Leitsatz (amtlich)
Überführt ein Steuerpflichtiger ein Wirtschaftsgut aus seinem gewerblichen Betriebsvermögen in das Betriebsvermögen seines landwirtschaftlichen Betriebs, dessen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt wird, so stellt dieser Vorgang keine Entnahme dar und kann deshalb nicht die Besteuerung der in dem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven auslösen.
Orientierungssatz
Von einer Veränderung der einkommensteuerrechtlichen Zuordnung eines Wirtschaftsguts i.S. des Beschlusses des Großen Senats vom 7.10.1974 GrS 1/73 kann nur dann gesprochen werden, wenn die Handlung bzw. der Rechtsvorgang unmittelbar eine Gestaltung herbeiführt, bei der die spätere einkommensteuerrechtliche Erfassung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist. Die bloße Herbeiführung einer Lage, die in Verbindung mit möglichen weiteren erst späteren Entwicklungen eine Gefährdung der einkommensteuerlichen Erfaßbarkeit der stillen Reserven nach sich ziehen könnte, reicht hierfür nicht aus.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4, §§ 13a, 5
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 09.08.1983; Aktenzeichen II 136/81) |
Tatbestand
Der verstorbene Ehemann der Revisionsbeklagten (Kläger) war als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. In der Zeit vom 1.August 1973 bis 30.Juni 1976 hatte der Kläger vier Hallen und verschiedene Betriebsvorrichtungen, die bis dahin zum Betriebsvermögen des buchführenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers gehört hatten, an die KG verpachtet. Diese Wirtschaftsgüter wurden als Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der KG zum Buchwert aktiviert. Zum 30.Juni 1976 (Streitjahr) wurden diese Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen wieder in das Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers überführt und dort wieder zum Buchwert bilanziert.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat aufgrund einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung die Auffassung, bei der Überführung der Wirtschaftsgüter in das land- und forstwirtschaftliche Betriebsvermögen des Klägers seien die stillen Reserven, die mit 60 000 DM ermittelt wurden, aufzudecken und zu versteuern. Er erließ dementsprechend einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1976. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es erhöhte den Verlust des Klägers aus der Beteiligung an der KG um 60 000 DM. Zur Begründung seines in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 130 veröffentlichten Urteils führte es im wesentlichen aus, daß in der Rücküberführung der verpachteten Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der KG in das Betriebsvermögen seines eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs keine Entnahme i.S. des § 4 Abs.1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gesehen werden könne, weil die spätere Erfassung der stillen Reserven gewährleistet sei.
Mit der Revision macht das FA geltend, die Vorentscheidung widerspreche dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.März 1967 IV 72/65 (BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318) sowie dem darauf beruhenden Abschn.13a Abs.1 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR). Dieses Urteil sei durch den sog.Strukturwandelbeschluß des Großen Senats vom 7.Oktober 1974 GrS 1/73 (BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168) entgegen der Auffassung des FG nicht überholt. Das FA sehe Schwierigkeiten, die in dem bisherigen Sonderbetriebsvermögen ruhenden stillen Reserven in dem Falle zu erfassen, wenn der land- und forstwirtschaftliche Betrieb des Klägers von der Buchführung zu Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) übergehe und etwa 20 Jahre später aufgegeben werde. Auch könnten die stillen Reserven mit Wirkung für die Gewerbesteuer nicht mehr erfaßt werden. Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Revisionsbeklagte beantragt die Zurückweisung der Revision, hilfsweise nur die stillen Reserven zu erfassen, die während der Zeit der Zugehörigkeit der verpachteten Wirtschaftsgüter zum Sonderbetriebsvermögen bei der KG entstanden seien. Deren Wert werde mit 18 000 DM beziffert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Es kann auf sich beruhen, ob die Auffassung des Klägers zutrifft, wonach die verpachteten Gegenstände nie dessen Sonderbetriebsvermögen im Bereich des gewerblichen Betriebs der KG geworden sind. Denn auch wenn diese Wirtschaftsgüter jenem Sonderbetriebsvermögen zuzurechnen waren, wovon zunächst alle Betroffenen ausgegangen sind, wäre durch deren Rücküberführung in das Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers keine Gewinnrealisierung eingetreten.
Als Rechtsgrundlage für die vom FA vorgenommene Aufdeckung der stillen Reserven könnte nach Sachlage allenfalls eine Entnahme in Betracht kommen. Der Kläger hat indes einen Entnahmetatbestand nicht verwirklicht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt keine Entnahme vor, wenn ein Wirtschaftsgut innerhalb des betrieblichen Bereichs eines Steuerpflichtigen von einem Betrieb oder Betriebsteil in einen anderen übergeht und dabei eine spätere steuerliche Erfassung der im Buchansatz für dieses Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven gewährleistet ist (Beschluß des Großen Senats in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168 m.w.N.).
Die Überführung der oben genannten Wirtschaftsgüter in den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers änderte an der einkommensteuerrechtlichen Erfaßbarkeit der in diesen Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven nichts. Denn die Wirtschaftsgüter wurden in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb überführt, bei dem im Rahmen der Gewinnermittlung der Wert des Grund und Bodens jedenfalls im Streitjahr und in den Folgejahren mit einzubeziehen war.
Der Hinweis des FA auf Abschn.13a EStR und die dort zitierte Rechtsprechung kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Abschn.13a Abs.1 Satz 4 EStR in der für das Streitjahr geltenden Fassung nimmt Bezug auf das Urteil in BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318. Diesem Urteil lag das EStG in der im Jahre 1961 geltenden Fassung zugrunde, wonach der Wert des Grund und Bodens bei der Ermittlung land- und forstwirtschaftlicher Gewinne außer Ansatz blieb. Durch die Einbeziehung des Grund und Bodens in die Gewinnermittlung der bilanzierenden Land- und Forstwirte (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 11.Mai 1970 1 BvL 17/67, BGBl I 1970, 1145) ist dieser Entscheidung die Grundlage entzogen.
