Leitsatz (amtlich)
1. Die Kürzung der zukünftigen Erträge im Rahmen der Bewertung von Kommanditanteilen in entsprechender Anwendung des Stuttgarter Verfahrens um 30 v. H. (vgl. Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1966) ist als Ausdruck vorsichtiger Bewertung auch von den Gerichten anzuerkennen.
2. Die zukünftigen Erträge sind jedoch nicht um die von den Gesellschaftern zu zahlende Einkommensteuer zu kürzen, auch nicht um die Einkommensteuer, die auf den rechnerischen Abzug von 30 v. H. anteilig entfällt. Etwas anderes kann im Einzelfall für die latente Einkommensteuerbelastung stiller Reserven gelten.
Normenkette
KVStG 1959 § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Nr. 1 Buchst. c; BewG 1965 § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 9
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, trat mit Vertrag vom 24. Januar 1967 in eine KG als Komplementärin ein. An der KG waren A. als Komplementär und B. als Kommanditistin beteiligt. Nach dem Wortlaut des Vertrages trat A. als Komplementär aus der KG aus und gleichzeitig als Kommanditist in die KG ein. B. erhöhte ihre Kommanditeinlage.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm an, daß mit dem Eintritt der Klägerin in die KG als Komplementärin der Tatbestand des § 2 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959 verwirklicht worden sei. Als Steuermaßstab für die Festsetzung der Gesellschaftsteuer berücksichtigte er den Wert der beiden Kommanditanteile (§ 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG 1959). Diesen Wert ermittelte er in Anlehnung an das sog. Stuttgarter Verfahren.
Er hat demgemäß eine Gesellschaftsteuer in Höhe von zusammen ... DM festgesetzt.
Die Klägerin hat zur Begründung ihres Einspruches im wesentlichen vorgetragen, daß es nicht möglich sei, langfristig einen ausschüttungsfähigen Ertrag von ... DM je Jahr zu erwirtschaften, wie er der Ermittlung des Ertragshundertsatzes zugrunde gelegt worden sei. Außerdem sei das Betriebsergebnis in erheblichem Umfang von dem persönlichen Einsatz des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig. Der langfristig erzielbare ausschüttungsfähige Ertrag eines Jahres betrage nur ... DM. Der Einspruch ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin das bisherige Vorbringen wiederholt.
Im übrigen habe das FA den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juni 1972 II B 44/71 (BFHE 112, 74) nicht berücksichtigt, wonach das FA das Vorliegen eines Geschäftswertes mit nachprüfbaren Tatsachen zu beweisen habe.
Die Klägerin hat beantragt, die Gesellschaftsteuer auf ... DM herabzusetzen.
Das FG hat die Gesellschaftsteuer auf ... DM herabgesetzt. Für die Berechnung des Wertes der Kommanditanteile ist es ebenfalls von dem Stuttgarter Verfahren ausgegangen. Aus der Berechnung des FA hat es den Ansatz des Vermögenswertes übernommen, da er Berechnungsfehler nicht erkennen lasse. Bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes ist das FG von den Betriebsergebnissen 1967 bis 1971 ausgegangen, die es vor allem um die Geschäftsführervergütungen und die Zinsen auf Privatkonten gekürzt hat. Von den gekürzten Gewinnen hat das FG sodann, wie auch das FA bei seiner Schätzung, einen Abschlag in Höhe von 30. v. H. vorgenommen und ist so zu einem durchschnittlichen Jahresertrag von ... DM gekommen. Diesen Betrag hat es noch um den Einkommensteueranteil auf den dreißigprozentigen Abschlag gekürzt.
Das FG hat demgemäß den gemeinen Wert wie folgt errechnet:
Ertragshundertsatz x 3 = ... v. H.
Vermögenswert ... v. H.
... v. H.
