Entscheidungsstichwort (Thema)
Darstellung des Sachverhalts im Urteil; Fremdvergleich im Umsatzsteuerrecht
Leitsatz (NV)
1. Zu den Anforderungen an die Darstellung des Sachverhalts im finanzgerichtlichen Urteil.
2. Zur Bedeutung des Fremdvergleichs bei der Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen im Umsatzsteuerrecht.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 105 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3; UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine . . . in den seiner Ehefrau gehörenden Räumlichkeiten, über die am 3. Oktober 1977 ein schriftlicher Pachtvertrag geschlossen wurde. Zunächst wurde eine feste Pachtzeit vom 1. Oktober 1977 bis zum 30. September 1987 vereinbart. Seither verlängert sich die Pachtzeit jeweils um ein Jahr, wenn nicht eine der Parteien der Verlängerung widerspricht. Als Pachtzins wurde ein Betrag von monatlich . . . DM brutto vereinbart. Aufgrund einer im Vertrag enthaltenen Anpassungsklausel wurde die Pacht später auf monatlich . . . DM erhöht.
Nach einer Außenprüfung im Jahre 1987 nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) an, daß das Pachtverhältnis steuerlich nicht anerkannt werden könne, weil die tatsächliche Durchführung des Vertrages nicht dem Vereinbarten entspreche. Insbesondere seien die monatlichen Pachtzahlungen nicht eingehalten worden. In dem die Jahre 1983 bis 1985 umfassenden Prüfungszeitraum seien lediglich zwölf Pachtzahlungen bis zum Ende des betreffenden Monats oder zumindest am Anfang des Folgemonats auf dem Konto der Ehefrau eingegangen. Ansonsten seien bis zu sieben Pachtbeträge in einer Summe nachträglich entrichtet worden, ohne daß die rückständigen Summen verzinst worden seien. Es entspreche ferner nicht dem unter Fremden Üblichen, daß die Ehegatten im Jahr 1982 gemeinsam als Darlehensnehmer zwei Darlehen für den gewerblichen Grundstücksteil der Ehefrau des Klägers aufgenommen hätten. Da das Pachtverhältnis nicht anerkannt werden könne, sei umsatzsteuerrechtlich von einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung durch die Ehefrau an den Kläger auszugehen, mit der Folge, daß die von der Ehefrau in Rechnung gestellte Umsatzsteuer beim Kläger nicht als Vorsteuerbetrag abziehbar sei. Das FA kürzte die Vorsteuerbeträge des Klägers für 1983 um . . . DM und für die Jahre 1984 und 1985 um jeweils . . . DM.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage begründete der Kläger im wesentlichen wie folgt: Die Stundungen der Pachtzahlungen seien allein aus betrieblichen Gründen erforderlich gewesen, um ihm betriebsnotwendige Investitionen zu ermöglichen. Die Unpünktlichkeit der Pachtzahlungen sei nur vorübergehend gewesen. Seit 1986 habe er die Pacht vertragsgemäß gezahlt. Es dürfe nicht übersehen werden, daß ihm tatsächlich Leistungen in Form der Nutzungsüberlassung der Geschäftsräume erbracht worden seien und er hierfür ein Entgelt entrichtet habe. Das Pachtverhältnis sei von vornherein ernsthaft gewollt gewesen und tatsächlich durchgeführt worden.
Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) steht dem Kläger der Vorsteuerabzug aus den von der Verpächterin erteilten Rechnungen zu. Entscheidend komme es, so führt das FG aus, auf den tatsächlichen Leistungsaustausch an. Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liege nicht vor.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Es meint, dem Kläger stehe der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu, weil seine Ehefrau in den Streitjahren nicht Unternehmerin gewesen sei. Der Pachtvertrag könne steuerlich nicht anerkannt werden, weil er nicht wie unter Fremden durchgeführt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Feststellungen in der Vorentscheidung ermöglichen keine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob dem Kläger der begehrte Vorsteuerabzug zusteht.
a) Finanzgerichtliche Urteile müssen den Sachverhalt (Sachstand) hinreichend darstellen (§ 105 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 FGO). Ist dies nicht der Fall, hat das Revisionsgericht den Mangel ohne ausdrückliche Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Tatbestand eines Urteils muß in sich verständlich sein. Die Darstellung muß ein knapp gehaltenes, klares, vollständiges und in sich abgeschlossenes Bild des Streitstoffes in logischer Folge und unter Hervorhebung der Anträge der Beteiligten enthalten. Gibt der Tatbestand eines angefochtenen Urteils einschließlich der in Bezug genommenen Schriftstücke den zum Verständnis seines Inhalts erforderlichen Sach- und Streitstand nicht hinreichend wieder, so bildet die Entscheidung keine Grundlage für deren sachliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. September 1989 VII R 61/87, BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979).
b) Diesen Anforderungen wird die Vorentscheidung nicht gerecht. Die dem FG obliegende Ermittlung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durfte sich nicht, da es um die Beurteilung von Leistungsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen geht, auf die Prüfung beschränken, ob inhaltlich angemessene Abmachungen vorliegen, die vollzogen worden sind. Vielmehr war auch zu untersuchen, ob die Vereinbarung und ihre Durchführung einander entsprechen. Hierbei ist es u. U. geboten, auf das unter Fremden Übliche einzugehen. Dies kann für die Beurteilung Bedeutung erlangen, ob der Leistende ernsthaft damit gerechnet hat, ein Entgelt für seine Leistung zu erhalten, ob insbesondere die bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen ernsthaft vereinbart sind oder ob Scheingeschäfte vorliegen (Senatsurteil vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913).
Das FG hat lediglich festgestellt, daß der Kläger seinen Betrieb in Räumlichkeiten betreibt, die seiner Ehefrau gehören, und daß hierzu ein Pachtvertrag geschlossen wurde, in dem Pachtzinsen und Pachtdauer vereinbart sind. Im übrigen beschränkt sich die Vorentscheidung auf die Wiedergabe von Parteivorbringen, ohne daß erkennbar wird, ob das FG Feststellungen entsprechend dem Inhalt dieser Äußerungen der Beteiligten treffen wollte. Dies genügt nicht (BFH-Urteil in BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979).
Fundstellen