Leitsatz (amtlich)
Wird einem Pflichtteilsberechtigten ein Grundstück an Erfüllungs Statt zur Befriedigung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruches übertragen, so ist bei der Besteuerung dieses nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen der Einheitswert des Grundstückes zugrunde zu legen.
Normenkette
ErbStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 23 Abs. 2; ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 12 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 1967 verstorbene K wurde aufgrund Testaments von seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen beerbt. Ein der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ausgesetztes Vermächtnis hat diese - ebenso wie eine ihrer Schwestern - ausgeschlagen und den Pflichtteil geltend gemacht. Die Ansprüche der Klägerin und ihrer Schwester wurden durch Übertragung eines Grundstücks mit einem Verkehrswert von 1 290 000 DM (Einheitswert 92 000 DM) sowie durch Überlassung von Kaufpreisansprüchen und Barleistung erfüllt, wobei auf jede Schwester die Hälfte traf. Ausweislich der darüber errichteten notariellen Urkunde erfolgte die Grundstücksüberlassung "zur teilweisen Abgeltung der Pflichtteilsansprüche, welche den Pflichtteilsberechtigten gegen den Nachlaß ... zustehen".
Durch Steuerbescheid vom 30. September 1971 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 159 660 DM fest. In Erledigung eines Einspruches wurde die Steuer mit Änderungsbescheid vom 11. August 1976 auf 155 690 DM herabgesetzt. Ein erneuter Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage, mit der die Klägerin die Festsetzung der Erbschaftsteuer unter Zugrundelegung des Einheitswertes und damit Herabsetzung auf 91 006 DM begehrt, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.
Mit der Rewision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Erbschaftsteuer unter Abänderung des Steuerbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf 91 000,50 DM festgesetzt.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG 1959) gilt der Erwerb auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs als ein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959). Der Pflichtteilsanspruch selbst ist stets auf eine Geldleistung gerichtet (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Der Senat hat zu der gleichlautenden Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 mit Urteil vom 30. September 1981 II R 64/80 (BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76) entschieden, daß auch das aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs an Erfüllungs Statt Geleistete als Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen anzusehen ist; denn der Rechtsgrund für diese Leistung an Erfüllungs Statt bleibt der ursprüngliche Pflichtteilsanspruch. Auch eine Zusammenschau von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1959 erweist, daß die Leistung an Erfüllungs Statt zur Befriedigung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches als der für die Erbschaftsbesteuerung maßgebliche Erwerb von Todes wegen anzusehen ist. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1959 gilt als vom Erblasser zugewendet auch das, was als Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt wird. Erhält der Pflichtteilsberechtigte zur Abfindung seines entstandenen Anspruchs ein Grundstück, so ist der Einheitswert dieses Grundstückes Besteuerungsgrundlage (§ 23 Abs. 2 ErbStG 1959). In der Entscheidung in BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76, hat der Senat im einzelnen dargelegt, daß für die erbschaftsteuerrechtliche Erfassung von Erwerben aufgrund eines Pflichtteilsanspruches § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) der Grundtatbestand und § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974) der Auffangtatbestand ist, durch den eine Umgehung vermieden werden soll. Wenn aber bei Erwerb eines Grundstücks für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch, d. h. bei Erfüllung des Auffangtatbestandes, Besteuerungsgrundlage der Einheitswert dieses Grundstückes ist, so wäre es unverständlich, wenn bei Erfüllung des Grundtatbestandes, also bei Erwerb eines Grundstücks an Erfüllungs Statt zur Befriedigung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruches durch den Pflichtteilsberechtigten, der Geldwert des Pflichtteilsanspruches Besteuerungsgrundlage sein sollte. Aus dem Sinnzusammenhang der Vorschriften von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1959 ergibt sich vielmehr, daß bei Befriedigung eines Pflichtteilsanspruches durch Hingabe eines Grundstückes in jedem Fall der Einheitswert dieses Grundstückes Besteuerungsgrundlage sein muß.
Hieraus folgt, daß die Erbschaftsteuer in Fällen dieser Art mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs dem Grunde nach entsteht, daß aber die spätere Leistung an Erfüllungs Statt ggf. zu einer Veränderung der vorher bereits entstandenen Erbschaftsteuer führen kann (vgl. jetzt § 175 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Für den Abzug der Pflichtteilsverbindlichkeiten seitens des Erben gilt Entsprechendes.
Die Steuer war deshalb wie folgt festzusetzen: ...
Die Bezifferung des Klageantrages auf 91 006 DM steht der Festsetzung der Steuer unter Berücksichtigung von § 29 ErbStG 1959 nicht entgegen, weil das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, an die Fassung der Anträge jedoch nicht gebunden ist (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 74235 |
BStBl II 1982, 350 |
BFHE 1982, 336 |
NJW 1982, 1895 |