Leitsatz (amtlich)
§ 6 Abs. 4 KStG gilt auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 4; GewStG § 7
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist eine öffentlich rechtliche Versicherungsanstalt, deren Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer unterliegt (§ 2 GewStG, § 2 Abs. 1 GewStDV). Der Revisionskläger (das FA) legte der Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags für das Streitjahr 1962 einen Gewerbeertrag zugrunde, der als Gewinn aus Gewerbebetrieb den nach § 6 Abs. 4 KStG ermittelten Betrag enthielt.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hin änderte das FG, dessen Entscheidung in EFG 1966, 381 veröffentlicht ist, den Gewerbesteuer-Meßbescheid dahin, daß es den Gewinn aus Gewerbebetrieb ohne Rücksicht auf § 6 Abs. 4 KStG ermittelte. Das FG hat zur Begründung ausgeführt, § 6 Abs. 4 KStG sei im Gegensatz zu § 6 Abs. 1 bis 3 KStG keine Vorschrift über die Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Gewinns. Der nach § 6 Abs. 4 KStG errechnele Endbetrag sei lediglich ein rechnerisch aus dem Gewinn durch Manipulation hergeleiteter Mindestbetrag, nach dem die Körperschaftsteuer festzusetzen sei. Insoweit bestehe eine Wesensverwandtschaft zwischen § 6 Abs. 4 KStG und § 17 KStG 1953 über die Mindestbesteuerung.
Mit der Revision rügt das FA falsche Anwendung der § 7 GewStG, § 6 KStG.
Das FA meint zunächst, § 7 GewStG über die Ermittlung des Gewerbeertrags verweise nicht auf einen bestimmten Gewinn, sondern auf das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen. Außerdem sei § 6 Abs. 4 KStG nicht anders einzuordnen als § 6 Abs. 2 und 3 KStG. Wenn diese beiden Absätze des § 6 KStG als Ergänzung und Erläuterung des Abs. 1 dienten, dann müsse das auch für Abs. 4 gelten. Der Gesetzgeber habe die Abzugsfähigkeit der Beitragsrückerstattungen, deren Beurteilung als echte Betriebsausgaben durch das FG keineswegs zweifelsfrei sei, durch besondere Vorschriften geregelt. Die Abzugsfähigkeit bestimme sich nach § 6 Abs. 2 KStG, der wiederum den ausdrücklichen Vorbehalt der Abs. 3 und 4 enthalte. Dieser Zusammenhang der Vorschriften zeige, daß es nicht richtig sein könne, § 6 Abs. 1 bis 3 KStG als Gewinnermittlungsvorschriften anzusehen, § 6 Abs. 4 KStG dagegen nicht. Nach § 6 Abs. 4 KStG werde - im Gegensatz zu § 17 KStG 1953 - kein fiktives oder manipuliertes Einkommen ermittelt. § 6 Abs. 4 KStG bestimme vielmehr die Grenzen, bis zu denen sich die Beitragsrückerstattungen im Rahmen der Angemessenheit und damit der Abzugsfähigkeit hielten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einspruchsentscheidung wieder herzustellen.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, daß die nach § 6 Abs. 4 KStG errechnete Besteuerungsgrundlage nicht Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinn des § 7 GewStG darstelle.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet. § 6 Abs. 4 KStG gilt auch für die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 7 GewStG.
Gewerbeertrag ist nach § 7 GewStG der nach den Vorschriften EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. § 7 GewStG verweist damit nicht auf das Einkommen, nach dem sich die Körperschaftsteuer bemißt, sondern auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens anzusetzen ist. Bei einem körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen, das nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezieht, decken sich aber Gewinn aus Gewerbebetrieb und Einkommen weitgehend, da das Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte, d. h. hier allein der Gewinn aus Gewerbebetrieb ist und es im Körperschaftsteuerrecht keine Sonderausgaben gibt (§ 2 Abs. 2 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). In diesem Fall wirken sich die besonderen Vorschriften des KStG und der KStDV über die Ermittlung des Einkommens, insbesondere über abzugsfähige und nichtabzugsfähige Ausgaben, auf die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb aus. Sie gelten daher, obgleich sie von der "Ermittlung des Einkommens" sprechen, auch für die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 7 GewStG (Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., S. 730 ff.), wenn sie auch teilweise durch besondere gewerbesteuerrechtliche Vorschriften ihrer Wirkung wieder beraubt werden, wie z. B. die Vorschrift über den Abzug der Spenden (§ 11 Nr. 5 KStG) durch § 8 Nr. 9 GewStG.
