Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
über die Möglichkeit und die Voraussetzungen von Unternehmereinheiten zwischen Rechtspersonen sowie zwischen Rechtspersonen und Personengesellschaften.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1-2
Tatbestand
Zwei Kommanditgesellschaften (KGn.) waren Betriebsgesellschaften einer Verwaltungsgesellschaft, die ebenfalls in Form einer KG geführt wurde. Bei den Betriebsgesellschaften waren die gleichen Personen die persönlich haftenden Gesellschafter. Es lag außerdem gleiche Beteiligung und einheitliche Willensbildung vor. Ohne änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse wurden die beiden Betriebsgesellschaften in KGn. a. A. umgewandelt. Die persönlich haftenden Gesellschafter der KG a. A. waren dieselben wie bei der KG, an den Beteiligungsverhältnissen änderte sich nichts, ebensowenig an der einheitlichen Leitung durch die beiden persönlich haftenden Gesellschafter. Das Finanzamt hatte bis zur Umgründung Unternehmereinheit zwischen den beiden Betriebsgesellschaften angenommen. Nach der Umgründung zog das Finanzamt die Umsätze zwischen den beiden Betriebsgesellschaften zur Umsatzsteuer heran und begründete die Steuerforderung damit, daß die Kommanditgesellschaften a. A. Organe der Verwaltungsgesellschaft und die Umsätze zwischen den Kommanditgesellschaften a. A. nunmehr nach dem Kontrollratsgesetz (KontrRG) Nr. 15 Artikel II umsatzsteuerpflichtig seien.
Entscheidungsgründe
Die Sprungberufung blieb erfolglos, der Rechtsbeschwerde (Rb.) war stattzugeben. Das Finanzgericht geht davon aus, daß die Umsätze auf Grund von § 2 Absatz 2 Ziffer 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bis zur Umgründung steuerfrei gewesen seien, und schließt daraus, daß die Umsätze nach der erfolgten Umgründung der Betriebsgesellschaften in juristische Personen auf Grund des KontrRG Nr. 15 und seiner wirtschaftspolitischen Zielsetzung unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Organtheorie zu beurteilen sind.
Die Gesetzesvorschrift in § 2 Absatz 2 Ziffer 1 UStG hat mit der in § 2 Absatz 2 Ziffer 2 geregelten Organschaft, die sich nur auf Rechtspersonen erstreckt, keinen Zusammenhang. Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß gewisse bei der Organtheorie angewandte Auslegungsregeln auch bei der Vorschrift des § 2 Absatz 2 Ziffer 1 zu beachten sind und beiden Vorschriften gemeinsam ist, daß ein Eingliederungsverhältnis bestehen muß. Diese Auffassung wird von dem vom Finanzgericht angeführten Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs vom 23. Mai 1949 II 20/48 = Steuerrechtskartei, UStG § 2 Absatz 2 Ziffer 1 Rechtspr. 1, vertreten, das an Hand der Entstehungsgeschichte der Gesetzesvorschriften den jetzigen Rechtszustand zusammenfaßt und betont, daß § 2 Absatz 2 UStG zwei ganz verschiedene Regelungen enthält. Nach diesem Urteil erstreckt sich das KontrRG Nr. 15 auch nicht auf die Vorschrift in § 2 Absatz 2 Ziffer 1, läßt diese vielmehr völlig unberührt. Hiernach können auf Grund des KontrRG Nr. 15 aus der Beurteilung der unter § 2 Absatz 2 Ziffer 1 UStG fallenden Fälle nicht irgendwelche Schlüsse für die Beurteilung solcher Fälle gezogen werden, die unter § 2 Absatz 2 Ziffer 2 fallen, wie es das Finanzgericht tut.
