Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs V 117/53 S vom 30. Oktober 1953 (BStBl. 1953 III S. 366), wonach eine nicht umsatzsteuerbare Materialbeistellung dann nicht gegeben ist, wenn der Werkunternehmer an der Beschaffung der Werkstoffe durch den Werkbesteller in irgendeiner Weise beteiligt ist, finden auch dann Anwendung, wenn Gegenstand der Werklieferung nicht ein schlüsselfertiges Gebäude ist, sondern der Werkunternehmer eine in sich abgeschlossene Aufgabe (Bauabschnitt) übernommen hat, die für sich genommen ein Werk darstellen und Gegenstand einer Werklieferung sein kann.
Normenkette
UStG § 3/1, § 5/3, § 10/1; UStDB §§ 2-3; UStG § 3/3
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat im Jahre 1951 bei der Errichtung von Wohnbauten durch zwei Wohnungsbau-Genossenschaften A. u. B. und durch die Wohnungsbaugesellschaft C. einen Teil der Arbeiten ausgeführt. Er hat bei dem Bauvorhaben A. u. B. außer den Zimmerarbeiten die Erd-, Gründungs-, Rohrlegungs-, Putz-, Maurer-, Isolier-, Beton- und Stahlbetonarbeiten, für C. dagegen nur die Zimmerarbeiten übernommen und ausgeführt.
Streitig ist, ob der Bf. das für diese Arbeiten verwendete Material selbst beschafft oder sich doch an der Beschaffung des Materials derart beteiligt hat, daß das hierauf entfallende Entgelt vom Bf. zu versteuern ist, wie die Vorinstanzen angenommen haben, oder ob das Material von den Bauherren beschafft und dem Bf. beigestellt worden ist, wie der Bf. vorträgt.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts liegt den streitigen Umsätzen folgender Sachverhalt zugrunde:
In den ursprünglichen, von den Bauherren in dieser Form auch angenommenen Angeboten des Bf. - bezüglich der Zimmer- und Erdarbeiten A. u. B. vom ..., bezüglich der Zimmerarbeiten C. vom ... - war die Lieferung sämtlicher Materialien frei Baustelle im Angebot einbegriffen. Diese Bestimmung wurde in nachträglichen Vereinbarungen durch die Bestimmung ersetzt, daß die "Lieferung" der Baustoffe durch den Bauherrn erfolge. Gleichzeitig wurde Gesamtpreis laut ursprünglichen Kostenangebotes jeweils um die die Materiallieferung umfassende Summe einschließlich dafür berechneter Umsatzsteuer gekürzt. In dem Schreiben vom 30. Januar 1951, mit dem die für alle Bauvorhaben bauleitenden Architekten L. und M. dem Bf. die Entwürfe der änderungsverträge bezüglich A. u. B. zusandten, heißt es u. a.:
"Zur Einsparung der Umsatzsteuer wegen der schlechten Finanzierung des Bauvorhabens sollen die Rechnungen der Baustofflieferanten direkt an das Gemeinnützige Wohnungsunternehmen X gerichtet werden. Sie werden alsdann von hier aus direkt an die Landestreuhandstelle in Y. zur weiteren Anweisung geleitet. Die anfallenden Einsparungen werden im Verhältnis 50 : 50 zwischen den Vertragspartnern verrechnet."
Ungeachtet dieser nachträglichen Abmachungen hat der Bf. das Material für die Zimmerarbeiten sowohl A. u. B. als auch C. am 27. Februar 1951 schriftlich bei der Firma Z. im eigenen Namen bestellt und gleichzeitig den beiden Bauherren dafür Rechnungen ausgestellt, die von den bauleitenden Architekten unter dem 2. März 1951 laut schriftlichen Vermerkes auf der Rechnung geprüft und zur Zahlung angewiesen wurden.