Kein Streit besteht vor allem darüber, daß § 6 Abs. 2 und 3 KStG über die Ermittlung des Einkommens von Versicherungsunternehmen bei der Berechnung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 7 GewStG zu berücksichtigen ist. Diese Vorschriften regeln den Abzug der Beitragsrückerstattungen und der Zuführungen zu Rücklagen für Beitragsrückerstattungen. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung kann es auf sich beruhen, ob die Beitragsrückerstattungen ihrer Natur nach echte Betriebsausgaben darstellen, wie offenbar das Urteil des RFH I 228/41 vom 14. Juli 1942 (RStBl 1942, 1022) und das Urteil des BFH I 145/57 U vom 3. Februar 1959 (BFH 68, 354, BStBl III 1959, 138) meinen, oder aber verdeckte Gewinnausschüttungen, wie anscheinend das BFH-Urteil I 248/61 U vom 13. März 1963 (BFH 76, 671, BStBl III 1963, 244) annimmt (vgl. zum letzten Urteil BFH-Urteil I 127/65 vom 26. Juni 1968, BFH 93, 418, BStBl II 1969, 12). Der Abzug der Beitragsrückerstattungen unterliegt jedenfalls gewissen gesetzlichen Beschränkungen, die nach den Ausführungen des RFH-Urteils I 228/41 (a. a. O.) auf der Erwägung beruhen, daß sich die Beitragsrückerstattungen im Rahmen des Erforderlichen halten und zum Bilanzjahr in engem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen sollen; bei Überschreiten der Grenze der Angemessenheit sei diese Voraussetzung nicht mehr gegeben. In diesem Zusammenhang sei beiläufig bemerkt, daß die Beitragsrückerstattungen, die nach Bühler-Paulick, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Kommentar, 2. Aufl., § 6 KStG Anm. 16, ein Mittelding zwischen Gewinnausschüttung und Erstattung zu Unrecht erhobener Unkosten darstellen, auch aktienrechtlich in das Spannungsfeld zwischen den am Gewinn beteiligten Aktionären und den am Überschuß beteiligten Versicherten geraten sind. Das hat zu besonderen Vorschriften in § 56a des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Privatversicherungsunternehmen und Bausparkassen - VAG - in der Fassung des § 37 Abs. 1 Nr. 8 des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz - EGAktG 1965 - (BGBl I 1965, 1185) geführt, die zwar dem Vorstand und dem Aufsichtsrat die Entscheidung über die Überschußbeteiligung der Versicherten einräumen, die Überschußbeteiligung ohne Rechtsanspruch der Versicherten aber soweit begrenzen, daß aus dem verbleibenden Bilanzgewinn noch ein Gewinn in Höhe von 4 v. H. des Grundkapitals verteilt werden kann.
