Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsverfahren; Änderungsbescheid; Einspruchsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Ein während des Revisionsverfahrens ergangener Änderungsbescheid kann vom Kläger auch dann noch gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht werden, wenn der Kläger gegen den Änderungsbescheid zunächst Einspruch eingelegt und das FA bereits eine ―noch nicht bestandskräftige― Einspruchsentscheidung erlassen hat.
Orientierungssatz
1. Ein finanzgerichtliches Verfahren über einen Bescheid, der geändert worden ist, ist entsprechend § 74 FGO auszusetzen, wenn der Änderungsbescheid zunächst nur mit dem Einspruch angegriffen wird. Dies gilt jedoch nur, bis der Schwebezustand beseitigt ist (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
2. NV: Ein sofortiger Werbungskostenabzug für erhebliche Instandsetzungsaufwendungen und Modernisierungsaufwendungen scheidet aus, wenn diese im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem verbilligten Erwerb eines bebauten Grundstücks erbracht werden und das Gebäude dadurch über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wurde (vgl. BFH-Rechtsprechung). Aufwendungen zur Beseitigung versteckter Mängel können allerdings als Erhaltungsaufwand nach den allgemeinen Grundsätzen abgezogen werden, weil solche Mängel zu keiner Minderung des Kaufpreises geführt haben (vgl. BFH-Beschluß vom 22.8.1966 GrS 2/66).
3. NV: Die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen gemäß § 7b EStG setzt die Fertigstellung des Wohnobjekts voraus (vgl. BFH-Rechtsprechung). Das gilt auch bei der Anschaffung eines Gebäudes (vgl. Literatur).
Normenkette
EStG §§ 7b, 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 7; FGO §§ 68, 74, 123
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie erwarben zu Beginn des Streitjahres 1977 ein bebautes Grundstück. Der auf das Gebäude entfallende Kaufpreisanteil betrug 126 207 DM. Noch vor dem Bezug renovierten die Kläger das Haus, das sie 1981 für 650 000 DM wieder veräußerten. Im einzelnen fielen im Streitjahr 1977 Aufwendungen für den Dachdecker und Spengler in Höhe von 24 523,48 DM und für den Einbau von Schallschutzfenstern in Höhe von 10 000 DM an, wobei nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) in Höhe von 4 000 DM keine Gegenleistung erbracht wurde. Außerdem wurden Fenster- und Putzarbeiten für 2 000 DM vorgenommen und Leitungen für rd. 2 500 DM verlegt. Im Streitjahr 1978 wurden im wesentlichen Malerarbeiten für rd. 7 000 DM durchgeführt und eine Heizkörperverkleidung (rd. 1 500 DM) erneuert. Diese Aufwendungen machten die Kläger in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) rechnete sie jedoch den Herstellungskosten des Gebäudes zu. Die Einsprüche hatten insoweit Erfolg, als das FA für 1977 den anschaffungsnahen Aufwand auf den Betrag von 34 523 DM (für Dachdecker-, Spengler- und Schreinerarbeiten) ermäßigte und für 1978 den geltend gemachten Betrag von 9 166 DM zum sofortigen Werbungskostenabzug zuließ sowie einen Verlustrücktrag aus dem Jahre 1979 berücksichtigte. Im Klageverfahren machten die Kläger u.a. geltend, für die Dachdecker- und Spenglerarbeiten sei ein verdeckter Mangel des Gebäudes ursächlich geworden. Ähnliches gelte für die Schreinerarbeiten. Das FG gab der Klage statt; es begründete sein Urteil im wesentlichen entsprechend seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 497 veröffentlichten Entscheidung, die vom erkennenden Senat mit Urteil vom 11. August 1989 IX R 258/87 (nicht veröffentlicht ―NV―) aufgehoben wurde.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 7, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, 21 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Das FG sei von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen.
Nachdem das FA die angefochtenen Bescheide während des Revisionsverfahrens aus anderen Gründen geändert hat, haben die Kläger hiergegen Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 2.Oktober 1989 zurückgewiesen hat. Am 10.November 1989 haben sie beantragt, diese Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die während des Revisionsverfahrens geänderten Einkommensteuerbescheide. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Antrag nach § 68 FGO auch im Revisionsverfahren zulässig (vgl. § 123 Satz 2 FGO). Dem Antrag nach § 68 FGO steht nicht entgegen, daß die Kläger gegen die Änderungsbescheide zunächst Einspruch eingelegt hatten und das FA hierüber durch Einspruchsentscheidung entschieden hat. Zwar ist ein finanzgerichtliches Verfahren über einen Bescheid, der geändert worden ist, entsprechend § 74 FGO auszusetzen, wenn der Änderungsbescheid zunächst nur mit dem Einspruch angegriffen wird. Dies gilt jedoch nur, bis der Schwebezustand beseitigt ist (BFH-Beschluß vom 25.Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231, und BFH-Urteil vom 8.Oktober 1986 VIII R 78/82, BFHE 145, 106, BStBl II 1986, 302; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 68 Tz.28). Der Schwebezustand endet mit dem Abschluß des Verfahrens über den Änderungsbescheid. Er ist aber auch dann beendet, wenn der Änderungsbescheid nach Ergehen der Einspruchsentscheidung zum Gegenstand des Verfahrens über den ursprünglichen Bescheid gemacht wird. Das hält der Senat für zulässig. Zwar soll § 68 FGO dem Steuerpflichtigen in erster Linie die Durchführung eines weiteren außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ersparen (vgl. BFH-Beschluß vom 8.November 1971 GrS 9/70, BFHE 103, 549, BStBl II 1972, 219, und BFH-Urteil vom 20.November 1973 VII R 33/71, BFHE 111, 13, BStBl II 1974, 113, Ziff.2 der Gründe), was hier nicht mehr möglich ist. Es entspricht jedoch dem Sinn und Zweck dieser Regelung und der Prozeßökonomie, mehrere Verfahren über ein und denselben Veranlagungszeitraum betreffende Bescheide möglichst zu vermeiden. Ist der Rechtsstreit über den ursprünglichen Bescheid ―wie hier― schon in die Revisionsinstanz gelangt und der Sach- und Streitstand unverändert, erübrigt sich bei entsprechender Anwendung des § 68 FGO die Durchführung eines weiteren Klageverfahrens über den Änderungsbescheid und ggf. eines weiteren Revisionsverfahrens (a.A. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz.7462/1 mit Hinweis auf abweichende Praxis mancher FG).
