Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Grundstückshandel bei Verpflichtung zur Errichtung von Gebäuden auf verkauften Grundstücken
Leitsatz (NV)
Eine GbR, die ein unbebautes Grundstück erwirbt, das anschließend in zwei Grundstücke aufgeteilt wird, und die sich im Vertrag über den Verkauf der Grundstücke verpflichtet, darauf ein bzw. zwei Mehrfamilienhäuser schlüsselfertig zu errichten, betreibt einen gewerblichen Grundstückshandel und keine private Vermögensverwaltung. Dies gilt unabhängig davon, ob ihre Gesellschafter einen der Baubranche zuzurechnenden Beruf ausüben.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
Thüringer FG (EFG 1998, 1008) |
Tatbestand
Der während des Revisionsverfahrens verstorbene A als der ursprüngliche Kläger und Revisionskläger zu 1, der mit ihm verschwägerte Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) und eine im Baugewerbe tätige GmbH, die Klägerin und Revisionsklägerin zu 3 (Klägerin zu 3), waren Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Der Kläger und Revisionskläger zu 1 ist von seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen beerbt worden. Die Erben (Revisionskläger zu 1) haben den Rechtsstreit aufgenommen.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom … Mai 1992 erwarben A und der Kläger zu 2 von ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter ein Grundstück. Im April 1993 übertrugen sie gegen Zahlung eines Entgelts von … DM einen Miteigentumsanteil von 1/3 auf die Klägerin zu 3. Das Grundstück wurde ―unter anderem im Rahmen einer Flurbereinigung― in zwei Flurstücke aufgeteilt.
Mit notariell beurkundeten Verträgen vom … September 1993 veräußerten die Gesellschafter beide Grundstücke an die X-GmbH. Sie verpflichteten sich, auf dem Flurstück … "ein Wohnhaus mit insgesamt 9 Wohnungen, wie es aus der Baubeschreibung, mit Berechnung der Wohn- und Nutzflächen, den Bauzeichnungen und dem Lageplan hervorgeht," zu bauen. Das Objekt sollte spätestens am 30. September 1994 bezugsfertig sein. Als Kaufpreis wurde ein Festpreis vereinbart, der "die schlüsselfertige Errichtung des Hauses einschließlich der PKW-Abstellplätze sowie alle in Ziff. 1 beschriebenen Leistungen umfaßt". Der Kaufpreis betrug … DM. Dem Vertrag war die Baubeschreibung nebst Plänen beigefügt, die die Gesellschafter als Bauherrn ausweist. In der gleichen Weise verpflichteten sich die Gesellschafter, auf dem Flurstück … zwei Wohnhäuser mit insgesamt 18 Wohnungen zu errichten. Als Kaufpreis war ein Festpreis von … DM vereinbart.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 1993 erklärte die GbR sonstige Einkünfte (Spekulationsgewinn) in Höhe von … DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) stellte stattdessen in dem Bescheid vom 28. Juni 1995 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der erklärten Höhe fest. Den Einspruch wies er mit der Begründung als unzulässig zurück, dass er im Namen der GbR eingelegt und diese nicht beschwert sei, da sie nicht Subjekt der Einkommensbesteuerung sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es entschied, dass zwar die GbR, d.h. die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, einspruchs- und klagebefugt sei, weil sie sich gegen die Qualifikation bestimmter Einkünfte wende. Die Klage habe aber keinen Erfolg, weil die Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit die Voraussetzungen für eine gewerbliche Tätigkeit erfüllt hätten. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1008 veröffentlicht.
Die Kläger machen mit der Revision geltend, das FG habe § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) falsch ausgelegt und den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Sie haben zunächst beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Feststellungsbescheides statt der festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sonstige Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in gleicher Höhe für jeden Gesellschafter mit der Maßgabe festzustellen, dass der für den verstorbenen Gesellschafter A festzustellende Anteil gegen seine Rechtsnachfolger festgestellt wird, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung ―insbesondere zur weiteren Sachverhaltsaufklärung― an das FG zurückzuverweisen.
Sie haben diesen Antrag geändert und beantragen nunmehr, den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass kein Spekulationsgewinn und auch kein gewerblicher Gewinn festgestellt wird.