Im übrigen braucht auf diese Frage nicht näher eingegangen zu werden. Denn hier ist allein entscheidend, ob zwischen den beiden Betriebsgesellschaften auch nach der Umgründung in juristische Personen Unternehmereinheit weiterbesteht, von der das Finanzamt bis zur Umgründung ausgegangen ist. Zutreffend hebt das Finanzgericht den grundsätzlichen rechtlichen Unterschied zwischen Unternehmereinheit und der von ihm angenommenen Organschaft hervor. Er liegt darin begründet, daß Unternehmereinheit zwar auch ein Verhältnis der Eingliederung, aber nicht ein solches der über- und Unterordnung, sondern der Nebenordnung, der Gleichordnung, voraussetzt. Die Unternehmereinheit hat ihre gesetzliche Stütze in § 2 Absatz 1 Satz 2 UStG, wonach das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers umfaßt. Dieser grundlegenden Vorschrift wird durch die Vorschrift in § 11 Absatz 1 UStG über die Veranlagung des Unternehmers entsprochen. Danach ist bei der Berechnung der Steuer vom Gesamtbetrag der Entgelte auszugehen, die der Unternehmer im Laufe eines Kalenderjahres für seine Umsätze vereinnahmt hat. Hat der Unternehmer mehrere Betriebe, so sind die in allen Betrieben vereinnahmten Entgelte zusammenzurechnen. Diese Vorschrift in § 11 Absatz 1 findet nach § 13 Absatz 1 UStG letzter Satz auf die Voranmeldung und Vorauszahlung entsprechende Anwendung. Auch bei diesen sind also, wenn der Unternehmer mehrere Betriebe hat, die in allen Betrieben vereinnahmten Entgelte zusammenzurechnen. Dieser in §§ 11, 13 UStG vorgeschriebenen einheitlichen Veranlagung des Unternehmers trägt die Regelung der Zuständigkeit in § 73 Absatz 4 letzter Satz der Reichsabgabenordnung (AO) Rechnung. Die in diesen Vorschriften verankerte sogenannte Einheitstheorie ist eines der Kernstücke des Umsatzsteuerrechts. Wenn auch der Grundsatz von der Einheit der Betriebe eines Unternehmens zunächst im Gesetz nicht ausgesprochen war, wurde er doch aus dem Aufbau des Gesetzes abgeleitet, und zwar in Anlehnung an das Preußische Gewerbesteuergesetz. Allerdings kam die Einheitstheorie bis zum Umsatzsteuergesetz 1934 nur dadurch zum Ausdruck, daß die Entgelte zusammengerechnet wurden, ohne daß damit unmittelbar die Einheit selbst zum Ausdruck kam, die nur in der Person des Unternehmers liegt und liegen kann, von dem die Umsätze getätigt werden. Deshalb wurde bei der Neugestaltung des Umsatzsteuergesetzes 1934 die Einheitstheorie nicht nur objektiv hinsichtlich der Zusammenzählung der Umsätze der einzelnen Betriebe festgelegt, sondern auch subjektiv in der Blickrichtung auf den Unternehmer selbst. Daher spricht auch die Begründung zu § 2 Absatz 1 UStG (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1934 S. 1550) aus: "Die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers bildet sein Unternehmen. Dem Unternehmer entspricht das Unternehmen. Ein Unternehmer kann deshalb zwar mehrere Betriebe, aber nur ein Unternehmen haben. Die mehreren Betriebe bilden das Unternehmen des Unternehmers." Diese ausdrückliche gesetzliche Festlegung der Unternehmereinheit entsprach der langjährigen Verwaltungsübung und der Rechtsprechung, sie wurde ebenso bei der Steuerreform 1934 in das Gesetz eingefügt, wie die vorerwähnte Organtheorie in § 2 Absatz 2 Ziffer 2 UStG, die zuerst von der Rechtsprechung entwickelt und erst allmählich von der Verwaltung übernommen worden war. Wie schon erwähnt, sind beide Fälle, der der Unternehmereinheit und der der Organschaft, rechtlich völlig voneinander verschieden und daher auch bei der Aufnahme in das Gesetz verschieden geregelt worden (vgl. hierzu auch Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs vom 29. Oktober 1949 II 17/49 Steuerrechtskartei, UStG § 2 Absatz 1 Rechtspr. 6).