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Antrag nach § 68 FGO auch insoweit unbefristet möglich ist. Denn die Kläger haben den Antrag innerhalb der Klagefrist gestellt.
Die Revision greift durch, weil das FG das Vorliegen anschaffungsnahen Aufwands mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint hat. Wie sich aus dem Urteil vom 11.August IX R 44/86, BFHE 158, 240 ergibt, hält der Senat an der ständigen BFH-Rechtsprechung fest, daß ein sofortiger Werbungskostenabzug für erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen ausscheidet, wenn diese im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem verbilligten Erwerb eines bebauten Grundstücks erbracht und das Gebäude dadurch über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wurde. Dabei ist wie im Falle des Senatsurteils vom 10.Februar 1985 IX R 114/83 (BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690) nicht entscheidungserheblich, ob die Aufwendungen bereits deshalb keine sofort abziehbaren Werbungskosten bilden, weil es sich um Nebenkosten der Anschaffung handelt, oder ob dem mit der bisherigen BFH-Rechtsprechung die Beurteilung als Herstellungsaufwand entgegensteht.
Hiernach kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht spruchreif. Abgesehen von der nicht zweifelsfreien Frage, ob die Kläger die für die Annahme von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erforderliche Absicht hatten, mit dem schon im Jahre 1981 wieder veräußerten Grundstück Einnahmeüberschüsse zu erzielen, bedarf es weiterer Feststellungen zum anschaffungsnahen Aufwand. Zur Prüfung der Frage, ob das Gebäude durch die Kläger mit verhältnismäßig hohen Aufwendungen von Grund auf modernisiert wurde, so daß sich sein Nutzungswert erheblich erhöht hat, sind alle im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb stehenden Instandsetzungsmaßnahmen ―außer laufendem Erhaltungsaufwand und Aufwendungen zur Beseitigung versteckter Mängel― zu berücksichtigen. Daher ist hinsichtlich des Umfangs der als anschaffungsnaher Aufwand in Betracht kommenden Maßnahmen zunächst zu prüfen, ob die in den Streitjahren 1977 und 1978 angefallenen Instandsetzungsaufwendungen insgesamt dazu gedient haben, das Haus bezugsfertig zu machen.
Allerdings kommt für die hier von den Klägern geltend gemachte Beseitigung versteckter Mängel mit der ständigen Rechtsprechung ein Abzug als Erhaltungsaufwand nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht, weil solche Mängel zu keiner Minderung des Kaufpreises geführt haben (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22.August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672). Das FG hat hierzu, von seinem Standpunkt aus zu Recht, noch keine Feststellungen getroffen.
Hinsichtlich der vergeblichen Aufwendungen für Schreinerarbeiten wird auf den Vorlagebeschluß des IV.Senats an den Großen Senat vom 26.Januar 1989 IV R 300/84 (BFHE 155, 552, BStBl II 1989, 411) hingewiesen.
Falls oder soweit das FG aufgrund der erneuten Prüfung des Falles wiederum zur Anerkennung sofort abziehbarer Werbungskosten gelangt, wird es ferner zu prüfen haben, ob das FA zutreffend erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG und Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs.4 EStG berücksichtigt hat. Handelt es sich um ein Einfamilienhaus, wovon die Einspruchsentscheidung für 1978 ausgeht, können nach § 21a Abs.3 Nr.2 EStG ab Beginn der Selbstnutzung (vgl. Senatsurteil vom 7.April 1987 IX R 140/84, BFHE 150, 16, BStBl II 1987, 567) nur erhöhte Absetzungen vom Grundbetrag abgesetzt werden. Die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen gemäß § 7b EStG setzt nach ständiger Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 11.März 1975 VIII R 23/70, BFHE 115, 449, BStBl II 1975, 659, und vom 13.Januar 1987 IX R 63/82, BFH/NV 1987, 570) die Fertigstellung des Wohnobjekts voraus. Das gilt auch bei Anschaffung eines Gebäudes (vgl. Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 13.Aufl., § 7b EStG Rz.282, und Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7b EStG Anm. 126 i.V.m. Anm.243 - E 104, 2.Abs. -). Die Frage bedarf insbesondere deshalb der Prüfung, weil das Haus nach der bisherigen Feststellung des FG erst Anfang 1979 bezogen wurde.
Gemäß § 126 Abs.3 Nr.2 FGO geht die nicht spruchreife Sache an das FGzurück, dem auch die Kostenentscheidung zu übertragen war (§ 143 Abs.2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 611175 |
BFH/NV 1991, 83 |
BStBl II 1990, 694 |
BFHE 160, 295 |
BFHE 1991, 295 |
BB 1990, 1694 |
BB 1990, 1694 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1990, 1702 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1990, 637 (Leitsatz und Gründe) |
NVwZ-RR 1991, 280 |