Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer, Arbeitsrecht, Bankrecht, Kreditrecht, Berufsrecht ,Handelsrecht, Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Unternehmereinheit zwischen dem Inhaber einer Einzelfirma und einer zu Umgehungszwecken gegründeten KG, an der der Inhaber der Einzelfirma als persönlich haftender Gesellschafter und ein zweiter Kaufmann als Kommanditist beteiligt sind, ist nicht möglich.
Zum Unterschied zwischen Scheingeschäft und Umgehungsgeschäft.
Dem "venire contra factum proprium", dem Vorgehen im Widerspruch zur eigenen Handlung, ist die rechtliche Anerkennung zu versagen.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 2; StAnpG §§ 5-6, 11 Ziff. 1; BGB § 117; GüKG §§ 5, 22
Tatbestand
Der Bg. betreibt in X. eine Einzelfirma für Spedition, Schiffahrt, Kraftverkehr und Lagerei. Streitig ist, ob die Mitte 1957 erfolgte Veräußerung von drei Lastzügen zum Preise von ... DM durch den Bg. an die Firma B.-KG in X. (im folgenden: B.-KG) als Hilfsumsatz des Bg. der Umsatzsteuer unterliegt oder ob es sich hierbei um einen nichtsteuerbaren Vorgang handelt, weil zwischen dem Bg. und der (inzwischen aufgelösten) B.-KG Unternehmereinheit bestand.
Der Bg. hat in den Vorinstanzen zur Begründung seiner Ansicht, zwischen ihm und der B.-KG habe Unternehmereinheit vorgelegen, ausführlich dargestellt, wie es zur Gründung dieser Gesellschaft und zum Verkauf der Fahrzeuge an sie kam. Danach wollte der Bg. im Jahre 1955 den von der Papierfabrik C. in Y. zum Verkauf angebotenen Fuhrpark erwerben. Der Käufer sollte auf die Dauer von fünf Jahren mit der Durchführung der bei der Papierfabrik anfallenden Transporte betraut werden. Hierbei ergaben sich in zweifacher Hinsicht Schwierigkeiten: Der Komplementär der Papierfabrik, F., verlangte von den vermittelten Frachtumsätzen eine Provision von 10 v. H. bzw. 12 v. H., obwohl solche Zahlungen Verstöße gegen die Festpreisvorschriften des Güterkraftverkehrs darstellen und als tarifwidrige Zuwendungen im Sinne des § 22 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) verboten sind. Außerdem benötigte der Bg. für den Betrieb der Lastzüge Fernverkehrskonzessionen, die ihm zwar der Kaufmann B. für 40.000 DM zur Verfügung stellen wollte, die jedoch an die Person des Konzessionsinhabers gebunden sind und nicht freihändig erworben werden können. Um diese Schwierigkeiten zu beheben, vereinbarte der Bg. mit B. am 9. August 1955, daß dieser die Fernverkehrsabteilung seines Speditionsunternehmens in eine selbständige Firma umgestalten und den Bg. in die neue Firma als Gesellschafter aufnehmen sollte. Der Bg. sollte die von F. erworbenen Lastzüge und B. die Fernverkehrskonzessionen einbringen. Gleichzeitig erklärte B. in dem Vertrage, daß er seinen Anteil an der neu gegründeten Gesellschaft gegen Zahlung eines Betrages von 40.000 DM unwiderruflich an den Bg. abtrete und damit wegen aller Ansprüche aus der neuen Firma abgefunden sei. Die Gesellschaft trat nach außen nicht in Erscheinung, weil man befürchtete, die trotz der Gesellschaftsgründung erkennbare übertragung der Konzessionen werde beanstandet werden. Erst am 6. Juni 1956 gründeten die Beteiligten die in der Folgezeit nach außen auftretende B.-KG, in die F. mit einem aus dem Restkaufpreis stammenden Kapitalanteil von 15.000 DM, der später auf 40.000 DM erhöht wurde, als Kommanditist eintrat. Zweck der Aufnahme des F. war, ihm die verbotenen Provisionen als Gewinnanteile auszahlen zu können. In den Jahren 1958 und 1959 sind auch jeweils 11.000 DM als "Gewinnanteile" ohne Abbuchung von der Kaufpreisschuld an F. überwiesen worden.
Alle diese Maßnahmen wurden von der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr im Jahre 1960 aufgedeckt und beanstandet. Auf Drängen der Bundesanstalt wurde die B.-KG zum 31. August 1960 mit der Maßgabe aufgelöst, daß F. keine Forderungen mehr zu stellen habe und Auseinandersetzungsansprüche beider Gesellschafter gegeneinander nicht beständen. Die "Gewinnanteile" von zusammen 22.000 DM wurden auf Veranlassung der Bundesanstalt abschließend auf die damals noch in Höhe von 23.500 DM bestehende Kaufpreisrestschuld verbucht, so daß F. für die Lastzüge im Ergebnis einen um 1.500 DM hinter den Vereinbarungen zurückbleibenden Kaufpreis und keinerlei Provisionen erhalten hat.
