Leitsatz (amtlich)
Die Verteilung von Vermögensgegenständen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts an die Gesellschafter unter Belastung ihrer Partnerkonten in Höhe des Wertes dieser Gegenstände ist ein steuerbarer Umsatz, gleichgültig, ob sie während des Bestehens der Gesellschaft oder im Rahmen der Auseinandersetzung nach ihrer Auflösung stattfindet.
Normenkette
UStG 1951 § 3 Abs. 1; UStDB 1951 § 2 Abs. 1; AO § 113; StAnpG § 8; BGB § 730 Abs. 1, § 733 Abs. 1 S. 2, §§ 734, 738 Abs. 1 S. 1, § 752; HGB § 149 S. 1, § 155 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger ist durch Haftungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) als Erbe des verstorbenen Gesellschafters einer aus zwei Bauunternehmen gebildeten, inzwischen aufgelösten Arbeitsgemeinschaft (Arge) wegen einer Umsatzsteuerschuld dieser Arge aus dem Veranlagungszeitraum 1959 gemäß § 113 AO in Verbindung mit § 8 StAnpG in Anspruch genommen worden. Streitig ist, ob die in dem Haftungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer 1959 für die Überlassung von Geräten seitens der Arge an die beiden Gesellschafter vom FA zu Recht beansprucht wird. Die Arge hatte den Vorgang „per Partner an Anlagekonten” verbucht und den Gesellschaftern in einem Abrechnungsschreiben vom 27. August 1959 mitgeteilt, daß anläßlich der Auflösung der Arge die argeeigenen Geräte aufgrund des Wert-Gutachtens eines Sachverständigen an die Gesellschafter entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis von 50: 50 als „Überschuß” gemäß den §§ 734, 752 BGB verteilt würden. Die Arge hatte im Jahre 1961 noch einen Zusatzauftrag ausgeführt. Ihre Schlußbilanz wurde auf den 30. November 1962 festgestellt.
Während der Kläger in der anteilsmäßigen Überlassung der Geräte seitens der Arge an ihre Gesellschafter eine Gewinn- bzw. Überschußverteilung gemäß §§ 734, 752 BGB erblickt, die mangels Entgelts nicht steuerbar sei, nehmen FA und FG einen steuerbaren Leistungsaustausch an. In der Vorentscheidung wird im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Überlassung der Geräte an die Gesellschafter beruhe auf § 14 Nr. 9 des Arge-Vertrages, in dem vorgesehen sei, freiwerdende argeeigene Geräte nach Maßgabe des Beteiligungsverhältnisses an die Gesellschafter zum Zeitwert abzugeben. Die Abgabe der Geräte sei eine Lieferung im Sinne des § 2 UStDB. Das Entgelt sei von den Gesellschaftern durch die Anrechnung auf ihre Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis geleistet worden, wie auch im Buchungstext zum Ausdruck komme. Leistung und Gegenleistung stünden in dem für die Annahme eines Leistungsaustausches erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang. Es sei unerheblich, ob die Geräte im Zuge der Auseinandersetzung gemäß §§ 734, 752 BGB übergeben worden seien oder nicht. Wesentlich sei allein, daß die Gesellschafter einen auf Geld- oder Sachleistungen gerichteten Auseinandersetzungsanspruch hätten, auf den sie als Gegenleistung verzichten könnten. Die Unternehmereigenschaft einer Personengesellschaft bestehe bis zu ihrer vollständigen Beendigung. Zur Zeit der Abgabe der Geräte sei die Arge noch nicht aufgelöst gewesen; sie habe noch im Jahre 1961 Umsätze getätigt und die Schlußbilanz sei erst auf den 30. November 1962 festgestellt worden. Infolgedessen könne die Geräteabgabe nicht als Überschußverteilung im Sinne der §§ 734, 752 BGB angesehen werden. Diese Frage sei nicht nach der im Abrechnungsschreiben vom 27. August 1959 gewählten Bezeichnung, sondern nach der wirklichen Natur des Geschäftsvorfalls zu beurteilen. Von einer Überschußverteilung im Sinne der genannten Vorschriften könne auch deshalb nicht gesprochen werden, weil die gemeinschaftlichen Schulden nicht zuvor beglichen worden seien, sondern – wie sich u. a. aus der Bilanz vom 31. Dezember 1959 ergebe – fortbestanden hätten.