80 v. H. = ... v. H.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Im vorliegenden Fall ist die Gesellschaftsteuer gem. § 2 Nr. 1 KVStG 1959 dadurch entstanden, daß die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG eingetreten ist. Mit dem Eintritt der Klägerin und dem Übertritt des bisherigen Komplementärs in die Stellung eines Kommanditisten haben dieser und die bisherige Kommanditistin, die Kommanditistin der KG blieb und sich zur Leistung einer erhöhten Hafteinlage verpflichtete, erstmalig Gesellschaftsrechte im Sinne des § 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 erworben (vgl. u. a. die Urteile des Senats vom 11. November 1969 II 196/65, BFHE 98, 369, BStBl II 1970, 335, und vom 27. Januar 1972 II R 148/70, BFHE 105, 68, BStBl II 1972, 431).
Die Gesellschaftsteuer ist mangels Vorliegens einer Gegenleistung vom Wert der Gesellschaftsrechte zu berechnen (vgl. § 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG 1959).
Nach der Rechtsprechung des Senats liegt eine Gegenleistung insoweit nicht vor, als durch den Eintritt einer Kapitalgesellschaft in eine KG hinsichtlich eines bereits bestehenden Kommanditanteils die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 erstmalig erfüllt werden oder ein Komplementär mit seinem Gesellschaftsanteil in die Stellung eines Kommanditisten übertritt (vgl. die Urteile vom 8. Dezember 1971 II R 12/71, BFHE 104, 482, BStBl II 1972, 384, und vom 27. Januar 1972 II R 148/70, BFHE 105, 68, BStBl II 1972, 431). Etwas anderes gilt nur insoweit, als die Kommanditisten im Zusammenhang mit dem Eintritt einer Kapitalgesellschaft in die Kommanditgesellschaft weitere Einlagen zu leisten haben (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 1. August 1979 II R 133/73, BFHE 128, 341, BStBl II 1979, 744). Da nach den Feststellungen des FG weitere Einzahlungen bisher nicht geleistet worden sind, kommt als Besteuerungsmaßstab nur der Wert der Kommanditanteile in Betracht.
2. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß im vorliegenden Fall gegen die Schätzung des Wertes der Kommanditanteile unter Anwendung des sog. Stuttgarter Verfahrens keine rechtlichen Bedenken bestehen.
Das Stuttgarter Verfahren ist ein Verfahren, das für die Schätzung des Wertes von nicht notierten Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entwickelt worden ist. Es ist eine Variante der sog. Übergewinnmethode (vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung S. 98 ff.) und berücksichtigt in der Ausgestaltung durch die Vermögensteuer-Richtlinien 1966 (VStR) 1966, wie sie im vorliegenden Fall angewendet worden ist, unter Zugrundelegung eines Kapitalisierungszinssatzes von 7 v. H. neben dem Substanzwert die undiskontierten Erträge von drei Jahren. Hieraus ergibt sich in Anwendung des von Moxter (Der Betrieb 1976 S. 1585, 1586 - DB 1976, 1585, 1586 -) mitgeteilten Rechenganges, daß der Vermögenswert mit 82,64 v. H. in den gemeinen Wert eingeht, der Ertragswert aber nur mit 17,36 v. H. Das außerordentlich starke Übergewicht des Vermögenswertes führt dazu, daß die Ergebnisse des Stuttgarter Verfahrens z. T. erheblich hinter den Schätzungsergebnissen anderer Bewertungsmethoden zurückbleiben (vgl. die von Helbling, Unternehmungsbewertung und Steuern, 3. Aufl., S. 78, mitgeteilten Zahlen). Auch das FA ist in einer Berechnung, die es dem FG mit Schriftsatz vom 20. Mai 1975 vorgelegt hat, zu vergleichbaren Ergebnissen gelangt. Das Stuttgarter Verfahren in der Ausgestaltung der Vermögensteuer-Richtlinien 1966 muß deshalb als ein Schätzungsverfahren angesehen