Enthält aber § 6 Abs. 2 und 3 KStG Vorschriften über die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb im Sinn des § 7 GewStG, die den Abzug der Beitragsrückerstattungen näher regeln, so gilt das gleiche für § 6 Abs. 4 KStG. Der Zusammenhang zwischen § 6 Abs. 4 KStG und § 6 Abs. 2 und 3 KStG zeigt sich bereits darin, daß § 6 Abs. 2 KStG Bestimmungen über die Beitragsrückerstattungen "vorbehaltlich der Abs. 3 und 4" enthält. § 6 Abs. 4 KStG erweist sich damit als eine Einschränkung der Bestimmungen in § 6 Abs. 2 KStG, und zwar des § 6 Abs. 2 Nr. 1 KStG. Dort werden Beitragsrückerstattungen, die aus dem Lebensversicherungsgeschäft stammen, zunächst in vollem Umfang als abzugsfähig erklärt. Die Grenzen der Abzugsfähigkeit steckt dann § 6 Abs. 4 KStG ab. Wenn es dort heißt, zu versteuern seien mindestens 5 v. H. des nach den Vorschriften des EStG und des KStG ermittelten Gewinns, vor Abzug der Beitragsrückerstattung, so ist das nur eine besondere rechtstechnische Form, in die die Beschränkung des Abzuges der Beitragsrückerstattungen im Lebensversicherungsgeschäft gekleidet ist. Sie bringt zum Ausdruck, daß Beitragsrückerstattungen nicht in vollem Umfang abgezogen werden dürfen, jedenfalls nicht in dem Umfang, daß kein steuerpflichtiger Gewinn in Höhe von wenigstens 5 v. H. des Gewinns vor Abzug der Beitragsrückerstattungen verbleibt. Die Grenze der Abzugsfähigkeit bestimmter Ausgaben kann rechnerisch in der Weise bestimmt werden, daß der Höchstbetrag der abzugsfähigen Ausgaben angegeben wird, oder aber in der Weise, daß ein Mindestbetrag des verbleibenden Gewinns festgesetzt wird. Die letztere Methode, die auch § 6 Abs. 4 KStG anwendet, bietet sich vor allem dann an, wenn der sachliche Grund für die Regelung darin liegt, daß die Ausgaben ihre Begrenzung gerade in den Interessen anderer Beteiligter an einem bestimmten Mindestgewinn finden. So liegt es bei § 56a VAG, der die Interessen der Aktionäre an einem bestimmten Mindestgewinn schützt (Ausschußbericht zu § 37 EGAktG, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, Seite 559). Und ähnlich liegt es auch bei § 6 Abs. 4 KStG, der das öffentliche Interesse des Staates an einem bestimmten, der Steuer unterliegenden Mindestgewinn wahrt, damit, wie es in Nr. II, 1 des Runderlasses des RdF vom 25. Juli 1936 S. 2511-45/III/S 3202-15 III über Körperschaftsteuer und Vermögensteuer der Versicherungsunternehmen (RStBl 1936, 825) heißt, "dem Gedanken der steuerlichen Gleichmäßigkeit auf diesem Gebiet entsprochen wird". Dieser Erwägung entspricht es, daß zwischen der Höhe des Mindestgewinns nach § 6 Abs. 4 KStG (5 v. H. des Gewinns vor Abzug der Beitragsrückerstattungen) und dem Anteil der Versicherten am Gesamtüberschuß in der Lebensversicherung, der nach Prölss-von der Thüsen, Die versicherungstechnischen Rückstellungen im Steuerrecht, 2. Aufl., S. 20, meist bis zu etwa 95 v. H. beträgt, eine gewisse rechnerische Übereinstimmung besteht.
In dem engen Zusammenhang zwischen § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 4 KStG liegt auch der Unterschied zu § 17 KStG 1953. Diese Vorschrift unterwarf ganz allgemein ein Mindesteinkommen der Besteuerung, ohne daß sie in einem Zusammenhang mit bestimmten Betriebsausgaben gestanden hätte, der es ermöglicht hätte, sie als eine Begrenzung des Abzugs dieser Betriebsausgaben anzusehen. Wenn nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 KStG Beitragsrückerstattungen, die aus dem Lebensversicherungsgeschäft stammen, "vorbehaltlich der Vorschriften der Abs. 3 und 4" abzugsfähig sind, so ist § 6 Abs. 2 Nr. 1 KStG ohne Abs. 4 eine unvollständige Vorschrift. Das gleiche konnte man nicht für irgendeine Vorschrift des KStG in ihrem Verhältnis zu § 17 KStG 1953 feststellen. Die Mindestbesteuerung nach § 17 KStG 1953 und die "Mindestbesteuerung" nach § 6 Abs. 4 KStG gleichen sich daher nur äußerlich, nicht aber in ihrer wahren Bedeutung.
