Leitsatz (amtlich)
Der inländische Versicherer bleibt Entrichtungsschuldner der Versicherungsteuer, wenn er die Steuerentrichtung einem zur Entgegennahme des Versicherungsentgelts Bevollmächtigten übertragen hat; die Inanspruchnahme des Versicherers bedarf keines rechtfertigenden Grundes.
Normenkette
VersStG 1959 § 7; AO § 118 S. 1, § 212
Tatbestand
Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, hatte ihren Generalagenten zur Entgegennahme der Versicherungsentgelte bevollmächtigt und ihm die Entrichtung der Versicherungsteuer übertragen. Mit Haftungsbescheid vom 28. März 1963 nahm das FA (Beklagter) die Klägerin für Versicherungsteuer in Höhe von .... DM aus dem Jahre 1960 und .... DM aus dem Jahre 1961 in Anspruch, welche der Bevollmächtigte nicht abgeführt hatte.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin, das FG habe den Grundsatz von Treu und Glauben verkannt. Sie vertritt den Standpunkt, der Anspruch des FA auf Heranziehung zur Haftung sei verwirkt, weil das FA nicht nur dem Bevollmächtigten ohne Sicherheit Stundung der Steuerschuld gewährt und Steuerguthaben erstattet habe, sondern auch nichts getan habe, um die Klägerin vermuten zu lassen, zur Zahlung einer Steuerschuld verpflichtet zu sein.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Gemäß § 7 Abs. 1 des VersStG ist Steuerschuldner der Versicherungsnehmer (Satz 1); der Versicherer (Satz 2) und ggf. der Bevollmächtigte (Satz 4) haften für die Steuer. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 VersStG hat aber der Versicherer und nicht der Steuerschuldner die Steuer zu entrichten. Daß dies "für Rechnung des Versicherungsnehmers" geschieht, betrifft allein das Innenverhältnis zu diesem.
Ist der Versicherer somit derjenige, welcher die Steuer zu entrichten hat (Entrichtungsschuldner), so hat nicht der formelle Steuerschuldner, sondern der Versicherer in erster Linie für die Entrichtung der Steuer einzustehen. Seine Zahlungspflicht ist damit nicht - wie unter alleiniger Beachtung des § 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG anzunehmen wäre - als Haftungsschuld nachrangig, sondern als Entrichtungsschuld vorrangig; sie entspricht der primären Verpflichtung, welche sonst dem Steuerschuldner obliegt.
Das gilt auch dann, wenn ein inländischer Versicherer die Steuerentrichtung einem zur Entgegennahme des Versicherungsentgelts Bevollmächtigten überträgt. Dieser handelt kraft privatrechtlichen Auftrags für den Versicherer; dessen Steuerrechtsverhältnis wird dadurch - unbeschadet der verfahrenstechnischen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 der Versicherungsteuer-Durchführungsverordnung - nicht geändert. Nur im Fall des § 7 Abs. 2 Satz 2 VersStG ist der Bevollmächtigte selbst Entrichtungsschuldner.
Der angefochtene Bescheid vom 28. März 1963 ist demnach - obschon wegen § 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG in materiellrechtlicher Betrachtung ein Haftungsbescheid (§ 118 AO) - zufolge § 7 Abs. 1 Satz 3 VersStG eine dem Steuerbescheid (§ 212 AO) gleiche Anforderung der Steuer, die sich gemäß dieser Vorschrift nicht gegen den sogenannten Steuerschuldner (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG), sondern gegen den Entrichtungsschuldner zu richten hatte.
Dem FA stand demnach die Klägerin als primäre Entrichtungsschuldnerin gegenüber. Wenn sie die Steuerentrichtung einer zur Entgegennahme des Versicherungsentgelts Bevollmächtigten übertrug (§ 7 Abs. 1 Satz 4 VersStG), war es ihre Sache, diesen zu beaufsichtigen, und zwar unabhängig davon, ob der Bevollmächtigte selbständiger Kaufmann oder ihr Angestellter war. Denn anders als im Fall des § 7 Abs. 2 Satz 2 VersStG wird sie dadurch aus ihrer eigenen Entrichtungsschuld nicht entlassen.
Die Inanspruchnahme der Klägerin als Entrichtungsschuldnerin bedurfte keines besonderen Grundes (ein solcher muß nur bei der Inanspruchnahme des echten Haftungsschuldners vorliegen); daher sind ihre Einwände wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben, Verwirkung und falscher Ermessungsausübung unbegründet. Mag auch das Verhalten des FA mancherlei Bedenken begegnen, so hat es doch nur den Anträgen des Bevollmächtigten entsprochen, der zwar nicht namens der Klägerin, aber für diese gehandelt hat. Die Klägerin, in deren Belieben es stand, ob sie ihrem Agenten die Entrichtung der Steuer übertragen wollte oder nicht, muß sich dessen Verhalten zurechnen lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 70819 |
BStBl II 1974, 310 |
BFHE 1974, 359 |