Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslohn bei Teilnahme von Arbeitnehmern an Händler-Incentive-Reise
Leitsatz (NV)
1. Nehmen an einer vom Arbeitgeber veranstalteten Incentive-Reise in größerer Zahl Ehepartner oder sonstige Begleitpersonen der für die Betreuung der Gäste (Händler) verantwortlichen Arbeitnehmer teil, so spricht dies für einen eher gesellschaftlichen und damit belohnenden Charakter der Reise insgesamt und damit für den Zufluß von Arbeitslohn bei den betreuenden Arbeitnehmern.
2. Soll der Zufluß von Arbeitslohn bei den an der Reise teilnehmenden Arbeitnehmern mit der Begründung verneint werden, die Teilnahme an der Reise sei für sie zwingend gewesen, so ist dieses Vorbringen unter Darlegung der Sanktionen im Falle der Nichtteilnahme zu substantiieren und ggf. zu beweisen.
3. Bei Sachzuwendungen des Arbeitgebers in Form von Mahlzeiten auf Reisen mit Belohnungscharakter bemißt sich die Höhe des dadurch zugewendeten Arbeitslohns nicht nach den amtlichen Sachbezugswerten, sondern ebenso wie bei Sachzuwendungen bei Betriebsveranstaltungen nach den tatsächlichen Kosten.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) veranstaltete zum Zwecke der Umsatzförderung alljährlich Wettbewerbsreisen, und zwar in den Streitjahren 1980 bis 1984 überwiegend in größere europäische Städte. An diesen Reisen nahmen selbständige Außendienstmitarbeiter und im Außendienst beschäftigte Arbeitnehmer der Klägerin teil. Teilnahmeberechtigt waren nur die Personen des Außendienstes, die im Laufe des Jahres besondere Leistungen erbracht hatten. Darüber hinaus fuhren auch Arbeitnehmer des Innendienstes der Klägerin bei den Wettbewerbsreisen mit.
Die Wettbewerbsreisen dauerten entweder von Freitag bis Sonntag oder sie begannen sonnabends und dauerten bis Montag. Am jeweils ersten Tag fand ein Empfang statt, an den sich ein Abendessen und eine Folkloreveranstaltung anschlossen. Der Sonnabend- bzw. Sonntagvormittag war der sog. Ehrenringveranstaltung gewidmet, bei der Auszeichnungen für besonders gute Leistungen der selbständigen Außendienstmitarbeiter überreicht wurden. Nach dem gemeinsamen Mittagessen wurde entweder eine Fahrt in die Umgebung durchgeführt oder die Zeit stand zur freien Verfügung. Am Abend fand ein sog. Galaabend mit Tanz und festlichem Menü statt. Die Veranstaltung klang am dritten Reisetag mit einem Frühschoppen aus.
Im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Teilnahme von Arbeitnehmern der Klägerin an der Reise habe nur insoweit nicht zu Arbeitslohn geführt, als es sich um notwendige Begleitpersonen gehandelt habe. Für je 15 Personen des Außendienstes mit Ehefrauen sei eine Begleitperson angemessen. Die Aufwendungen für die Teilnahme der darüber hinausgehenden Arbeitnehmer des Innendienstes sowie ihrer Ehegatten stellten steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Das FA erließ u.a. wegen dieser Zuwendungen einen mit einem Haftungsbescheid zusammengefaßten Pauschalierungsbescheid.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat die Ansicht, daß die Teilnahme der angestellten Mitarbeiter des Innen- und Außendienstes an den Wettbewerbsreisen bei Gesamtwürdigung aller Umstände keine Belohnung dargestellt habe, sondern als Dienstreise zu qualifizieren sei.
Das FA rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), eine Divergenz zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. März 1990 VI R 48/87 (BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711) und als Verfahrensfehler einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht seine Entscheidung, die Aufwendungen der Klägerin für die Teilnahme der mit der Betreuung der selbständigen Außendienstmitarbeiter beauftragten Arbeitnehmer an den Wettbewerbsreisen seien nicht als Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu beurteilen.
Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit mehr darüber, daß die Teilnahme an der Reise bei denjenigen Arbeitnehmern zu Arbeitslohn geführt hat, die dadurch für ihre besonderen Leistungen belohnt werden sollten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711). Streitig ist allein, ob auch denjenigen Arbeitnehmern Arbeitslohn zugeflossen ist, denen die Betreuung der selbständigen Außendienstmitarbeiter auf diesen Reisen oblegen hat. Die Frage, ob der Aufwand des Arbeitgebers für die Teilnahme eigener Arbeitnehmer an einer für selbständige Mitarbeiter oder Geschäftspartner des Arbeitgebers veranstalteten sog. Incentive-Reise für die teilnehmenden Arbeitnehmer zu dem Zufluß eines geldwerten Vorteils i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG geführt oder im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gelegen hat, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles zu beanworten (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1993 VI R 58/92, BFHE 171, 210, BStBl II 1993, 639, zu 1.). Die danach im jeweiligen Einzelfall erforderliche Würdigung erfordert eine Abwägung und Gewichtung aller entscheidungserheblichen Umstände. Dies setzt die Aufklärung des Sachverhalts in bezug auf diese Umstände voraus. Im Streitfall hat das FG die für diese Abwägung entscheidungserheblichen Tatsachen nicht ausreichend aufgeklärt.
a) Einer der im Rahmen der Gesamtwürdigung entscheidungserheblichen Umstände ist, ob und in welcher Zahl Ehepartner der für die Betreuung verantwortlichen Arbeitnehmer an den jeweiligen Reisen teilgenommen haben. Denn der Senat hat in dem erst nach Erlaß der Vorentscheidung ergangenen Urteil in BFHE 171, 210, BStBl II 1993, 639 entschieden, daß ein erhebliches Eigeninteresse des Arbeitnehmers an der Teilnahme an einer von seinem Arbeitgeber für Geschäftspartner durchgeführten Reise dann besteht, wenn der Arbeitnehmer von seinem Ehepartner begleitet wird und nicht selbst für die organisatorische Durchführung der Reise, sondern lediglich für die Betreuung der Gäste verantwortlich ist. Daran hält er fest. Soll abweichend davon angenommen werden, daß trotzdem ausnahmsweise das Interesse des Arbeitgebers an der Teilnahme des Arbeitnehmers dessen eigenes Interesse weit überwogen hat, so bedarf dies der Feststellung besonderer weiterer Umstände. Auf jeden Fall stellen die anteilig auf die Teilnahme der Ehepartner oder sonstiger Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers Arbeitslohn der jeweiligen Arbeitnehmer dar.
Im Streitfall hat das FA zu Recht gerügt, daß die Vorinstanz von der Teilnahme nur einer Ehefrau ausgegangen ist, während der Tz. 7 des Berichts über die Außenprüfung zu entnehmen ist, daß Ehegatten, also mehr als ein Ehepartner, an der Reise teilgenommen haben. Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang aufklären müssen, wie viele Ehepartner der für die Betreuung verantwortlichen Arbeitnehmer bei den jeweiligen Reisen mitgefahren waren. Es wird sodann nach den oben dargestellten Grundsätzen zu entscheiden haben, in welchem Umfang schon aus diesem Grunde Arbeitslohn vorliegt.
Sollte die weitere Aufklärung des Sachverhalts ergeben, daß in größerer Zahl Ehepartner oder sonstige Begleitpersonen der für die Betreuung verantwortlichen Arbeitnehmer an der Reise teilgenommen haben, so hätte dies der Reise insgesamt einen eher gesellschaftlichen und damit belohnenden Charakter gegeben und spräche grundsätzlich für den Zufluß von Arbeitslohn bei sämtlichen teilnehmenden Arbeitnehmern. Bei einer derartigen Fallgestaltung könnte ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin nur an der Teilnahme solcher Arbeitnehmer anerkannt werden, die entweder für die organisatorische Durchführung der Reise veranwortlich waren, wenn diese einen erheblichen Zeitaufwand erforderte, oder die andere konkrete Aufgaben, wie z.B. die Verleihung der Auszeichnungen an die Gewinner des Wettbewerbs zu erledigen hatten.