werden, das bei guten Ertragsaussichten regelmäßig zu einem Wert führt, der z. T. erheblich hinter den Werten zurückbleibt, die sich bei der Anwendung anderer Schätzungsmethoden ergeben. Das Stuttgarter Verfahren ist somit Ausdruck einer vorsichtigen Bewertung, die angesichts der Schwierigkeiten und Unsicherheiten der Unternehmensbewertung im Einklang mit den Schätzungsgrundsätzen des § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. = § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) steht. Es muß im Interesse der Gleichbehandlung der verschiedenen Schätzungsfälle unter diesen Umständen als zulässig angesehen werden, wenn sich auch die FG des Stuttgarter Verfahrens bedienen. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Ergebnisse Ausdruck einer vorsichtigen Schätzung sind. Dies ist nach Sachlage jedenfalls dann der Fall, wenn die Ertragserwartungen höher sind als der jeweils angesetzte Kapitalisierungszinssatz. Etwas anderes gilt dann, wenn die Ertragsaussichten negativ sind (vgl. hierzu den Fall des Urteils vom 7. Dezember 1977 II R 164/72, BFHE 124, 356, BStBl II 1978, 323). Es bestehen auch keine Bedenken, das Stuttgarter Verfahren, ggf. mit Modifikationen, auf die Bewertung von Kommanditanteilen im Rahmen des § 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG 1959 zu übertragen.
3. Ist dem FG danach grundsätzlich darin zu folgen, daß es das Stuttgarter Verfahren zu Recht der Schätzung des gemeinen Wertes der Kommanditanteile zugrunde gelegt hat, so ist jedoch diese Schätzung nicht frei von Rechtsfehlern. Dies gilt vor allem hinsichtlich der vom FA angegriffenen Erhöhung des Abschlages auf die nachhaltigen Erträge von 30 v. H. um 15 Prozentpunkte auf 45 v. H. Der Abzug von 30 v. H., den die Verwaltung auch bei der Schätzung des Wertes von Kommanditanteilen zugesteht, geht auf Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1966 zurück. Bei der Schätzung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß nicht der volle Gewinn zur Ausschüttung zur Verfügung steht. Ob diese Überlegung für Anteile an Kapitalgesellschaften ohne Einschränkungen richtig ist, mag hier dahinstehen. Immerhin könnte eingewandt werden, daß auch die nicht ausgeschütteten Gewinne den Wert der Anteile positiv beeinflussen werden; denn sie steigern die Ertragskraft des Unternehmens. Sie sind somit für den Anteileigner nicht wertlos (vgl. Moxter, DB 1976, 1585, 1588). Gleichwohl können die Gerichte den von der Verwaltung zugestandenen 30 %igen Abzug als Ausdruck einer vorsichtigen Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Risikoberücksichtigung übernehmen. Das kann auch für die Anteile an Personenhandelsgesellschaften anerkannt werden, für die es auf die Frage der Ausschüttungsfähigkeit nicht in gleicher Weise wie bei einer Kapitalgesellschaft ankommen kann, da die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft selbst in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Eigentümer des Vermögens der Gesellschaft sind.
Kann danach der von seiten der Verwaltung zugestandene rein rechnerische Abschlag von 30 v. H. als Ausdruck vorsichtiger Bewertung auch von den Gerichten übernommen werden, so sind die Gerichte jedoch nicht ohne konkrete Feststellungen über den niedrigeren Wert der zu bewertenden Anteile berechtigt, diesen Abschlag um weitere 15 Prozentpunkte zu erhöhen, wie dies das FG getan hat. Insbesondere ist es unzulässig, die Erhöhung des Abschlages allein damit zu begründen, daß damit die auf den Abschlag von 30 v. H. entfallende anteilige Einkommensteuer berücksichtigt werden solle.