Der Senat sieht sich in dieser Beurteilung des § 6 Abs. 4 KStG im Einklang mit dem RFH-Urteil I 228/41 (a. a. O.). Der RFH hat in diesem Urteil ausgeführt, § 26 KStDV a. F. (jetzt § 6 Abs. 4 KStG) sei nicht als eine Sonderbelastung der Lebensversicherungsunternehmen gegenüber anderen Körperschaftsteuerpflichtigen anzusehen, sondern ebenso wie § 25 KStDV a. F. (jetzt § 6 Abs. 2 und 3 KStG) nur als eine Einschränkung des § 11 Nr. 2 KStG (Abzug der versicherungstechnischen Rückstellungen), durch die die Beitragsrückerstattungen in den Grenzen der Angemessenheit gehalten werden sollten. Durch § 26 KStDV a. F. (jetzt § 6 Abs. 4 KStG) werde daher keine Mindestbesteuerung im Sinn des § 17 KStG a. F. angeordnet. Daraus hat der RFH die wichtige Folgerung gezogen, daß bei Ermittlung des Gewinns aus dem Lebensversicherungsgeschäft nach § 26 KStDV a. F. (jetzt § 6 Abs. 4 KStG) ein Verlustvortrag zu berücksichtigen ist, eine Auffassung, die sich schwerlich halten ließe, wenn die Vorschrift eine dem § 17 KStG a. F. ähnliche Bestimmung über die Mindestbesteuerung wäre.
§ 6 Abs. 4 KStG steht somit in einem untrennbaren Zusammenhang mit § 6 Abs. 2 KStG. § 6 Abs. 2 KStG kann daher nicht ohne § 6 Abs. 4 KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG berücksichtigt werden.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Wesen der Gewerbesteuer. Denn was der "objektive Gewerbeertrag" ist, der nach Ansicht des FG der Gewerbesteuer unterworfen wird, bestimmt sich nach § 7 GewStG. Die Verweisung auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb in § 7 GewStG umfaßt, wie näher dargelegt wurde, die Anwendung des § 6 Abs. 4 KStG als einer Vorschrift, die den Abzug der Beitragsrückerstattungen im Lebensversicherungsgeschäft begrenzt. Eine derartige Begrenzung widerspricht dem Wesen der Gewerbesteuer und dem Begriff des Gewerbeertrags ebensowenig wie dem Begriff des Gewinns aus Gewerbebetrieb, wie er der Körperschaftsteuer unterliegt. Dem Gesetzgeber steht es für die Körperschaftsteuer und für die Gewerbesteuer frei, klarzustellen, welche Aufwendungen abgezogen oder nicht abgezogen werden dürfen. Der Gesetzgeber kann auch aus sachlichen Erwägungen Aufwendungen, die an sich Betriebsausgaben wären, vom Abzug ausschließen oder ihren Abzug einschränken (BFH-Urteil I R 53/67 vom 7. Februar 1968, BFH 91, 467, BStBl II 1968, 392, für die Körperschaftsteuer).
Der vom Senat vertretenen Auffassung steht auch nicht das BFH-Urteil I 169/58 U vom 2. Mai 1961 (BFH 73, 433, BStBl III 1961, 424) entgegen. Nach diesem Urteil sind die steuerfreien Zinsen (§ 3a EStG) bei der Ermittlung des Gewinns und nicht erst vor dem mit 5 v. H. berechneten Endbetrag nach § 6 Abs. 4 KStG abzuziehen, weil sie sonst mit dem vollen Betrag abgezogen würden, obwohl sie nur in Höhe von 5 v. H. Besteuerungsgrundlage würden. Dieses Urteil zieht nur Folgerungen aus der Berechnung nach § 6 Abs. 4 KStG, ohne über die sachliche Bedeutung dieser Vorschrift, insbesondere über ihr Verhältnis zu § 6 Abs. 2 KStG etwas auszusagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 68573 |
BStBl II 1969, 493 |
BFHE 1969, 542 |