Auf Grund dieses unstreitigen Sachverhalts lehnte das Finanzamt eine Unternehmereinheit zwischen dem Bg. und der B.-KG ab und zog den Bg. mit dem Kaufpreis für die im Jahre 1957 an die KG verkauften drei Lastzüge von ... DM zur Umsatzsteuer heran. Nach erfolglos gebliebenem Einspruch stellte das Finanzgericht den Bg. mit dem streitigen Betrage von der Umsatzsteuer frei.
In der Vorentscheidung wird davon ausgegangen, daß nach dem Vertrage vom 9. August 1955 ursprünglich nicht beabsichtigt gewesen sei, F. als Gesellschafter zu beteiligen. Die Lastzüge des F. seien in die im August 1955 gegründete, nach außen nicht in Erscheinung getretene Gesellschaft nicht eingebracht, sondern an sie (bzw. an ihre Gesellschafter, den Bg. und B.) verkauft worden. Die im Juni 1956 gegründete KG mit F. als Kommanditist habe den Zweck gehabt, die verbotenen Frachtprovisionen in die Form von Gewinnanteilen zu kleiden. Entscheidend für die Ausdeutung des Gesellschaftsvertrages vom 6. Juni 1956 sei ein Schreiben des Bg. an F. vom gleichen Tage, in dem der Kauf der Lastzüge, Höhe und Tilgung des Restkaufpreises, die Frachtprovisionen für F. und die Freistellung des F. von etwaigen Verlusten der KG bestätigt worden seien. Offensichtlich habe F. nicht neben seinem Kommanditanteil noch den Kaufpreisrest und die Provisionen erhalten sollen. Die Kommanditeinlage von 15.000 DM (später 40.000 DM) habe F. nur nach außen hin als Mitunternehmer und damit als möglichen Empfänger von Gewinnanteilen ausweisen sollen. Seine Rechte seien über die eines Sicherungsnehmers nicht hinausgegangen. Eine Kommanditbeteiligung, die von den Vertragspartnern nur als Teilsicherung für eine Kaufpreisforderung und als Mantel für Frachtprovisionen gedacht gewesen und auf Veranlassung der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr mit allen finanziellen Auswirkungen beiseite geräumt worden sei, könne für die umsatzsteuerliche Behandlung nicht als Mitunternehmerschaft gewertet werden. In entsprechender Anwendung des § 11 Ziff. 1 StAnpG sei der Bg. vielmehr als Alleininhaber der B.-KG zu behandeln.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt werden, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Veräußerung der drei Lastzüge des Bg. an die B.-KG im Jahre 1957 hätte nur dann einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz nicht ausgelöst, wenn umsatzsteuerrechtlich die KG als nicht bestehend anzusehen gewesen wäre und das Unternehmen des Bg. die KG mitumfaßt hätte. Die überlassung der Lastzüge an die KG wäre alsdann ein innerbetrieblicher Vorgang gewesen.
Die Begriffe "Unternehmer" und "Unternehmen" sind im Umsatzsteuerrecht weitgefaßt. Voraussetzung ist aber stets, daß der Unternehmer mit seinem Unternehmen nach außen in Erscheinung tritt. Auch bei der Unternehmereinheit darf die in den Gesellschaften zusammengeschlossene Personengruppe, die den "Unternehmer" bildet, nicht im verborgenen bleiben, sondern muß wenigstens dem interessierten Kundenkreis als einheitliches Gebilde bekannt oder als solches leicht feststellbar sein. Das gilt auch, wenn - wie im Streitfalle - Unternehmereinheit zwischen einer Einzelperson (Bg.) und einer Personengesellschaft (B.-KG) in Frage kommt. Das Auftreten nach außen erfolgt im Geschäftsleben hauptsächlich über die Firma, den Geschäftsnamen des Kaufmanns. Hat ein Unternehmer mehrere Firmen, wie es bei Unternehmereinheiten die Regel ist, so ergibt sich für Außenstehende die Gleichheit der Personen aus dem Handelsregister, dessen Hauptzweck es ist, die für den wirtschaftlichen Verkehr wesentlichsten Rechtsverhältnisse eines Kaufmanns oder einer Personengesellschaft des Handelsrechts in deren Interesse und im Interesse der öffentlichkeit offenzulegen. Die Frage, wer Inhaber einer Einzelfirma ist oder als Gesellschafter einer Personengesellschaft des Handelsrechts angehört, ist in erster Linie nach den Vorschriften der einschlägigen Gesetze (hier HGB) zu beurteilen. Das gilt im Verhältnis der Einzelfirma bzw. der Gesellschaft nicht nur zu Privatpersonen, sondern auch zum Steuerfiskus (Urteil des Bundesfinanzhofs V 105/59 vom 18. Januar 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 S. 248). Die mit Hilfe der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gewonnenen Grundsätze für die Unternehmereinheit lassen sich nicht ihrerseits unter Berufung auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise beliebig ausweiten (Urteil des Bundesfinanzhofs V 293/55 U vom 12. März 1959, BStBl 1959 III S. 226, Slg. Bd. 68 S. 594). Der Senat hat wiederholt hervorgehoben, daß im Interesse der Rechtssicherheit der Nachweis der Beteiligung genau und zuverlässig sein muß. Es müssen "übersehbare Beteiligungsverhältnisse" vorliegen (Urteil des Bundesfinanzhofs V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294).
Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ist festzustellen, daß im Jahre 1957 der Bg. und die B.-KG unter ganz verschiedenen Firmen im Wirtschaftsleben aufgetreten sind, daß nach den Eintragungen im Handelsregister der Bg. ein Einzelkaufmann, die B.-KG dagegen eine Kommanditgesellschaft mit dem Bg. als persönlich haftendem Gesellschafter und F. (zeitweilig auch B.) als Kommanditisten war und daß - wenn man der Auffassung des Bg., beide Firmen seien ein einheitliches Unternehmen gewesen, folgt - die Beteiligungsverhältnisse alles andere als übersehbar waren.
Das Finanzgericht stützt seine Ansicht, der Bg. sei Alleininhaber der B.-KG gewesen, auf eine entsprechende Anwendung des § 11 Ziff. 1 StAnpG, wonach Wirtschaftsgüter, die zum Zwecke der Sicherung übereignet worden sind, dem Veräußerer zuzurechnen sind. Es meint, die überlassung des Kommanditanteils an F. sei zu dessen Sicherung erfolgt. Dies widerspricht jedoch dem Inhalt der Akten. Aus den Umständen des Falles und aus den Einlassungen des Bg. ergibt sich eindeutig, daß die Gründung der KG und die Aufnahme des F. als Kommanditisten den Zweck verfolgten, dem F. unter dem Deckmantel von Gewinnanteilen die vereinbarten Frachtprovisionen zukommen zu lassen. Dies war auch die Ansicht der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, auf deren Veranlassung die Gesellschafter im Jahre 1960 die KG aufgelöst haben. Wenn überhaupt, so spielte der Gedanke der Sicherung des F. eine ganz untergeordnete Rolle. Ein Eigentumsvorbehalt an den Lastzügen oder eine Sicherungsübereignung sonstiger Vermögensgegenstände hätte F. größere Sicherheiten geboten.
Der Gesellschaftsvertrag vom 6. Juni 1956 kann auch nicht als Scheingeschäft (ß 117 Abs. 1 BGB, § 5 Abs. 1 StAnpG) und mithin als von Anfang an nichtig angesehen werden. Die dem Gesellschaftsvertrag zugrunde liegenden Willenserklärungen der Vertragspartner waren durchaus ernst gemeint. Denn sie bezweckten, durch Gründung der KG zwingende Tarifvorschriften des GüKG zu umgehen. Umgehungsgeschäfte sind im Gegensatz zu Scheingeschäften ernstlich gewollt. Es sind auch zweimal "Gewinnanteile" von je 11.000 DM an F. tatsächlich ausgezahlt worden. Es lag im Streitfalle durch Umgehung des GüKG ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vor, dem nach §§ 5, 22 GüKG - wie geschehen - der wirtschaftliche Erfolg zu versagen war (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 196/57 vom 3. März 1960, Neue Juristische Wochenschrift 1960 S. 1057).
Wenn man aber - entgegen den obigen Ausführungen - eine Scheingründung der KG als gegeben ansehen wollte, so wäre folgendes zu beachten: Die Gründung der KG bezweckte, die Dienststellen der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, einer staatlichen Einrichtung, hinsichtlich der Auszahlung der verbotenen Frachtprovisionen irrezuführen. Hat nun der Bg. der Bundesanstalt gegenüber das Bestehen einer KG und die Ausschüttung echter Gewinnanteile an F. vorgetäuscht, so kann er sich dem Staat in seiner Eigenschaft als Steuergläubiger gegenüber nicht darauf berufen, die KG sei nur zum Schein errichtet worden. Es folgt dies aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der insbesondere dem sog. "venire contra factum proprium", dem Vorgehen im Widerspruch zur eigenen Handlung, die rechtliche Anerkennung versagt. Personen, die durch ihr Verhalten eine staatliche Einrichtung bewußt irregeführt haben, müssen den durch sie hervorgerufenen Schein, gegenüber dem Vertrauenden, dem Staat als Einheit, gegen sich gelten lassen. Es muß daher auch bei dieser - nach Ansicht des Senats unzutreffenden - Betrachtung die KG dem Steuerfiskus gegenüber als existent angesehen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 114/51 U vom 20. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 97, Slg. Bd. 57 S. 245).
Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher unter Aufhebung der Vorentscheidung die Berufung des Bg. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 19. April 1961 als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411541 |
BStBl III 1965, 270 |
BFHE 1965, 67 |
BFHE 82, 67 |