Leitsatz (amtlich)
Die für einen Omnibus gewährte Investitionszulage ist zurückzuzahlen, wenn der Omnibus vor Ablauf von drei Jahren seit der Anschaffung mehrere Monate lang nach Westdeutschland verschartert wird.
Normenkette
BHG 1962 § 21 Abs. 2 S. 1; BerlinFG § 19 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Bus drei Jahre im Betrieb des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) verblieben ist.
Der Kläger unterhält einen Omnibus-Reisedienst in Berlin (West). Im September 1962 schaffte er einen Linienbus an, für den er Investitionszulage beantragte und erhielt. Diesen Bus vermietete er bis Ende 1964 der Berliner Verkehrsgesellschaft. Vom 1. November 1964 verscharterte er ihn nach Westdeutschland. Als der Beklagte und Revisionskläger (FA) hiervon erfuhr, forderte er die dem Kläger für den Bus gewährte Investitionszulage zurück, weil der Bus entgegen der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 BHG 1962 nicht drei Jahre in Berlin (West) verblieben sei.
Während der Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen wurde, hatte seine Klage Erfolg.
Das FG begründete seine Entscheidung wie folgt: Der BFH habe mehrfach das Verbleiben eines Wirtschaftsguts in einem Betrieb in Berlin (West) auch dann noch angenommen, wenn es außerhalb Berlins (West) eingesetzt worden sei. So habe er die von einem Unternehmen in Berlin (West) an westdeutsche Betriebe vermietete Kostüme und Requisiten für Theater, Film und Fernsehen im nicht veröffentlichten Urteil vom 2. November 1966 I R 132/66 als in Berlin (West) verblieben behandelt. Es genüge daher, wenn das angeschaffte Wirtschaftsgut wirtschaftlich zum Betriebsvermögen des Berliner Betriebs gehöre. Für derartige Betriebe biete Berlin (West) nur begrenzte Möglichkeiten. Es dürfe dem Kläger daher nicht zum Nachteil gereichen, wenn er den Bus außerhalb von Berlin (West) einsetzt. Es reiche aus, daß der Bus in Berlin (West) polizeilich gemeldet geblieben, daß er von einem Arbeitnehmer des Klägers gefahren worden und daß der Bus zu Reparaturarbeiten nach Berlin (West) zurückgeholt worden sei.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA mit folgender Begründung: Der gesetzliche Begriff des "Verbleibens" erfordere neben der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen eines Betriebs in Berlin (West) die dreijährige räumliche Bindung an den Betrieb. Der BFH habe im Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 257/67 (BFHE 92, 390, BStBl II 1968, 569) ausdrücklich festgestellt, daß der Begriff des "Verbleibens" nur als räumliche Bindung an einen Betrieb in Berlin (West) aufzufassen sei und daß die Standortverlegung eines Kraftfahrzeuges die räumliche Bindung aufhebe. Durch den anhaltenden Einsatz des Fahrzeugs außerhalb von Berlin (West) werde die Produktionskraft der Stadt nicht gestärkt. Dies aber sei der alleinige Zweck des Berlinhilfegesetzes. In Ausnahmefällen habe der BFH zwar das Verbleiben der Wirtschaftsgüter trotz räumlicher Trennung vom Betrieb in Berlin (West) anerkannt. Ein solcher Ausnahmefall liege jedoch nicht vor.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.
Das FA war entgegen der Entscheidung des FG nach § 21 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BHG 1962 befugt, die dem Kläger für den Linienbus gewährte Investitionszulage zurückzufordern, weil der Bus nicht während dreier Jahre nach seiner Anschaffung im Betrieb des Klägers verblieben ist.
Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 2 BHG 1962 (§ 19 Abs. 2 BerlinFG) genügt die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen des Betriebs in Berlin (West) für sich allein nicht. Das Wirtschaftsgut muß auch im Betrieb in Berlin (West) verbleiben (vgl. Urteil des BFH VI R 257/67). Sinn und Zweck des Gesetzes erfordern, daß das Wirtschaftsgut, dessen Anschaffung oder Herstellung gefördert wird, in Berlin (West) eingesetzt wird, damit die Wirtschaft in Berlin (West) durch den Einsatz moderner Maschinen und Betriebsmittel konkurenzfähig bleibt. Nicht notwendig ist, daß die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter im anschaffenden oder herstellenden Betrieb verbleiben (vgl. Urteil des BFH vom 24. Mai 1968 VI R 46/68, BFHE 92, 396, BStBl II 1968, 573). Daher können auch Betriebe, welche Gegenstände ihres Anlagevermögens vermieten oder verchartern, für die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter Investitionszulage erhalten. Der Zweck des Gesetzes und sein Wortlaut machen es aber erforderlich, daß diese Wirtschaftsgüter in Berlin (West) eingesetzt werden. Nach Sinn und Zweck der Investitionszulage sollen auch die vermieteten oder vercharterten Wirtschaftsgüter durch ihren Einsatz in Berlin (West) zur Festigung der Wirtschaft in Berlin (West) beitragen. Die Besonderheit der Kraftfahrzeuge läßt allerdings einen ausschließlichen Einsatz in Berlin (West) nicht immer zu. Daher geht die Rechtsprechung des BFH von der Annahme aus, daß Kraftfahrzeuge im Betrieb in Berlin (West) "verbleiben", wenn sie überwiegend dem Verkehr von und nach Berlin dienen (vgl. Urteil des BFH vom 20. November 1970 VI R 205/69, BFHE 101, 459, BStBl II 1971, 314). In dieser Form ist der Bus aber nicht eingesetzt worden. Daß der Kläger ihn vercharterte und nicht selbst in Westdeutschland einsetzte, ist daher unerheblich.
Demgegenüber kann sich der Kläger nicht darauf berufen, daß der BFH in einigen Fällen nicht so strenge Maßstäbe an die räumliche Verbundenheit des Wirtschaftsguts mit einem Betrieb in Berlin (West) angelegt habe. Hierbei handelt es sich um Ausnahmefälle, die einer strengeren Beurteilung im Regelfall nicht entgegenstehen (vgl. Urteil des BFH vom 20. November 1970 VI R 151/69, BFHE 100, 558, BStBl II 1971, 155, betreffend Verbleiben eines Ausstellungsbusses, und nicht veröffentlichtes Urteil vom 2. November 1966 I R 132/66 betreffend Verbleiben von Theaterrequisiten in Betrieben in Berlin (West). Da die Vorentscheidung mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang steht, muß sie aufgehoben werden. Die Sache ist zur Entscheidung reif. Der Kläger hat den Linienbus vor Ablauf der Dreijahresfrist während einer Reihe von Monaten zum ausschließlichen Einsatz in Westdeutschland verchartert. Damit ist die Bedingung zum Verbleib der ausgezahlten Investitionszulage nach § 21 Abs. 2 BHG 1962 weggefallen. Das FA hat daher die Investitionszulage zu Recht nach § 21 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BHG 1962 zurückgefordert.
Fundstellen
Haufe-Index 70960 |
BStBl II 1974, 559 |
BFHE 1974, 442 |