Entscheidungsstichwort (Thema)
Hauptberufliche Tätigkeit i. S. v. § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG
Leitsatz (NV)
1. Kein Vertretungszwang für den beim BFH zu stellenden Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Stellung des Prozeßkostenhilfeantrags innerhalb der Beschwerdefrist.
3. Zur Frage, welches Mindestmaß an Begründung der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe enthalten muß.
4. An einer Klärung der Frage, ob eine ,,hauptberufliche Tätigkeit" i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG vorgelegen hat, wenn nur eine Teilzeitbeschäftigung von drei Stunden täglich behauptet wird, besteht über den Einzelfall hinaus kein allgemeines Interesse.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2-3, § 142; StBerG § 36 Abs. 2 Nr. 1; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2
Tatbestand
Der beklagte Minister der Finanzen hat den Antrag des Antragstellers auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung abgelehnt, weil der Antragsteller die nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) erforderlichen Vorbeschäftigungszeiten nicht erfüllt bzw. nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht habe. Bei Ergehen des Ablehnungsbescheides war der Prüfungstermin bereits verstrichen. Deshalb begehrte der Antragsteller im Klageverfahren, den Minister der Finanzen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verurteilen, ihm - dem Antragsteller - die Teilnahme an einer außerplanmäßigen, terminlich vom Finanzgericht (FG) festzulegenden Prüfung zu bewilligen; hilfsweise ihn zum nächsten regulären Prüfungstermin zuzulassen.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Zulassungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG hätten nicht vorgelegen. Zwar erschienen dem FG die vom Kläger angeführten Tätigkeiten nach den ihm dafür erteilten Zeugnissen nicht von vornherein ungeeignet, für eine Beschäftigung auf dem Gebiete des ,, Steuerwesens" (so der Gesetzeswortlaut bis zur Änderung des § 36 durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des StBerG vom 13. Dezember 1990, BGBl I 2756, der für die Entscheidung über den Zulassungsantrag noch maßgebend war). Die nähere Prüfung, ob das darin Bescheinigte auch tatsächlich zutreffe, habe aber ergeben, daß dies von 160 bescheinigten Monaten bei 69 Monaten nicht zutreffe, weil der Antragsteller während dieser Zeit nicht einmal eine Halbtagsbeschäftigung ausgeübt habe. Das sei für die von der Firma X bescheinigten 6 Beschäftigungsmonate offenkundig. Hinsichtlich der von den Firmen Y und Z für die bei ihnen angeblich geleisteten 63 Beschäftigungsmonate aus ges tellten Zeugnisse habe das FG schon Bedenken, welcher objektive Erklärungsinhalt ihnen zukomme. Denn diese Zeugnisse seien vom Antragsteller selbst vorgefertigt und den betroffenen Firmen nur zur Unterschrift vorgelegt worden.
Es sei daher fraglich, ob den Zeugnisunterzeichnern die Tragweite ihrer Zeugniserteilung bewußt gewesen sei. Ausschlaggebend sei, daß beide Zeugnisse dem Antragsteller nur eine Tätigkeit als ,,Teilzeit-Bilanzbuchhalter" bescheinigten, ohne diese Tätigkeit nach ihrem zeitlichen Umfang näher zu konkretisieren. Auch der Antragsteller habe die Dauer nicht näher konkretisiert. Das zwinge zu dem Schluß, daß der Antragsteller für beide Unternehmen nicht im Rahmen eines selbständigen Rechtsverhältnisses fortlaufend ganz- oder halbtags tätig gewesen sei. Daher sei der Antragsteller auch in diesen 63 Monaten nicht hauptberuflich tätig geworden, wie dies von § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG verlangt werde. Die verbleibenden 91 Monate reichten aber nicht aus, die nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG erforderliche l0jährige einschlägige Tätigkeit nachzuweisen. Der Antragsteller hat gegen das Urteil des FG die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt für deren Durchführung er die Gewährung der Prozeßkostenhilfe (PKH) beantragt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf PKH ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß der Antragsteller sich nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer hat vertreten lassen. Für den beim Bundesfinanzhof (BFH) als Prozeßgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang nach Art 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - (vgl. Beschluß des BFH vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338 m. w. N.). Der PKH-Antrag ist auch nicht bereits deshalb abzulehnen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr fristgerecht unter Wahrung des für diese vorgeschriebenen Vertretungszwangs gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG eingelegt werden kann. Da der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) bei dem Prozeßgericht den Antrag auf PKH gestellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) vorgelegt hat, müßte ihm, wenn der PKH-Antrag Erfolg hätte, wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) zum Zwecke der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den beizuordnenden Rechtsanwalt oder einen anderen der nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG befugten Vertreter gewährt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 13. Oktober 1989 V S 3/89, BFH/NV 1990, 450, m. w. N.).
