Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisibilität einer Zuständigkeitsverordnung eines Landesfinanzministers
Leitsatz (NV)
1. Die Begrenzung der Revisibilität durch § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO berührt nicht die Zulässigkeit der Revision.
2. Auch wenn zur Auslegung von Landesrecht Rechtssätze des Bundesrechts herangezogen werden, führt dies nicht dazu, daß revisibles Bundesrecht angewendet wird.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 1 S. 1; ZPO § 562
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) -- ein eingetragener Verein -- verfolgt nach seiner Satzung gemeinnützige Zwecke. In den Jahren 1984 bis 1986 fand bei ihm eine Außenprüfung für die Zeit vom 1. Januar 1974 bis 1. Januar 1983 statt. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen wurden dem Kläger für den Prüfungszeitraum die Steuervergünstigungen für gemeinnützige Körperschaften versagt und Steuernachforderungen in erheblicher Höhe gegen ihn geltend gemacht. Am 14. November 1989 ordnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Großbetriebsprüfung ... -- FA --) unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Anschlußaußenprüfung an. Die Prüfung soll die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1983 bis 1987, die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den Beginn der Jahre 1984 bis 1988 und die Vermögensteuer 1984 bis 1988 umfassen. Die Erweiterung der Außenprüfung auf die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1983 und 1984, die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den Beginn der Jahre 1984 und 1985 sowie die Vermögensteuer 1984 und 1985 begründete das FA in der betreffenden Prüfungsanordnung mit der Erwartung, es sei mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen, da der Kläger nach den Feststellungen der Vorprüfung auch in den Jahren 1983 und 1984 der X Spendenmittel zugewandt habe und zu klären sei, ob ihm deshalb wie in den Vorjahren die Steuervergünstigungen für gemeinnützige Körperschaften zu versagen seien. Am 5. Dezember 1989 teilte das FA dem Kläger ergänzend mit, soweit sich die Prüfung auf den ideellen Bereich und die vermögensverwaltenden Tätigkeiten erstrecken solle, sei § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 Rechtsgrundlage der Prüfungsanordnungen.
Der Kläger legte erfolglos Beschwerde ein.
Die Klage, mit der er die Aufhebung der Prüfungsanordnungen in Gestalt der Beschwerdeentscheidung begehrte, war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, die Prüfungsanordnungen seien rechtswidrig, da das FA nach der Verordnung des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen über die Zuständigkeiten der Finanzämter vom 16. Dezember 1987 (BStBl I 1988, 47) -- künftig: Zuständigkeitsverordnung -- für den Erlaß der Prüfungsanordnungen nicht sachlich zuständig gewesen sei. Das FG-Urteil sei auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 459 veröffentlicht.
Das FA macht mit der vom FG zugelassenen Revision sinngemäß geltend, die Entscheidung des FG beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des § 193 AO 1977 i. V. m. der Zuständigkeitsverordnung.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Klägers genügt die Revisionsbegründung auch hinsichtlich der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Begrenzung der Revisibilität durch § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO berührt nicht die Zulässigkeit der Revision; die Revisibilität der angeblich verletzten Rechtsnorm(en) ist nur eine Voraussetzung für die Begründetheit der Revision (s. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Oktober 1971 II R 104/70, BFHE 103, 541, BStBl II 1972, 183; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 118 Anm. 14; Albers in Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl., 1997, § 549 Rdnr. 4).
2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Es beruht lediglich auf der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsverordnung, die nicht revisibles Landesrecht ist.
Das FG hat die Prüfungsanordnungen und die zugehörige Beschwerdeentscheidung mit der Begründung aufgehoben, das FA sei nach § 1 Abs. 3 i. V. m. der Anlage 3 lfd. Nr. 2.6 der Zuständigkeitsverordnung für den Erlaß der Prüfungsanordnungen sachlich nicht zuständig gewesen. Es hat dies aus Wortlaut und Sinn und Zweck der Zuständigkeitsregelung in § 1 Abs. 3 i. V. m. der Anlage 3 lfd. Nr. 2.6 der Zuständigkeitsverordnung und aus den für die Aus legung von Zuständigkeitsregelungen geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet. Die Zuständigkeitsverordnung ist nicht revisibles Landesrecht (§ 155 FGO i. V. m. § 562 der Zivilprozeßordnung; s. BFH-Beschluß vom 2. März 1982 VII B148/81, BFHE 135, 169, BStBl II 1982, 327; BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 16/90, BFHE 165, 466, BStBl II 1992, 132, m. w. N.; Gräber/Ruban, a. a. O., § 118 Anm. 11). Auch wenn zur Auslegung von Landesrecht Rechtssätze des Bundesrechts -- im Streitfall: der AO 1977, des Aktiengesetzes und des Gewerbesteuergesetzes -- herangezogen werden, führt dies nicht dazu, daß revisibles Bundesrecht angewendet wird (s. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. März 1986 7 B 35/86, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1986, 739).
Dem erkennenden Senat ist es daher verwehrt, die Richtigkeit der Auslegung der Zuständigkeitsverordnung durch das FG zu überprüfen und dessen Auslegung aufgrund einer etwaigen abweichenden eigenen Auslegung zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 421912 |
BFH/NV 1997, 577 |