Zur Begründung des geänderten Antrags tragen sie vor, A und der Kläger zu 2 hätten das Grundstück unentgeltlich von der Mutter bzw. Schwiegermutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten, so dass auf den Anschaffungszeitpunkt durch diese abzustellen sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die zwischen A und den Klägern zu 2 und 3 bestehende GbR einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben und gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG) erzielt hat.
1. Eine Personengesellschaft erzielt nur dann gewerbliche Einkünfte, wenn ihre Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) betreiben; dies ist der Fall, wenn ihre Tätigkeit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt und sich nach den Umständen des Einzelfalles nicht als private Vermögensverwaltung darstellt (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762, unter C. III. 3. b aa; vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, 618, unter C. I.).
a) Die Tätigkeit der GbR hat die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Danach ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als andere selbständige Arbeit anzusehen ist.
aa) Die GbR ist nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden. Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie von der Absicht getragen wird, sie zu wiederholen; bei einer Mehrzahl von Handlungen ist die Nachhaltigkeit zu bejahen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1995 IV R 112/92, BFHE 180, 42, BStBl II 1996, 367, unter 1. c; vom 7. März 1996 IV R 2/92, BFHE 180, 121, BStBl II 1996, 369, unter I. 3.). Im Streitfall ist die GbR wiederholt tätig geworden, weil sie mit zwei Verträgen zwei Grundstücke mit Gewinnerzielungsabsicht veräußert hat. Sie hat sich außerdem zur Errichtung von drei Mehrfamilienhäusern und damit zur Erbringung einer Vielzahl von Handlungen verpflichtet, wie z.B. der Planung, der Einholung von behördlichen Genehmigungen und von Auftragsvergaben.
bb) Die GbR hat auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Für die dazu notwendige Beteiligung am allgemeinen Güter- und Leistungsaustausch ist nicht erforderlich, dass die Tätigkeit allgemein für das Publikum erkennbar ist; es genügt bereits die Erkennbarkeit für die beteiligten Kreise, ohne dass die Leistungen einer Mehrzahl von Interessenten angeboten werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 X R 39/88, BFHE 164, 53, BStBl II 1991, 631, m.w.N.).
b) Die Tätigkeit der GbR hat auch die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten.
aa) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nichtsteuerbaren Sphäre sowie den anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 bis 7 EStG) andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen (BFH-Beschlüsse in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, 618, unter C. I.; vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. II.). Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH-Beschluss in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617).
Zur Konkretisierung dieser Unterscheidung hat der BFH die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt. Sie besagt, dass kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Je geringer der Umfang von Anschaffungen und Veräußerungen sei, desto weniger sei anzunehmen, dass der Zweck der Vermögensmehrung durch Umschichtung (Ausnutzung substantieller Vermögenswerte) im Vordergrund stehe. Eine zahlenmäßige Begrenzung auf drei Wohneinheiten trage der gebotenen Vereinfachung Rechnung. Werden hingegen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs ―in der Regel fünf Jahre― zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, könne von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zuließen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankomme (BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135, und vom 11. März 1992 XI R 17/90, BFHE 167, 401, BStBl II 1992, 1007).
Soweit der X. Senat des BFH die Auffassung vertreten hat, dass die Drei-Objekt-Grenze nur für den reinen Handel und nicht auf Fälle der Veräußerung nach Bebauung anzuwenden sei (Vorlagebeschluss vom 29. Oktober 1997 X R 183/96, BFHE 184, 355, BStBl II 1998, 332), ist ihm der Große Senat des BFH nicht gefolgt. Er hat vielmehr entschieden, dass die Errichtung von Wohnobjekten auf dem eigenen Grundstück und deren Veräußerung nicht unabhängig von der als Indiz wirkenden Drei-Objekt-Grenze bereits wegen der Ähnlichkeit mit dem "Bild des produzierenden Bauunternehmers/Bauträgers" eine gewerbliche Tätigkeit darstelle. Es diene der gebotenen Rechtsvereinfachung und entspreche der gesetzgeberischen Grundentscheidung, private Veräußerungsgewinne unbesteuert zu lassen, wenn die Drei-Objekt-Grenze in der Regel auch in Fällen der Bebauung und des anschließenden Verkaufs angewendet werde. Bei der Bebauung eines eigenen Grundstücks zeige sich der Unterschied zwischen einem Bauträger und einem Bauherren, der die spätere Vermietung beabsichtige, nicht in der Bebauung, sondern erst im Verkauf; dann könne aber ―ebenso wie beim An- und Verkauf von Grundstücken― im Regelfall nur eine gewisse Anzahl von Verkäufen als Beweisanzeichen dafür geeignet sein, dass die Tätigkeit die Grenze zur Gewerblichkeit überschritten habe (BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 4.).