b) Soweit die Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der Teilnahme von Ehepartnern bei einem Teil der Arbeitnehmer noch keine abschließende Würdigung darüber ermöglichen sollte, ob Arbeitslohn zugeflossen ist, wird das FG abweichend von seiner Vorentscheidung nicht ohne weiteres davon ausgehen können, daß die Teilnahme an den Reisen für die Arbeitnehmer zwingend gewesen ist. Die Annahme des FG, die Teilnahme sei für die Arbeitnehmer zwingend gewesen, beruht ausschließlich auf der entsprechenden pauschalen Behauptung der Klägerin. Dies reicht nicht aus. Die Klägerin wird vielmehr ihr pauschales Vorbringen, ihre Arbeitnehmer seien zur Teilnahme an den jeweiligen Reisen verpflichtet gewesen, zu substantiieren haben. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, ob und ggf. welche Folgen es hatte, wenn Arbeitnehmer, die dafür ausgewählt worden waren, eine Teilnahme an der Reise abgelehnt haben. Gegen die vom FG bejahte Pflicht der Arbeitnehmer zur Teilnahme an der Reise würde es sprechen, wenn ohnehin nur solche Arbeitnehmer der Klägerin für die Teilnahme ausgewählt worden sind, die sich zuvor freiwillig dazu bereit erklärt haben. Ggf. wird das FG Beweis durch die Vernehmung der Arbeitnehmer als Zeugen zu erheben haben.
Das FA weist auch zu Recht darauf hin, daß für die im Rahmen der Gesamtwürdigung zu treffende Entscheidung, ob die jeweilige Reise für den einzelnen Arbeitnehmer eine (erzwungene) Dienstreise war oder Belohnungscharakter hatte, von erheblicher Bedeutung ist, nach welchen Kriterien vom Vorstand der Klägerin entschieden wurde, welche der insgesamt in Betracht kommenden Arbeitnehmer als Teilnehmer für die jeweilige Reise ausgewählt worden sind. Die Klägerin wird im zweiten Rechtsgang die Art und Weise der Auswahl der teilnehmenden Arbeitnehmer umfassend und unter Beweisantritt darzulegen haben.
Sollte sich bei der weiteren Aufklärung des Sachverhalts ergeben, daß die Teilnahme der Arbeitnehmer an den jeweiligen Reisen obligatorisch war und nicht auf freiwilliger Basis erfolgt ist, so wird das FG das erst nach seiner Entscheidung ergangene Senatsurteil vom 16. April 1993 VI R 6/89 (BFHE 171, 231, BStBl II 1993, 640) zu berücksichtigen haben. Danach ist dann, wenn der Arbeitgeber die Kosten einer von ihm angeordneten Auslandsreise des Arbeitnehmers trägt, ein - die Zuwendung von Arbeitslohn ausschließendes - überwiegend eigenbetriebliches Interesse besonders darzulegen, wenn die Reise auch touristische Aspekte aufweist. Dies bedeutet, daß die Klägerin bezüglich jeder einzelnen Reise und für jeden teilnehmenden Arbeitnehmer im einzelnen darlegen muß, aus welchen Gründen er ausgewählt wurde und welche konkrete Funktion er während der Reise ausgeübt hat. Soweit der einzelne Arbeitnehmer nicht an allen Reisen der Streitjahre teilgenommen hat, werden die Gründe dafür, weshalb seine Teilnahme an den weiteren Reisen entbehrlich war, zu ermitteln und im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sein.
2. Begründet ist auch die Rüge des FA, das FG habe nicht Stellung dazu genommen, daß ausweislich der Ausführungen in Tz. 7 des Berichts über die Lohnsteueraußenprüfung bereits von der Klägerin selbst Zuwendungen an die Mitarbeiter des Außendienstes dem Grunde nach als Arbeitslohn versteuert, der Höhe nach für die Mahlzeiten aber nur die amtlichen Sachbezugswerte (§ 8 Abs. 2 EStG) angesetzt worden sind, und daß in dem angefochtenen Pauschalierungsbescheid pauschale Lohnsteuer wegen der Differenz zwischen den Sachbezugswerten und den tatsächlichen Kosten nacherhoben worden ist. Das FA beanstandet zu Recht, daß das FG auf diesen Punkt in seiner Entscheidung überhaupt nicht eingegangen ist. Das FG wird im zweiten Rechtsgang das Senatsurteil vom 6. Februar 1987 VI R 24/84 (BFHE 149, 172, BStBl II 1987, 355) zu beachten haben, wonach bei Sachzuwendungen bei Betriebsveranstaltungen die Verkehrswerte und nicht die Werte der Sachbezugsverordnung anzusetzen sind. Im Streitfall kann nichts anderes gelten.
Fundstellen