Leitsatz (amtlich)
Dient ein Bearbeitungsvorgang begünstigten und nicht begünstigten Zwecken, so kommt es darauf an, welchem dieser Zwecke die größere Bedeutung zukommt.
Normenkette
UStG 1934 § 4 Ziff. 4; UStG 1951 § 4 Ziff. 4; UStDB 1951 § 29 Abs. 2 Ziff. 11, § 30 Abs. 1 Ziff. 7
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) stellt ein vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten genehmigtes und unter der Bezeichnung "Mischfutter aus Weizenkleie und Bierhefe, getrocknet (B.W.)" registriertes Mischfuttermittel her.
Sie erwirbt flüssige Bierhefe, Preßhefe und Weizenkleie. Zunächst werden die flüssige Bierhefe und die Preßhefe in besonderen Behältern gemischt. Dieses Hefegemisch Iäuft durch eine Rohrleitung, in die Weizenkleie eingeführt wird. Dabei entsteht ein feuchtes klumpiges Gemenge aus Hefe und Kleie. Dieses wird über drei Trockenbänder geführt. Unter den beiden ersten Bändern befinden sich Heizkörper; über dem letzten sind vier mit Bürsten versehene Wellen angebracht. Aufgabe der Bürsten ist es, die in der Masse befindlichen Klumpen zu zerteilen und eine möglichst homogene Masse zu schaffen. Von dem Mischer und Trockner läuft die Masse, in der sich noch kleinere, im Innern feuchte Klumpen befinden, durch die Hammermühle, wo sie zerkleinert wird. Die letzte Bearbeitung erfolgt in einem Mischbehälter, in dem sich zwei Mischschnecken befinden. Das fertige mehlartige Produkt wird dann in Säcke abgefüllt und an Futtermittelhersteller verkauft. Das Mischfuttermittel wird von der Stpfl. vorschriftsmäßig verpackt und gekennzeichnet in den Verkehr gebracht.
Das Finanzamt hat eine Anwendung des § 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Ziff. 7 UStDB auf die Lieferungen des von der Stpfl. hergestellten Mischfuttermittels abgelehnt. Es nahm an, daß ein "Binden" mittels Einwirkung von Wärme kein Mischen im Sinne des § 30 Abs. 1 Ziff. 7 UStDB sei.
Auch die eingelegte Sprungberufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, daß es sich noch nicht um ein Endprodukt, sondern um ein Gemenge handele, das erst nach weiterer Bearbeitung durch andere Firmen an die Endverbraucher gelange. Es legte diesem Umstand jedoch keine Bedeutung bei. Dagegen hielt es die von der Stpfl. vorgenommene Trocknung der an die Kleie gebundenen Hefe für eine steuerlich schädliche Bearbeitung. Es lasse sich nicht einwandfrei sagen, ob das Mischen wesentlicher als das Trocknen oder umgekehrt das Trocknen wesentlicher als das Mischen sei. Beide Vorgänge seien in Gemeinschaft mit dem Zerkleinern erforderlich, um das Endprodukt herzustellen. Durch das Trocknen erhalte das Produkt erst seine Marktgängigkeit, da die Masse in feuchtem Zustande mangels Haltbarkeit überhaupt nicht absetzbar sei.
Die dagegen eingelegte Rb. wird auf unrichtige Rechtsanwendung, Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und wesentliche Verfahrensmängel gestützt. Bei § 29 Abs. 2 Ziff. 11 UStDB handle es sich um eine agrarpolitische Zweckvorschrift, die ganz auf die ernährungswirtschaftlichen Normen abgestellt sei. Sie sei lediglich auf die dort genannten Tiere beschränkt. Für die Auslegung der Vorschrift sei von dem Gesetz auszugehen, das den Verordnungsgeber in § 4 Ziff. 4 UStG zur Befreiung bestimmter Gegenstände ermächtigt habe. Das Urteil setze sich auch in Widerspruch zu den beim Zusammentreffen steuerlich schädlicher und unschädlicher Bearbeitungsvorgänge aufgestellten Grundsätzen der Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung des Schrifttums. Unhaltbar sei die Auffassung, daß in allen Fällen, in denen beide Bearbeitungsarten, sowohl die steuerlich schädlichen als auch die besonders zugelassenen, erforderlich seien, um das Endprodukt herzustellen, keine der beiden als die wesentlichere anerkannt werden könne. Bei Anerkennung dieses Kriteriums wäre in allen bisher von Rechtsprechung und Verwaltung entschiedenen Fällen dieser Art die Steuervergünstigung zu versagen. Vom Finanzgericht werde auch dem zeitlichen Ablauf der Vorgänge eine Bedeutung gegeben, die ihm nicht zukomme. Es sei unwesentlich, ob die aus technischen Gründen zwangsläufig notwendigen, nicht zugelassenen Bearbeitungsmaßnahmen den begünstigten Behandlungsvorgängen vorgingen, nachfolgten oder mit diesen gleichzeitig vollzogen würden. Die zwangsläufige Verbundenheit der an sich steuerlich schädlichen Bearbeitung mit den besonders zugelassenen Bearbeitungsvorgängen sei schon dann zu bejahren, wenn die schädliche Bearbeitung einem Gebote wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit entspreche. Bei der Stpfl. liege der Schwerpunkt wirtschaftlich und herstellungsmäßig in dem Vorgange des Mischens. Das Trocknen der dem Gemenge beigegebenen flüssigen Bierhefe