Entscheidungsstichwort (Thema)
Anbringen einer Klage beim Finanzamt
Leitsatz (NV)
Für das Anbringen einer Klage beim FA gemäß § 47 Abs. 2 FGO genügt es, wenn diese in einem verschlossenen und postalisch an das FG adressierten Briefumschlag in den Geschäftsbereich des FA gelangt. Der Briefumschlag kann dabei fristwahrend auch mit anderen für das FA bestimmten Schriftstüken in einem an das FA adressierten sog. "Sammelumschlag" in dessen Briefkasten eingeworfen werden. Die Klageschrift muß nicht derart in den Verfügungsbereich des FA gelangen, daß es von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann (Anschluß an BFH-Urteil vom 26. April 1995 I R 22/94, BFHE 177, 237, BStBl II 1995, 601).
Normenkette
FGO § 47 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragte am 27. September 1993 eine Investitionszulage nach dem Investititionszulagengesetz (InvZulG) 1991 für das Kalenderjahr 1992 in Höhe von ... DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA --) lehnte die Gewährung der Zulage -- auch im anschließenden Einspruchsverfahren -- ab. Die Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 1994 wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 16. Februar 1994 mit Empfangsbekenntnis zugestellt.
Der Kläger erhob hiergegen Klage. Die Klageschrift wurde von einem der Prozeßbevollmächtigten des Klägers verfaßt und in den Briefkasten des FA eingeworfen. Das FA leitete die Klageschrift an das Finanzgericht (FG) weiter.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die Klage sei nicht fristgerecht erhoben worden. Dies gelte auch dann, wenn man den Vortrag des Klägers als wahr unterstellte, sein Prozeßbevollmächtigter habe die Klageschrift in einem Sammelumschlag, in dem sich noch weitere für das FA bestimmte Schriftstücke befunden hätten, mit der Aufschrift "an das Finanzamt X" persönlich am 15. März 1994 in den Briefkasten des FA eingeworfen. Denn damit sei die Klage nicht gemäß § 47 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtzeitig beim FA angebracht worden.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 47 Abs. 2 FGO und trägt dazu im wesentlichen vor: Die Klagefrist sei im Streitfall entgegen der Auffassung des FG mit dem Einwurf des Sammelumschlags in den Briefkasten des FA am 15. März 1994 eingehalten worden. Der Sachverhalt decke sich in den entscheidungsrelevanten Punkten mit dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. April 1995 I R 22/94 (BFHE 177, 237, BStBl II 1995, 601) zugrunde gelegen habe. In jenem Urteil habe der BFH die Klagefrist als gewahrt ange sehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Investitionszulage auf ... DM festzusetzen.
Das FA hält das Revisionsvorbringen für begründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde am 15. März 1994 gemäß § 47 Abs. 2 FGO beim FA angebracht. Die Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO war damit gewahrt. Diese lief erst am 16. März 1994 ab, weil die angefochtene Einspruchsentscheidung den Bevollmächtigten des Klägers am 16. Februar 1994 mit Empfangsbekenntnis zugestellt worden war.
2. Der Zeitpunkt des Einwurfs der Klageschrift in den Briefkasten des FA ist zwar vom FG nicht i. S. von § 118 Abs. 2 FGO festgestellt worden. Das FA hat den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers aber in der Revisionsinstanz ausdrücklich für begründet und damit für zutreffend erachtet. Er ist somit unstreitig. Das Revisionsgericht hat zwar bei seiner Entscheidung den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, da es sich bei der Einhaltung der Klagefrist um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 FGO Rz. 49, und Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Anm. 34, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Der erkennende Senat hat aber keinen Anlaß, im Streitfall an dem unstreitigen Sachverhalt zu zweifeln.
3. Mit dem Einwurf der Klageschrift in den Briefkasten des FA ist sie in dessen Geschäftsbereich gelangt. Sie war postalisch an das FG adressiert. Das FA leitete den Briefumschlag dem FG zu, wo er erst am 17. März 1994 eingegangen ist. Dies steht jedoch nach den Grundsätzen des BFH- Urteils in BFHE 177, 237, BStBl II 1995, 601, die der erkennende Senat auf Anfrage schon damals für zutreffend erachtet hat (s. Abschn. 5 der Entscheidungsgründe), der Annahme eines Anbringens der Klage i. S. des § 47 Abs. 2 FGO nicht entgegen. Vielmehr genügt es hierfür, wenn die Klageschrift in einem verschlossenen und postalisch an das FG adressierten Briefumschlag in den Briefkasten des FA eingeworfen oder beim FA abgegeben wird. Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung in BFHE 177, 237, BStBl II 1995, 601 (Abschn. 3 und 4 der Entscheidungsgründe) verwiesen.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es fehlen die für eine Sachentscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des FG. Sie nachzuholen ist Aufgabe des FG, weshalb die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen war.
Fundstellen
Haufe-Index 422041 |
BFH/NV 1997, 508 |