Gleichfalls am 2. März 1951 schloß der Bf. mit den Bauherren, vertreten durch die bauleitenden Architekten, gleichlautende Material-Bevorschussungsverträge, in denen der Bf. das bestellte und bei der Firma Z. lagernde Holz den Bauherren durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses übereignete. Es heißt in diesen Verträgen weiter:
"... Die Firma (Bf.) trägt das Risiko eines Verderbs, einer Verschlechterung, eines Untergangs und einer Entwendung. Sie hat die Gegenstände gegen Feuer-, Diebstahl- und Wasserschaden auf eigene Kosten zu versichern und ihre Versicherungsansprüche gegen die Gesellschaft an die ... (Bauherrin) abzutreten, ... und
... Als Gegenleistung für Eigentumsübertragung zahlt die ... (Bauherrin) der Firma als Vorauszahlung im Sinne des Auftrages vom 29. Januar 1951 (25. Februar 1951) als direkte Zahlung an die Firma ... (Bf.) auf den eingangs erwähnten Auftrag die Summe von 7.764,40 DM (16.618,41 DM), sobald die sich überzeugt hat, daß ..."
Die Verträge sind von der Firma Z. unter dem 4. März 1951 mitunterzeichnet worden.
Das Holz für C. haben die bauleitenden Architekten später auf Anweisung der Bauherrin noch einmal in deren Namen unmittelbar bei der Firma Z. bestellt. Die Firma Z. hat für die Holzlieferungen im April 1951 sieben Rechnungen über zusammen 16.277 DM auf die Bauherrin ausgestellt, die am 12. April und 15. Mai 1951 bezahlt worden sind. Jeder der im April bezahlten fünf Rechnungen lag ein von der Firma Z. und der Bauherrin unterzeichneter Vertrag bei, in dem die Firma Z. der Bauherrin das in der Rechnung aufgeführte Holz durch Besitzkonstitut übereignete und sich verpflichtete, das Holz für Rechnung der Bauherrin zu schneiden.
Das Material für die Erd- und anderen Arbeiten für A. und B. hat der Bf., wie dieser angibt, im Namen seines Auftraggebers bestellt.
Dieser Tatbestand ist unstreitig, jedoch wurde vom Bf. eingewendet, daß die Ergänzungsverträge, die das Datum vom 27. bis 29. Januar und 25. Februar 1951 tragen, zurückdatiert seien, und daß die Materialbestellungen, die der Bf. selbst vorgenommen habe, zeitlich vor dem Abschluß der Ergänzungsverträge lägen, also entsprechend den ursprünglichen Vereinbarungen getätigt seien. Später seien die Materiallieferungen von den Lieferfirmen unmittelbar den Bauherren in Rechnung gestellt und von diesen auch unmittelbar bezahlt worden.
Das Finanzgericht hat unter entsprechender Anwendung des Urteils des Reichsfinanzhofs V 164/41 vom 30. November 1944 (Slg. Bd. 54 S. 152) eine Materialbeistellung durch die Auftraggeber des Bf. abgelehnt und deren Aufwendungen für das vom Bf. verwendete Material zum Entgelt seiner Werklieferungen gerechnet, jedoch im Gegensatz zum Finanzamt nur in Höhe der tatsächlich verausgabten, nicht der in den Kostenanschlägen angesetzten Beträge.
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) erblickt unter Wiederholung ihres früheren Vorbringens einen wesentlichen Verfahrensmangel darin, daß die von ihr als Zeugen benannten Architekten nicht gehört wurden, die bekunden sollten, daß die Materiallieferanten unmittelbar an die Bauherren geliefert hätten und daß die Ergänzungsverträge vordatiert worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben. Die Vorentscheidung läßt einen Rechtsverstoß oder einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht erkennen.
Zutreffend sind die in dem angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs vom 30. November 1944 angewendeten Grundsätze, denen der erkennende Senat inzwischen durch das Urteil V 117/53 S vom 30. Oktober 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 366) beigetreten ist, auf den Streitfall angewendet worden. Unterscheidet sich der Streitfall von dem jenen Entscheidungen zugrundeliegenden Tatbestand auch dadurch, daß der Bf. nicht ein schlüsselfertiges Gebäude zu liefern, sondern nur einen Teil der Bauarbeiten auszuführen hatte, so handelte es sich doch bei beiden Bauvorhaben um in sich abgeschlossene Aufgaben, die für sich genommen ein Werk darstellen und Gegenstand einer Werklieferung sein können.