Dahinstehen kann die Frage, ob der Kläger --wie das FA meint-- die Möglichkeit hatte, die im Grund und Boden ruhenden stillen Reserven in einem der Folgejahre durch einen Übergang zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) der einkommensteuerlichen Erfaßbarkeit (Verstrickung) zu entziehen. Denn von einer Veränderung der einkommensteuerrechtlichen Zuordnung eines Wirtschaftsguts i.S. der Rechtsprechung des Großen Senats (BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168) kann nur dann gesprochen werden, wenn die Handlung bzw. der Rechtsvorgang unmittelbar eine Gestaltung herbeigeführt, bei der die spätere einkommensteuerrechtliche Erfassung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist. Die bloße Herbeiführung einer Lage, die in Verbindung mit möglichen weiteren erst späteren Entwicklungen eine Gefährdung der einkommensteuerlichen Erfaßbarkeit der stillen Reserven nach sich ziehen könnte, reicht hierfür nicht aus.
Daß dies so ist, erweist u.a. die ständige Rechtsprechung des BFH, wonach nicht jede Verbringung eines Wirtschaftsguts von einer inländischen in eine ausländische Betriebstätte die Aufdeckung der stillen Reserven nach sich zieht, sondern nur die Verbringung eines Wirtschaftsguts in eine Betriebstätte in einen Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat, sofern dieses Abkommen den ausländischen Betriebstättengewinn von der deutschen Besteuerung freistellt. Das Ausscheiden der stillen Reserven aus dem deutschen einkommensteuerlichen Bereich bleibt möglich, wenn das Wirtschaftsgut bei unbeschränkter Steuerpflicht des Betriebsinhabers in einen "Nicht-DBA- Staat" verbracht wird und die Bundesrepublik zeitlich danach mit diesem Staat ein DBA abschließt (vgl. Urteil des Senats vom 16.Dezember 1975 VIII R 3/74, BFHE 117, 563, BStBl II 1976, 246). Das Einkommensteuerrecht kennt keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, daß stille Reserven stets aufzudecken sind, wenn ein Wirtschaftsgut nicht mehr in die Gewinnermittlung einzubeziehen ist (Urteil vom 10.Februar 1972 I R 205/66, BFHE 105, 15, BStBl II 1972, 455, sowie Urteil in BFHE 117, 563, BStBl II 1976, 246).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil möglicherweise die in den verpachteten Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven bei der Gewerbesteuer nicht mehr erfaßbar sein werden. Offenbleiben mag dabei, ob und inwieweit ganz allgemein Rechtswirkungen im Bereich anderer Steuerarten auf die einkommensteuerrechtliche Beurteilung einwirken können. Denn nach dem Rechtsgedanken der sog. finalen Entnahmebetrachtung kann für die Auslegung des Entnahmebegriffs nur auf das Einkommensteuerrecht abgestellt werden. Dieser Betrachtung, wie sie im Ansatz erstmals im Urteil in BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318 entwickelt wurde, liegt die Überlegung zugrunde, daß im Einkommensteuerrecht grundsätzlich die in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ruhenden stillen Reserven in der Regel irgendwann einmal, letztendlich bei einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe, zu versteuern sein werden und daß sie dieser zwingenden einkommensteuerrechtlichen Erfaßbarkeit --abgesehen von einer faktischen Steuerfreiheit im Zuge der Aufzehrung des Betriebsvermögens durch Verluste-- nicht entzogen werden sollen. Dieser Grundsatz gilt indes nur für den Bereich der Einkommensteuer. Für die Gewerbesteuer erfährt er Einschränkungen. Zwar werden die in einem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven bei der Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts für private Zwecke bei der Ermittlung des Gewerbeertrags erfaßt. Sie bleiben indes bei einer Beendigung der gewerblichen Tätigkeit gewerbesteuerrechtlich außer Ansatz (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 9.Dezember 1986 VIII R 26/80, BFHE 148, 524, BStBl II 1987, 342; vom 29.Oktober 1987 IV R 93/85, BFHE 151, 181, BStBl II 1988, 374, und vom 14.April 1988 IV R 271/84, BFHE 153, 125). Angesichts dieser selbst für den Bereich der Gewerbesteuer nur lückenhaften Erfaßbarkeit stiller Reserven, erscheint es nicht gerechtfertigt, die finale Auslegung des Entnahmebegriffs noch dahingehend zu erweitern, daß ein Ausscheiden stiller Reserven nur aus dem gewerbesteuerrechtlichen Bereich Gewinnrealisierung mit Wirkung für die Einkommensteuer auslöst.
Fundstellen
Haufe-Index 62030 |
BFH/NV 1988, 2 |
BStBl II 1989, 187 |
BFHE 154, 309 |
BFHE 1989, 309 |
BB 1989, 127-128 (LT1) |
DB 1988, 2545 (KT) |
DStR 1988, 780 (KT) |
HFR 1989, 127 (LT) |
WPg 1989, 237-238 (ST) |
StRK, BetrVerm R.43 (LT) |
FR 1988, 671 (KT) |
Information StW 1989, 62 (T) |
NWB, Fach 3 7011 (10/1989) (T) |
RWP 1989, 1177 SG 1.3 2825 (KT) |
StEL 1988, 54-57 (LT) |