Leitsatz (amtlich)
Der Ansatz der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand auf Dienstreisen führt zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung, wenn sich die Reisetätigkeit des Arbeitnehmers am Dienstort in arbeitstäglichen Fahrten zu und von der jeweiligen Arbeitsstätte erschöpft.
Normenkette
EStG 1967 § 9 Abs. 1 S. 1; LStDV 1968 § 20 Abs. 2 S. 1; LStR 1968 Abschn. 21 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 Nr. 3
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist Lohnsteuer-Außenprüfer in Berlin. Er erhält eine monatliche steuerfreie Außendienstentschädigung von 50 DM, die zum Teil für Verpflegungsmehraufwand gezahlt wird.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1968 machte er u. a. unter Anwendung der Pauschsätze für Verpflegungsmehraufwand nach Abschn. 21 LStR Reisekosten in Höhe von 1 934,30 DM als Werbungskosten geltend, die um Teile der Aufwandsentschädigung gekürzt werden sollten. Er trug vor, er habe an 164 Tagen eine mehr als sieben Stunden dauernde und an sieben Tagen eine vier- bis siebenstündige Dienstreise gemacht, die ihn jeweils mehr als fünf km von seinem Dienstsitz entfernt habe.
Der Revisionsbeklagte (FA) lehnte den Antrag mangels Nachweises der tatsächlichen Kosten ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1970, 601 veröffentlicht. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Steuerpflichtige Verletzung des § 9 EStG. Er trägt vor, daß das angefochtene Urteil im Gegensatz zur Entscheidung des BFH VI R 168/66 vom 14. April 1967 (BFH 88, 422, BStBl III 1967, 430) stehe und den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG verletze. Nach Abschn. 21 LStR ständen sich bei der steuerlichen Berücksichtigung von Mehraufwendungen für Verpflegung zwei Sachverhalte gegenüber. Die Absätze 3 und 4 berücksichtigten die Mehraufwendungen als Werbungskosten, während Abs. 7 den Ersatz durch den Arbeitgeber behandle. Es verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, daß der vom Arbeitgeber in Höhe der Pauschbeträge geleistete Ersatz grundsätzlich als nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehörend anerkannt werde, wohingegen für den Differenzbetrag zwischen dem Ersatz und dem Pauschbetrag in der Praxis der einzelne Nachweis verlangt werde.
Der Steuerpflichtige beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die von ihm beantragten Werbungskosten anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet. Zwar ist das FG zu Unrecht vom Dienstreisebegriff in Abschn. 21 Abs. 2 Satz 1 LStR abgewichen. Die Entscheidung stellt sich jedoch als richtig dar, weil im vorliegenden Fall der Ansatz der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand nach Abschn. 21 Abs. 4 Nr. 3 LStR zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde.
Verpflegungsaufwendungen, die grundsätzlich zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung gehören, können ausnahmsweise Werbungskosten sein, soweit sie ausschließlich oder ganz überwiegend beruflich veranlaßt sind. Eine berufliche Veranlassung ist z. B. bei Dienstreisen gegeben. Unter welchen Voraussetzungen eine einen solchen Verpflegungsmehraufwand auslösende Dienstreise anzunehmen ist, ist eine Frage der Abgrenzung. Die Grenzziehung durch die LStR, die die Entstehung von Verpflegungsmehraufwand bei einer Fahrt anerkennen, die der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen von dem Ort seiner regelmäßigen Arbeitsstätte in eine andere politische Gemeinde oder zwar innerhalb derselben politischen Gemeinde, nach einem mehr als fünf km entfernten Ort unternimmt, ist eine typisierende Regelung, die der Vereinfachung und der gleichmäßigen Handhabung dient und gerade beim Lohnsteuerverfahren als einem Massenverfahren berechtigt erscheint. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats geben die Richtlinien hier eine zutreffende, mit dem EStG vereinbare Auslegung des Werbungskostenbegriffs (vgl. Urteile VI 249/62 U vom 15. März 1963, BFH 76, 818, BStBl III 1963, 298; VI 116/65 vom 17. August 1966, BFH 86, 713, BStBl III 1966, 634; VI R 168/66 vom 14. April 1967, a. a. O.). Es ist zwar zuzugeben, daß die fünf-km-Grenze, bei deren Überschreitung nach den Richtlinien eine einen Verpflegungsmehraufwand in Höhe der Pauschsätze auslösende Dienstreise anzunehmen ist, im Hinblick auf die wachsende Motorisierung der Bevölkerung nicht mehr ganz zweifelsfrei ist (vgl. BFH-Urteil VI 127/65 vom 2. Februar 1968, BFH 91, 565, BStBl II 1968, 430). Das Urteil des FG gibt jedoch keine Veranlassung, vom bisherigen Dienstreisebegriff abzuweichen; denn FÄ und FG, die aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Richtsätze grundsätzlich beachten sollen, brauchen sich ohnehin dann nicht an die Richtsätze zu halten, wenn deren Anwendung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (BFH-Urteile VI R 168/66, a. a. O., und VI 127/65, a. a. O.).
Der Einwand des Steuerpflichtigen, daß die Einschränkung der Anwendung der Richtsätze gegen Art. 3 GG verstoße, ist nicht gerechtfertigt. Der Gleichheitssatz verbietet die ungleiche Behandlung gleichgelagerter Tatbestände. Diese ist jedoch im Falle des Ersatzes von Reisekosten durch den Arbeitgeber und der Geltendmachung von Reisekosten durch den Arbeitnehmer nicht gegeben. In dem einen Fall geht es um die Steuerfreiheit von Einnahmen, während der zweite den Abzug von Werbungskosten betrifft. Es handelt sich um unterschiedlich gelagerte Tatbestände, die dementsprechend auch unterschiedlich geregelt sein können.
Der Entscheidung des FG ist im Ergebnis zuzustimmen, da sie - wenn auch auf Grund fehlerhafter rechtlicher Würdigung - nichts anderes zum Ausdruck bringt, als daß bei Anwendung der Richtsätze im vorliegenden Fall in nicht unerheblichem Umfang Kosten der Lebenshaltung des Steuerpflichtigen steuerlich begünstigt würden. Die Reisetätigkeit des Steuerpflichtigen, die zu seinen normalen Dienstobliegenheiten gehört, erschöpft sich darin, daß er statt seiner regelmäßigen Arbeitsstätte den zu prüfenden Betrieb aufsucht, dort innerhalb seiner Arbeitszeit seiner Prüfungstätigkeit nachkommt und nach Dienstschluß nach Hause fährt. Das bedeutet, daß er eine Zwischenmahlzeit, die Mehraufwand gegenüber seinen dafür üblichen Aufwendungen verursachen kann, zu sich nimmt. Mehraufwand in Höhe der Pauschsätze kann ihm dadurch nach der Lebenserfahrung nicht entstehen. Dafür spricht auch die Höhe des dem Steuerpflichtigen von seinem Dienstherrn gewährten Ersatzes.
Da der Steuerpflichtige den ihm entstandenen Mehraufwand nicht nachweisen konnte, war dieser zu schätzen. Die Schätzung des FG, die alle Umstände des Falles berücksichtigt, ist nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 69800 |
BStBl II 1972, 246 |
BFHE 1972, 217 |