Bejaht man aber mit der Vorentscheidung die Anwendung der bisherigen Rechtsprechung auf den Streitfall, so ist gerade hier mit besonderer Deutlichkeit dargetan, daß sich das wirtschaftliche Ziel des ganzen Geschäftsvorganges, wie es in den ursprünglichen Vereinbarungen und teilweise auch noch im tatsächlichen Geschäftsablaufe zum Ausdruck gekommen ist, durch die späteren Nachtragsvereinbarungen nicht geändert hat, sondern daß es auch hier eingestandenermaßen lediglich steuerliche und preisliche Gründe waren, das wirtschaftliche Ergebnis, das den Parteien bei Abgabe und Annahme der Angebote des Bf. vorgeschwebt hatte, nämlich die Erstellung von Rohbauten oder doch des Holzgerippes für ein Wohnhaus, nachträglich in ein anderes rechtliches Gewand zu kleiden. Der Senat ist auch nach erneuter Prüfung der Auffassung, daß unbeschadet der zivilrechtlichen Gültigkeit der vertraglichen Abmachungen die wirtschaftliche Betrachtungsweise es verbietet, den einheitlichen Wirtschaftsvorgang einer Werklieferung in seine Bestandteile zu zerlegen.
Auf weitere Beweiserhebungen konnte es schon deshalb nicht ankommen, weil die in das Wissen der Zeugen gestellten Bekundungen an dem Ergebnis nichts ändern könnten. Selbst wenn die Nachtragsabmachungen zurückdatiert worden sein sollten, so kommt doch noch in den Material-Bevorschussungsverträgen vom 2. März 1951 entgegen der Auffassung der Rb. unmißverständlich zum Ausdruck, daß das Material vom Bf. und nicht von den Bauherren beschafft worden ist, weshalb es erst jetzt diesen durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts übereignet worden ist; der Bf. aber sollte weiterhin jedes Risiko einer Verschlechterung oder eines Verlustes des Materials tragen. Im übrigen steht hinsichtlich des Holzes fest, daß dieses vom Bf. im eigenen Namen bestellt und der Bauherrin in Rechnung gestellt worden ist. Mit Recht hebt die Vorentscheidung hervor, daß dieser tatsächliche und deshalb für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung maßgebliche Geschäftsablauf durch nachträgliche Vereinbarungen nicht wieder aus der Welt geschafft werden konnte. Hinsichtlich der übrigen Materialien hat der Bf. angegeben, sie im Namen und für Rechnung der Bauherren bestellt zu haben. Damit aber ist seine Beteiligung an der Materialbeschaffung hinreichend dargetan.
Gegenüber den gegen die hier vertretene Auffassung erhobenen Einwendungen sei betont, daß weder aus dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) noch unter Berücksichtigung des Außenverhältnisses zum Materiallieferanten (§ 3 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB -) Bedenken erhoben werden können. Denn maßgeblich kann - soll die Höhe der Umsatzsteuer nicht Erwägungen überlassen bleiben, die dem steuerlich zu erfassenden Verkehrsvorgange nicht gerecht werden - allein der Beurteilungsgrundsatz sein, daß gleiche wirtschaftliche Tatbestände auch gleich besteuert werden müssen. Was im Einzelfalle Inhalt des Leistungsaustausches ist, der den Gegenstand der Umsatzsteuer bildet, ist nach vorwiegend wirtschaftlichen, nicht nur rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Hiernach aber ist im Streitfall eine Werklieferung gegeben, bei der die Umsatzsteuer auch auf den verwendeten Materialien ruht. Unerheblich ist auch, ob die änderung der Verträge, wie die Rb. hervorhebt, von den Bauherren ausging, denen sich der Bf. als der wirtschaftlich Schwächere fügen mußte; auch kann es nach dem Gesagten nicht darauf ankommen, daß außer einem Betrage von 7.764,40 DM alle anderen Beträge für Materiallieferungen von den Bauherren unmittelbar an die Lieferfirmen gezahlt worden sind, da bei allen Materiallieferungen eine Beteiligung des Bf. bei der Beschaffung festgestellt werden konnte.
Hiernach war der Vorentscheidung beizutreten und die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 424003 |
BStBl III 1954, 153 |
BFHE 1954, 636 |
BFHE 58, 636 |