Der Große Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 jedoch betont, dass der Drei-Objekt-Grenze nur eine indizielle Bedeutung zukomme und auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen könnten. So könne beispielsweise auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden sei oder wenn ein solches Grundstück von vornherein auf Rechnung und nach Wünschen des Erwerbers bebaut werde (unter C. III. 5.).
bb) Danach ist im Streitfall die Entscheidung des FG, die GbR sei gewerblich tätig gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar hat die GbR die Drei-Objekt-Grenze nicht überschritten, weil sie nur zwei Grundstücke verkauft und nur drei Mehrfamilienhäuser errichtet und veräußert hat. In der Rechtsprechung des BFH ist anerkannt, dass Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze nicht nur Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen, sondern auch Mehrfamilienhäuser sind (BFH-Urteile vom 18. Mai 1999 I R 118/97, BFHE 188, 561, BStBl II 2000, 28; vom 15. März 2000 X R 130/97, BFHE 191, 360, BStBl II 2001, 530).
Aber es liegt der vom Großen Senat anerkannte Ausnahmefall vor, dass auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten der Schluss auf eine gewerbliche Tätigkeit zulässig ist, wenn das Grundstück bereits vor seiner Bebauung verkauft wird (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 5.). Die Errichtung der Mehrfamilienhäuser auf den verkauften Grundstücken indiziert ebenso wie die Errichtung von Gebäuden auf fremden Grundstücken die Gewerblichkeit (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 5.). Die Möglichkeit, dass diese Mehrfamilienhäuser für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung hergestellt werden, scheidet demnach aus. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob die Gesellschafter außerdem hauptberuflich einer Tätigkeit nachgehen bzw. nachgegangen sind, die der Baubranche zuzurechnen ist (vgl. auch Söffing, Der Betrieb 2002, 964, 968, unter III. 7. e).
Im Streitfall waren die Gebäude bei Abschluss der beiden notariellen Kaufverträge über die Grundstücke noch nicht fertiggestellt und die GbR hatte sich in den Grundstückskaufverträgen zur schlüsselfertigen Errichtung der insgesamt drei Mehrfamilienhäuser mit 27 Wohneinheiten verpflichtet. Nach den Feststellungen des FG war die GbR auch von Anbeginn an mit Verkaufsabsicht tätig geworden. Dies war im Klageverfahren unstreitig. Die Kläger haben in der Klageschrift selbst vorgetragen, Zweck der Gesellschaft sei die Bebauung der Grundstücke mit Mehrfamilienhäusern und die Veräußerung gewesen und die Gesellschaft habe sich nach Erreichen des Gesellschaftszwecks zum 31. Dezember 1994 aufgelöst. Es war entgegen der Rüge der Revision nicht verfahrensfehlerhaft, dass das FG dieses Vorbringen seiner Entscheidung ohne weitere Nachfrage zugrunde gelegt hat. Denn das Vorbringen der Kläger war in sich stimmig und enthielt keine Widersprüche, denen das Gericht durch weitere Sachverhaltsaufklärung hätte nachgehen müssen. Aus diesem Grund ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden und kann nicht berücksichtigen, dass die Kläger den Sachverhalt im Revisionsverfahren anders darstellen als sie es im Klageverfahren getan haben.
2. Da die GbR gewerbliche Einkünfte erzielt und die Revision deshalb keinen Erfolg hat, braucht der Senat auf die erstmals im Revisionsverfahren vertretene Auffassung der Kläger, dass der festgestellte Gewinn von … DM entgegen den eigenen Angaben der Kläger in der Feststellungserklärung auch kein Spekulationsgewinn sei, nicht einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 848077 |
BFH/NV 2002, 1586 |
ZfIR 2003, 43 |
KÖSDI 2003, 13561 |