangel noch eine falsche rechtliche Würdigung seitens des Finanzgerichts feststellbar.
Eine andere Frage ist, ob im Streitjahre Lieferungen der Stpfl. an die Hausbesitzer ausgeführt worden sind. Unstreitig ist das Eigentum an den Ein- und Ausbauten gemäß § 946 in Verbindung mit § 94 Abs. 2 BGB auf die Grundstückseigentümer übergegangen. Der von der Stpfl. aufgestellte Satz, der zivilrechtliche Eigentumserwerb sei nicht gleichbedeutend mit der umsatzsteuerrechtlichen Verschaffung der Verfügungsmacht (ß 3 Abs. 1 UStG, § 2 Abs. 1 UStDB), ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Da das Eigentum im bürgerlichen Recht die stärksten Machtbefugnisse gewährt, fällt die Verschaffung der Verfügungsmacht in der Regel mit der Eigentumsübertragung zusammen. Das gilt auch, wenn das Eigentum - wie im Falle des § 946 BGB - kraft Gesetzes auf einen anderen übergeht. Vorliegendenfalls haben die Vermieter mit dem Erwerbe des Eigentums auch die Verfügungsmacht über die mit den Gebäuden (Grundstücken) fest verbundenen Gegenstände erworben. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien erstreckte sich nunmehr auf die Läden in ihrer neuen Gestalt, also auch auf die Ein- und Ausbauten. Der Vermieter behält nach § 868 BGB an den vermieteten Sachen den mittelbaren Besitz (Oberbesitz) und erwirbt ihn insoweit, als infolge fester Verbindung mit seinem vermieteten Grundstück bewegliche Sachen nachträglich in sein Eigentum übergehen und in das Mietverhältnis einbezogen werden. Der mittelbare Besitzer bleibt oder wird stets Sachherr. Die Beziehung zur Sache erscheint trotz des dazwischentretenden unmittelbaren Besitzes (Unterbesitzes) immer noch als gegenwärtige tatsächliche Herrschaft, nicht als Anwartschaft auf künftige Herrschaft (vgl. Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung S. 31 und 35). Der Vermieter als mittelbarer Besitzer behält oder erwirbt damit die Verfügungsmacht über die vermieteten Gegenstände. Er kann die Mietsache zum Beispiel an einen Dritten veräußern. Die Veräußerung eines Grundstücks ist zweifellos eine steuerbare (wenn auch nach § 4 Ziff 9 UStG steuerfreie) Lieferung, auch wenn das Grundstück ganz oder teilweise vermietet ist. Der Ansicht der Stpfl., daß die Verfügungsmacht an den durch sie mit den Grundstücken fest verbundenen Gegenständen - wenn überhaupt - erst mit Beendigung der Mietverhältnisse auf die Grundstückseigentümer übergehe, kann daher nicht gefolgt werden.
Selbst wenn man den Eigentumsübergang kraft Gesetzes an die Grundstückseigentümer zur Abnahme der Verschaffung der Verfügungsmacht nicht für ausreichend halten wollte, würde sich an dem Ergebnis nichts ändern. Mit Recht weist das Finanzgericht darauf hin, daß durch die nachträgliche Einigung der Parteien über die übernahme eines Teiles der Instandsetzungs- und Ausbaukosten durch die Hausbesitzer der gesetzliche Eigentumsübergang schuldrechtlich untermauert worden ist. Das ist auch daraus zu schließen, daß die Vermieter nicht die Beseitigung der eigenmächtig vorgenommenen Veränderungen verlangt und das Mietverhältnis mit der Stpfl. fortgesetzt haben.
Schließlich würde auch die Annahme, daß die Verfügungsmacht an den Ein- und Ausbauten erst bei Beendigung des Mietverhältnisses auf die Grundstückseigentümer übergehe, nicht zu einer Abweichung von der Entscheidung des Finanzgerichts führen. Die Zahlungen der Vermieter in Gestalt der Mietzinsermäßigungen wären dann als Vorleistungen (Vorschüsse, Anzahlungen, im voraus geleistete Entgelte) anzusehen, die im Falle der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Istversteuerung) nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 UStG im Zeitpunkt der Vereinnahmung zu versteuern sind. Darauf, daß die Lieferung oder sonstige Leistung selbst schon stattgefunden hat, kommt es nicht an (vgl. Herting, Zur Frage des Besteuerungsgegenstandes bei der Umsatzsteuer, Deutsche Steuer-Zeitung 1950 S. 175; Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 2. Mai 1957 S 4170/4166 A - St VI 2 g, Umsatzsteuer Rundschau 1957 S. 92; Gottschalk in Umsatzsteuer-Rundschau 1957 S. 73; anderer Ansicht Angerer, Die Vorschüsse im Umsatzsteuerrecht, Deutsche Steuer-Zeitung 1950 S. 95; Everding, Umsatzsteuerpflicht von Aufwendungen des Mieters für Neu- oder Ausbauten auf einem gemieteten Grundstück, Umsatzsteuer-Rundschau 1958 S. 12).
Der Hinweis der Stpfl. auf das in einer Einkommensteuersache ergangene Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 2009/29 vom 7. April 1930 (RStBl 1930 S. 378) geht fehl weil die Umsatzsteuer ein Eigenleben führt und infolgedessen die Begriffe "Zufließen von Einnahmen" und "Verschaffung der Verfügungsmacht" nicht miteinander verglichen werden können. Soweit im Urteil des Bundesfinanzhofs V 74/56 U vom 19. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 43, Slg. Bd. 64 S. 114) angenommen wird, daß trotz Eigentumsüberganges gemäß § 946 BGB die Verfügungsmacht an Um- und Ausbauten, die der Mieter an dem gemieteten Grundstücksteil vornimmt, während des Bestehens des Mietverhältnisses nicht auf den Vermieter übergehe, hält der Senat an dieser Auffassung nicht mehr fest.
Es war daher der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten und die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409495 |
BStBl III 1959, 458 |
BFHE 1960, 533 |
BFHE 69, 533 |