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO), rügt der Kläger die Verletzung allgemeiner Rechtsnormen des UStG. Diese erblickt er darin, daß in der Vorentscheidung Vorfälle, die sich auf der Gesellschafterebene abgespielt hätten, durch Umdeutung in Geschäftsvorfälle der Leistungsebene der Gesellschaft zugerechnet worden seien. Die Arge-Partner hätten die Geräteabgabe als Überschußverteilung gemäß §§ 734, 752 BGB beschlossen. Der Hinweis des FG auf § 14 Nr. 9 des Arge-Vertrages gehe schon deshalb fehl, weil die nach dieser Bestimmung erforderliche Entscheidung der „Aufsichtsstelle” nicht ergangen sei. Wie sich aus dem Betriebsprüfungsbericht ergebe, sei die Überschußverteilung nach Beendigung des Hauptauftrags erfolgt; der vom FG erwähnte Anschlußauftrag habe einen nur geringen Umfang gehabt und die Anwendung des § 734 BGB nicht ausgeschlossen. Die vorherige Begleichung aller ausreichend bezifferten Schulden sei nicht vorgeschrieben (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB); sie sei im übrigen nur im Innenverhältnis wirksam. Die Abgabe der Baugeräte an die Arge-Partner könne nicht als steuerbarer Umsatz beurteilt werden, weil es am Entgelt fehle. Der bei der BGB-Gesellschaft primär auf Sachleistungen gerichtete Auseinandersetzungsanspruch der Gesellschafter sei durch Erfüllung und nicht – wie das FG angenommen habe – durch Verzicht erloschen. Hierin liege ein wesentlicher Unterschied zu den Gesellschaften des Handelsrechts, bei denen die Überschußverteilung in Sachwerten stets den Verzicht eines Geldanspruchs voraussetze. Der Streitfall sei mit den Fällen der Urteile des BFH V 147/60 vom 29. August 1963 (HFR 1964, 140) und V 241/53 U vom 25. März 1954 (BFH 58, 658, BStBl III 1954, 162) vergleichbar, nur daß die Erfüllung des Anspruchs in umgekehrter Richtung erfolge.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Die vom Kläger gemachte Unterscheidung zwischen „Gesellschaftsebene” und „Leistungsebene” ist mindestens ungenau. Die Gesellschaft und die Gesellschafter sind getrennt zu beurteilende Steuersubjekte, die durchaus Umsätze, mithin auch Leistungen, miteinander austauschen können. Offensichtlich meint der Kläger mit „Gesellschaftsebene” das rein gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen der Vereinigung und ihren Mitgliedern, das auf beiden Seiten Rechte und Pflichten entstehen läßt, u. a. das Recht des Gesellschafters auf Ausschüttung des Gewinns und auf Auseinandersetzung bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses.
Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG die Abgabe der nach Erledigung des Hauptauftrags entbehrlich gewordenen Geräte an die Arge-Partner unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen wie eine Lieferung an gesellschaftsfremde Personen beurteilt hat. Das FG konnte aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, daß sich die Geräteabgabe nicht im Rahmen der Auflösung der Arge und der sich daran anschließenden (vgl. § 730 Abs. 1 BGB) Auseinandersetzung, sondern im Rahmen des fortlaufenden Geschäftsverkehrs der Arge abgespielt hat. Hierfür sprechen der diesen Vorgang behandelnde § 14 Nr. 9 des Arge-Vertrages, die Fortsetzung der Arge nach Erfüllung des Hauptauftrags, die Höhe der Passivposten in der Jahresbilanz per 31. Dezember 1959 und die Aufstellung einer Schlußbilanz per 30. November 1962. Dem Umstande, daß es an der in § 14 Nr. 9 Abs. 3 des Arge-Vertrages vorgesehenen formalen „Entscheidung” der „Aufsichtsstelle” – eines Organs der Arge (vgl. § 5 des Arge-Vertrages) –, in der jeder der beiden Arge-Partner mit einer Stimme vertreten war (vgl. § 6 des Arge-Vertrages) gefehlt hat, ist keine Bedeutung beizumessen, weil sich die Nichtbeachtung der genannten Bestimmungen nur im Innenverhältnis auswirken könnte, abgesehen davon, daß die Arge-Partner durch die Entgegennahme der Geräte ihre Überlassung durch die Arge gebilligt haben. Es trifft zwar zu, daß die Überschußverteilung auch möglich ist, wenn noch nicht alle Schulden der Gesellschaft berichtigt sind. § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB spricht jedoch nur von den noch nicht fälligen und streitigen Schulden. Jedenfalls erscheint es bedenklich, eine mehr als drei Jahre vor der Auflösung der Arge in Übereinstimmung mit dem Arge-Vertrag zum Zeitwert durchgeführte Geräteabgabe an die Arge-Mitglieder mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung als Vorgang im Rahmen der Auseinandersetzung anzusehen, auch wenn die Arge ihn im Abrechnungsschreiben vom 27. August 1959 als solchen bezeichnet hat. Es handelt sich insoweit um die Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, deren Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (§ 118 Abs. 2 FGO), da Denkfehler oder Verstöße gegen den Akteninhalt nicht feststellbar sind.
