Entscheidungsstichwort (Thema)
Literatur als Arbeitsmittel eines Lehrers
Leitsatz (NV)
Für die Frage, ob Bücher und Zeitschriften mit nicht ausschließlich allgemeinbildendem Inhalt bei einem Lehrer als Arbeitsmittel anzusehen sind, kommt es regelmäßig auf den tatsächlichen Verwendungszweck der Literatur an. Das Finanzgericht muß Feststellungen dazu treffen, in welchem Umfang die Literatur für dienstliche und für private Zwecke genutzt wird. Erst wenn die Ermittlungen zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, kann der objektive Charakter den Ausschlag geben.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 6, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Oberstudienrätin, u.a. Aufwendungen für Fachliteratur als Werbungskosten geltend. Hiervon erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Aufwendungen für die Zeitschriften ,,Kosmos" und ,,Das Tier" (in beiden Streitjahren je 48 DM bzw. 34,20 DM) und für den ,,Weltatlas des Tierlebens" (56 DM, nur 1977) nicht als Werbungskosten an.
Dagegen erhob die Klägerin - mit Zustimmung des FA ohne Vorverfahren - Klage. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab den Vortrag der Klägerin in seinem Urteil - neben dem Klageantrag - in zwei Sätzen wieder. In den Urteilsgründen führte es im wesentlichen aus, weder die Zeitschrift noch der Atlas seien typische Fachliteratur; beide würden auch von naturwissenschaftlich interessierten Laien gelesen und benutzt. Es sei daher nicht auszuschließen, daß die Klägerin nicht nur durch berufliche, sondern auch durch private Gründe zum Kauf veranlaßt worden sei. Die Abziehbarkeit der Anschaffungskosten sei deshalb durch § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen. Hierzu werde im einzelnen auf die zutreffenden Ausführungen des FA in der Klageerwiderung und im Schriftsatz vom 16. April 1980 Bezug genommen. Wenn die Klägerin demgegenüber im einzelnen darlege, wie sie die Zeitschrift und den Atlas beruflich verwendet habe, so könne dies als zutreffend unterstellt werden. Damit werde aber eine private Mitveranlassung für die Anschaffung noch nicht ausgeschlossen, möge sie auch hinter der beruflichen Veranlassung zurücktreten.
Nach Zustellung der Vorentscheidung stellte die Klägerin einen Antrag auf Berichtigung und Ergänzung des Tatbestandes. Das FG wies diesen Antrag teils als unzulässig, teils als unbegründet zurück. In der Begründung seines Beschlusses, an dem dieselben Richter mitwirkten wie an der Vorentscheidung, ist u.a. ausgeführt, der Tatbestand sei ,,mit Rücksicht auf § 105 Abs. 5 FGO" über die dort genannten Mindesterfordernisse hinausgehend besonders kurz gefaßt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.
In formeller Hinsicht machte sie die Verletzung des § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend, rügt die Versagung des rechtlichen Gehörs und der Verpflichtung zur Amtsermittlung. Sie trägt vor, die Entscheidung sei überraschend und ohne Berücksichtigung wesentlicher Umstände ergangen. So hätte berücksichtigt werden müssen, daß sie ledig sei und allein lebe; die streitige Literatur habe sie ausschließlich für den Unterricht angeschafft. Auch mit dem Inhalt der Literatur hätte sich das FG befassen müssen. Statt dessen habe es die vorgelegten Beweismittel übergangen. Im übrigen seien ihre Ausführungen in der Klagebegründung, mit denen sie dargelegt habe, daß die Anschaffung der Literatur ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei, vom FG nicht gewürdigt worden. Schließlich widerspreche es der Lebenserfahrung anzunehmen, daß eine Biologin im Alter von über 50 Jahren zur persönlichen Erbauung Zeitschriften auf dem Gebiet der Biologie lese, die Heranwachsende ansprechen wollten.
In materieller Hinsicht rüge sie, daß das FG praktisch eine Typisierung zum Nachteil des Steuerpflichtigen vorgenommen und damit gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung verstoßen habe. Diese stelle entscheidend auf den tatsächlichen Verwendungszweck des Wirtschaftsguts oder der Aufwendung ab. Danach hätte hier die Abziehbarkeit als Werbungskosten anerkannt werden müssen. So werde die Zeitschrift ,,Das Tier" in einer Beilage zur Naturwissenschaftlichen Rundschau für Lehrer- und Schülerbibliotheken empfohlen, weil sie den Biologieunterricht wesentlich bereichern könne. Die Zeitschrift ,,Kosmos" werde in einer Beilage zur Naturwissenschaftlichen Rundschau unter ,,Fachzeitschriften und Zeitschriften für die Unterrichtspraxis" ausgewiesen. Der ,,Weltatlas des Tierlebens" schließlich sei spezielle Fachliteratur; hierzu würden vier Rezensionen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide und unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Einkommensteuer 1976 auf . . . DM und die Einkommensteuer 1977 auf . . . DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die formellen Rügen ordnungsgemäß erhoben wurden und begründet sind. Die Vorentscheidung ist jedenfalls deshalb aufzuheben, weil das FG in der Sache selbst von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen ist. Denn es durfte nicht eine weitaus überwiegende berufliche Nutzung der streitigen Literatur unterstellen, die Abziehbarkeit aber gleichwohl deshalb verneinen, weil eine private Mitveranlassung bei der Anschaffung nicht ausgeschlossen werden könne.
Zu den Aufwendungen, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, gehören auch Ausgaben für Arbeitsmittel. Nicht abziehbar sind jedoch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die Frage, ob ein Gegenstand im Einzelfall als Arbeitsmittel anzuerkennen ist, beurteilt sich nach den Grundsätzen, die der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) aufgestellt hat. Danach können Anschaffungskosten dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn feststeht, daß der Arbeitnehmer den Gegenstand weitaus überwiegend beruflich verwendet. Daraus folgt, daß es für die Abziehbarkeit von Aufwendungen für beruflich genutzte Gegenstände, die auch privat genutzt werden können, bei der Entscheidung, ob nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebenshaltung vorliegen, im allgemeinen weniger auf den objektiven Charakter des angeschafften Gegenstands ankommt, sondern vielmehr auf die Funktion des Gegenstands im Einzelfall, also den tatsächlichen Verwendungszweck. Diese Grundsätze gelten auch, wenn zu entscheiden ist, ob Bücher als Arbeitsmittel eines Lehrers anzusehen sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 16. Oktober 1981 VI R 180/79, BFHE 134, 299, BStBl II 1982, 67).
In Fällen der vorliegenden Art muß das FG also Feststellungen dazu treffen, in welchem Umfang der Steuerpflichtige die streitige Literatur für dienstliche und für private Zwecke genutzt hat, wobei eine private Mitbenutzung nicht schädlich ist, wenn sie unbedeutend ist und nicht ins Gewicht fällt. Erst wenn diese Untersuchungen zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, kann der objektive Charakter der Werke, der vom FG im einzelnen darzustellen und zu würdigen ist, den Ausschlag geben.
Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt.
Fundstellen
Haufe-Index 414422 |
BFH/NV 1986, 401 |