Grundsätzlich gilt, daß die Einkommensteuer der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft bei der Berücksichtigung der Ertragsaussichten unberücksichtigt bleiben muß. Die Einkommensteuer vermindert nicht, wie etwa die Körperschaftsteuer (alter Art), die Ertragsaussichten der Gesellschafter. Sie belastet die Erträge der Gesellschafter, wie die Einkommensteuer auch die Erträge alternativer Kapitalanlagen belastet. Da auch die Verzinsung anderer Kapitalanlagen vor Abzug der Einkommensteuer ermittelt wird (vgl. Abschn. 79 Abs. 1 VStR 1966), dürfen auch die Erträge aus einem Gesellschaftsanteil nicht um die Einkommensteuer gekürzt werden (vgl. in diesem Zusammenhang auch Helbling, a. a. O., S. 346).
Auch der Gesichtspunkt, daß möglicherweise nach den gesellschaftsvertraglichen Abmachungen nicht der gesamte ausgewiesene Gewinn entnommen werden darf, vermag hieran nichts zu ändern. Es kann davon ausgegangen werden, daß das Entnahmerecht der einzelnen Gesellschafter so gestaltet ist oder nach Treu und Glauben so gehandhabt werden muß, daß die Zahlung der Personensteuern der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft sichergestellt ist. Deshalb besteht kein rechtlicher Anlaß, den von der Verwaltung zugestandenen rechnerischen Abzug in Höhe von 30 v. H. aus dem Gesichtspunkt der Einkommensteuerzahlung zu erhöhen.
Eine Erhöhung des Abzugs von den Erträgen käme ggf. nur dann in Betracht, wenn diese Erhöhung erforderlich sein sollte, um zu dem richtigen Ansatz des gemeinen Wertes des Kommanditanteils zu gelangen. In dieser Richtung ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil des FG nichts.
Eine andere Frage ist es jedoch, ob nicht ggf. bei Vorhandensein unversteuerter Reserven eine Berücksichtigung der latenten Einkommensteuerbelastung erforderlich werden kann (vgl. hierzu das Urteil des III. Senats vom 20. Oktober 1978 III R 31/76, BFHE 126, 227, BStBl II 1979, 34; Bauer, DB 1980, 320, 370). Daß derartige unversteuerte Reserven im vorliegenden Fall vorhanden waren, ist nach dem vom FG in Bezug genommenen Betriebsprüfungsbericht anzunehmen. Das FG hat hierzu jedoch keine konkreten Feststellungen getroffen.
4. Da die Revision des FA, die sich gegen die Erhöhung des Abzuges von den Erträgen um weitere 15 v. H. richtet, begründet ist, unterliegt das Urteil des FG der Aufhebung. Die Sache wird an das FG zur erneuten Schätzung des gemeinen Wertes der Kommanditanteile zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat hierbei Gelegenheit, auch die Frage der etwaigen angemessenen Berücksichtigung latenter Einkommensteuerbelastungen zu prüfen. Weiter wird es der Frage nachzugehen haben, ob die Ermittlung des Vermögenswertes durch das FA, den das FG unverändert übernommen hat, frei von Rechtsfehlern war. Nach dem Betriebsprüfungsbericht jedenfalls ist es wahrscheinlich, daß dem FA ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Es hat die für die KG bestellten beiden Erbbaurechte mit den Bodenwerten und den bis zum 1. Januar 1967 entstandenen Herstellungskosten als Vermögen angesetzt und die Erbbauzinsverpflichtungen als Verbindlichkeit abgezogen. Angesichts der Erkenntnis, daß Leistung und Gegenleistung sich regelmäßig ausgleichen, ist es kaum verständlich, daß die Kapitalwerte der Erbbauzinsen um ein Vielfaches höher sein sollen als die Werte der Erbbaurechte. Wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorhanden sind, muß vielmehr angenommen werden, daß ein Erbbaurecht dem Kapitalwert der zu entrichtenden Erbbauzinsen gleichwertig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 73537 |
BStBl II 1980, 463 |
BFHE 1980, 336 |