Die Frage braucht nicht weiter vertieft zu werden, weil der streitige Vorgang einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz auch dann darstellt, wenn die Geräteabgabe der Arge an ihre Mitglieder im Rahmen der Auseinandersetzung nach Auflösung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 730 Abs. 1, 731 bis 734, 752 BGB) stattgefunden hat. Die Voraussetzungen des § 1 Nr. 1 UStG 1951 sind erfüllt: Die Geräteübereignungen sind umsatzsteuerrechtlich Lieferungen. Denn durch sie hat die Arge (Unternehmer) ihre Mitglieder (Abnehmer) befähigt, im eigenen Namen über die Geräte zu verfügen (§ 3 Abs. 1 UStG 1951, § 2 Abs. 1 UStDB 1951). Die Lieferungen sind auch gegen Entgelt ausgeführt worden. Dieses besteht darin, daß entsprechend der Buchung der Arge „per Partner an Anlagekonten” die Auseinandersetzungsguthaben der Arge-Mitglieder in Höhe des verbuchten Betrages gemindert worden sind. Eines ausdrücklichen Verzichts der Arge-Partner auf Teile ihres Auseinandersetzungsguthabens bedurfte es – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht. Der Verzicht ist stillschweigend dadurch erklärt worden, daß die Arge-Partner mit der Belastung ihrer Partnerkonten einverstanden waren. Ob der Auseinandersetzungsanspruch der Gesellschafter primär auf Sachleistungen („Teilung in Natur”) gerichtet ist – wie gemäß § 731 Satz 2 in Verbindung mit § 752 BGB bei der BGB-Gesellschaft – oder primär auf Geldleistungen – wie gemäß § 149 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 1 HGB z. B. bei der OHG –, im zweiten Falle die Gesellschafter aber die Verteilung aller oder einzelner gesellschaftseigener Gegenstände in Natur vereinbaren, macht keinen Unterschied aus; in beiden Fällen wird die Gegenleistung (das Entgelt) dadurch bewirkt, daß sich das Auseinandersetzungsguthaben der Leistungsempfänger (Gesellschafter) entsprechend mindert. In dem einen Falle gibt der Gesellschafter einen ideellen Miteigentumsanspruch an den im Gesamthandseigentum stehenden Gegenständen der Gesellschaft, im anderen Falle einen Auseinandersetzungsanspruch in Geld auf.
Das Umsatzsteuerrecht wird in besonderem Maße von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beherrscht. Es wäre aber ein wirtschaftlich untragbares Ergebnis, wenn im Rahmen der Auseinandersetzung eine OHG bei verembarter Verteilung der gesellschaftseigenen Sachwerte zur Umsatzsteuer herangezogen würde, eine BGB-Gesellschaft dagegen nur deswegen unbesteuert bliebe, weil der Gesetzgeber bei der BGB-Gesellschaft wegen der hier meist einfach liegenden Vermögensverhältnisse primär eine Teilung des Gesellschaftsvermögens in Natur vorsieht (vgl. aber § 753 BGBl). Der Fall des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters aus einer Gesellschaft, auf den der Kläger zum Vergleich hinweist, ist rechtlich anders gelagert, weil hier im Gesetz (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) ausdrücklich bestimmt ist, daß der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zuwächst. Die Urteile des Senats V 241/53 U vom 25. März 1954 und V 147/60 vom 29. August 1963, a. a. O., auf die der Kläger ebenfalls Bezug nimmt, behandeln Leistungen der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft; aus ihnen lassen sich rechtliche Schlüsse für den Streitfall nicht ziehen.
Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1969, 572 |
BFHE 1969, 141 |