Zur Unternehmereinheit hat die Rechtsprechung (vgl. die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs vom 8. Juni 1934 V A 581/33 Slg. Bd. 36 S. 214 = RStBl. 1934 S. 1486, und vom 11. Oktober 1940 V 202/39 = Slg. Bd. 49 S. 250 = RStBl. 1940 S. 982) ständig dahin Stellung genommen, daß Gesellschaften, die bürgerlich-rechtlich verschiedene Rechtsgebilde sind, umsatzsteuerrechtlich als ein Unternehmer, ihre Betriebe zusammen als ein Unternehmen anzusehen sind, unter der Voraussetzung, daß an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter in demselben Verhältnis beteiligt sind, und daß die Willensbildung bei allen Gesellschaften einheitlich ist. Auf die strenge Beachtung dieser Voraussetzungen bei Annahme einer Unternehmereinheit hat das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. Dezember 1941 V 68/41 = Slg. Bd. 51 S. 170 RStBl. 1942 S. 383, nochmals nachdrücklich hingewiesen, weil nur so den vorstehend entwickelten Grundgedanken des Gesetzes entsprochen wird. Mit Rücksicht darauf, daß die Urteile des Reichsfinanzhofs sich in den zu entscheidenden Fällen mit der Unternehmereinheit von Personengesellschaften zu befassen hatten, ist im Schrifttum die Frage gestellt und verschieden beantwortet worden, ob Unternehmereinheit auch möglich ist zwischen Rechtspersonen und zwischen Rechtspersonen und Personengesellschaften. Da einer der Grundsätze des Umsatzsteuerrechts der ist, daß entsprechend dem Wesen der Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer jedes Gebilde, das sich im Wirtschaftsleben betätigt, Träger der Rechte und Pflichten im Sinn des Umsatzsteuerrechts ist, kann auch das Bestehen einer Unternehmereinheit nicht von der Rechtsform abhängig gemacht werden, in der die einzelnen Gebilde erscheinen, die sich zu einer Unternehmereinheit zusammenfügen. Die aufgeworfene Frage ist mithin aus den Grundgedanken des Umsatzsteuerrechts heraus zu bejahen.
Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung unter Anlegung eines strengen Maßstabes eine Unternehmereinheit annimmt: gleiche Gesellschafter, gleiche Beteiligung, einheitliche Willensbildung, liegen bei den beiden Betriebsgesellschaften, die KG a. A. sind und so eine durch die Verbindung wesentlicher Merkmale der AG und der KG gekennzeichnete selbständige Gesellschaftsart, eine "Mischform" (Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 129 S. 260, 267) darstellen, unstreitig hier vor. Es braucht daher auch hier nicht näher geprüft zu werden, ob und inwieweit bei Rechtspersonen im allgemeinen die Voraussetzungen der Gleichheit der Gesellschafter und der Gleichheit der Beteiligungsverhältnisse im Einzelfall als gegeben anzusehen sind. Mithin ergibt sich für die hier zur Steuer herangezogenen Umsätze Steuerfreiheit. Auf die Frage, ob eine Organschaft vorliegt, war, wie schon oben erwähnt, hier nicht einzugehen, wobei zu bemerken ist, daß die drei Voraussetzungen der Organschaft, die Eingliederung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht nicht abgesondert für sich und rein rechnerisch, sondern nach der ständigen Rechtsprechung nach dem Gesamtbild, d. h. in ihrem Zusammenhang, zu prüfen gewesen wären. Jedenfalls ist es nicht angängig, eine bestehende Unternehmereinheit, von der auch das Finanzamt bis zur Umgründung der Betriebsgesellschaften mit Recht ausgegangen ist, und die bei auch vom Finanzgericht festgestellten gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen nach der Umgründung weiterbestanden hat, nach dem Erlaß des KontrRG Nr. 15 als eine Organschaft zu beurteilen. Daher kann im vorliegenden Fall auch nicht der Auffassung des Finanzgerichts gefolgt werden, daß die Bfin. die aus KontrRG Nr. 15 herzuleitende, nur im Wege einer Unterstellung geschaffene und die Umsatzsteuerpflicht auslösende Verselbständigung der Tochtergesellschaften mit der Abänderung des Gesellschaftsvertrags vom 29. September 1948 habe beseitigen und so nachträglich das in Wirklichkeit bestehende Verhältnis der Unterordnung in ein solches der Nebenordnung umdeuten wollen.
Auf die Rb. waren daher die Vorentscheidung und der Steuerbescheid teilweise aufzuheben; die Bfin. war von der streitigen Steuer von 38.836 DM freizustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 407246 |
BStBl III 1951, 215 |
BFHE 1952, 529 |
BFHE 55, 529 |