2. Die Bewilligung von PKH setzt u. a. voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO). Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG nicht gegeben.
Wird - wie im Streitfall - in der Revisionsinstanz ein PKH-Antrag zur Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde von dem nicht postulationsfähigen Antragsteller selbst eingelegt, so ist streitig, welches Mindestmaß an Begründung dieser Antrag enthalten muß, insbesondere, ob dargetan werden muß, welcher Zulassungsgrund mit der Beschwerde geltend gemacht wird. Der Senat braucht im Streitfall nicht abschließend zu entscheiden, ob - wie allgemein verlangt wird - zumindest in laienhafter Weise der Zulassungsgrund für die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegt oder bezeichnet werden muß (so BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1990, 450, und vom 8. August 1990 X S 18/90, BFH/NV 1991, 185) oder ob an den nicht vertretenen mittellosen Antragsteller solche Begründungsanforderungen nicht gestellt werden dürfen und die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde anhand der Vorentscheidung und des Protokolls über die mündliche Verhandlung zu überprüfen sind (so BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338, 340). Denn bei der gebotenen summarischen Überprüfung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht ersichtlich, daß einer der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt, der die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtfertigen würde.
Das FG hat über die Klage des Antragstellers wegen Nichtzulassung zur Steuerberaterprüfung in Übereinstimmung mit der von Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung des Begriffs ,,hauptberufliche Tätigkeit" vertretenen Auffassung entschieden. Insoweit ist keine abweichende Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) ersichtlich. Der erkennende Senat hat für eine hauptberufliche Tätigkeit verlangt, daß die Arbeitszeit und Arbeitskraft des Antragstellers überwiegend beansprucht sein müssen (Senatsurteil vom 16. November 1965 VII 17/65 U, BFHE 83, 660, BStBl III 1965, 739; vgl. auch Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 36 St-BerG, Kommentar Meggendorf B 361, und Gehre, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl., 36 Rz. 11), und ausgeführt, daß dies auch dann der Fall ist, wenn die Tätigkeit nur als Halbtagsbeschäftigung ausgeübt wird (Senatsurteil vom 19. April 1988 VII R 85/87, BFH/NV 1989, 49, 52).
Daran, daß eine noch geringere Teilzeitbeschäftigung (3 Stunden wie vom Antragsteller in seiner Nichtzulassungsbeschwerde für die 63monatige Beschäftigungszeit bei den Firmen Y und Z behauptet) ausreichen sollte, hat der Senat bei der gebotenen summarischen Prüfung schon nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG ganz erhebliche Zweifel. Der Senat kann jedenfalls nicht erkennen, daß an der Entscheidung der Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Nur das Vorliegen eines solchen allgemeinen Interesses würde aber die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr 1 FGO rechtfertigen.
Dafür, daß Verfahrensfehler i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen könnten, bestehen weder nach dem Vorbringen des Antragstellers in seiner Nichtzulassungsbeschwerde Anhaltspunkte, noch sind dem Senat solche Gründe nach Prüfung des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor Erlaß des erstinstanzlichen Urteils erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 419097 |
BFH/NV 1993, 568 |