sei diesem Zweck untergeordnet. Die Unschädlichkeit des Trocknens ergebe sich auch daraus, daß dieses ausschließlich zu dem Zweck geschehe, einen möglichst vollkommenen Mischzustand der einzelnen Gemengteile zu erlangen und die Haltbarkeit des Mischfuttermittels zu gewährleisten. Der begünstigte Bearbeitungsvorgang des Mischens sei ohne das Trocknen nicht einwandfrei abzuwickeln. In der mündlichen Verhandlung ist noch besonders darauf hingewiesen worden, daß das von der Stpfl. hergestellte Mischfutter auch unmittelbar verfüttert worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Das Finanzgericht hat der weiteren Verarbeitung des von der Stpfl. hergestellten Mischfuttermittels durch ihre Abnehmer keine Bedeutung beigemessen, weil es sich um ein Halberzeugnis handele und der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Erzeugnis in die Liste der Futtermittel aufgenommen und durch seine Genehmigung nach § 6 Abs. 2 der Futtermittelanordnung in der Fassung vom 24. Oktober 1951 (Bundesanzeiger Nr. 213 vom 2. November 1951) zum Ausdruck gebracht habe, daß er es ernährungswirtschaftlich den in der Normentafel aufgeführten Mischfuttermitteln gleichachte. Diese Begründung läßt unberücksichtigt, daß § 29 Abs. 2 Ziff. 11 UStDB nicht alle Mischfuttermittel begünstigt, die den ernährungswirtschaftlich vorgeschriebenen Normen entsprechen und vorschriftsmäßig registriert, verpackt und gekennzeichnet sind. Die Futtermittel, die diese Eigenschaften haben, müssen außerdem zur Fütterung der in der Vorschrift genannten Tiere bestimmt sein. Die steuerliche Befreiungsvorschrift enthält insoweit eine Einschränkung. Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil V 29/55 U vom 30. Juni 1955 (BStBl 1955 S. 287, Slg. Bd. 61 S. 235) ausgesprochen, daß diese Vorschrift auch angewendet werden kann, wenn das Mischfuttermittel nicht nur zur Fütterung der in § 29 Abs. 2 Ziff. 11 UStDB aufgeführten Tiere geeignet ist, so daß es auf die tatsächliche Verwendung nicht ankommt. Der Senat ist weiter der Auffassung, daß mit Rücksicht auf den ernährungswirtschaftlichen Zweck der Vorschrift deren Anwendbarkeit auch nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß ein Mischfuttermittel, das die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, erst nach weiterer Bearbeitung durch andere Mischfuttermittelhersteller an die Endverbraucher gelangt. Im Ergebnis kann dem Finanzgericht deshalb insoweit zugestimmt werden.
Der Senat vermag dem Finanzgericht jedoch nicht darin zu folgen, daß im vorliegenden Falle das Trocknen als eine in § 30 Abs. 1 Ziff. 7 UStDB nicht aufgeführte zugelassene Bearbeitung eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 29 Abs. 2 Ziff. 11 UStDB ausschließe. Das Finanzgericht ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, daß es bei einem Zusammentreffen besonders zugelassener und anderer Bearbeitungen -- wie hier des Mischens und Zerkleinerns einerseits und des Trocknens andererseits -- darauf ankomme, welcher der beiden Bearbeitungsvorgänge der wesentlichere sei oder -- sofern sich dies nicht einwandfrei feststellen lasse -- ob durch die nicht zugelassene Art der Bearbeitung die Ware eine andere Marktgängigkeit erhalte. Es hat angenommen, daß keiner der Vorgänge als der wesentlichere angesehen werden könne, das hergestellte Produkt aber durch das Trocknen erst seine Marktgängigkeit erhalten habe. Diese Beurteilung wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Es war der Zweck der in Betracht kommenden Vorgänge, aus Bierhefe, Preßhefe und Weizenkleie ein Mischfuttermittel herzustellen. Dazu war erforderlich, daß diese Stoffe miteinander vermischt wurden. Der Mischvorgang begann mit der Zusammenführung der Stoffe und endete nach dem letzten Zerkleinern in den Mischschnecken. Sowohl das Trocknen als auch das Zerkleinern, das für sich allein eine zugelassene Bearbeitung darstellt, dienten dem Zweck des Mischens. Erst durch das Trocknen konnte aus dem vorher noch feuchten und klumpigen Gemenge eine homogene Mischung entstehen. Auch das Zerkleinern setzte ein Trocknen voraus. Bei dieser Sachlage trug das Trocknen wesentlich zu den begünstigten Vorgängen des Mischens und Zerkleinerns und damit zur Herstellung des Mischfutters bei. Dem Trocknen kam allerdings auch insofern eine Bedeutung zu, als dadurch die Ware erst haltbar und verkehrsfähig gemacht wurde. Dabei hat das Finanzgericht mit Recht angenommen, daß das Haltbarmachen nicht nur als Erhaltungsmaßnahme, die steuerlich unschädlich wäre, angesehen werden kann. Das Trocknen diente also begünstigten und nicht begünstigten Zwecken. Es war daher weiter zu prüfen, ob Zweck des Trocknens in erster Linie das Schaffen eines haltbaren und verkehrsfähigen Gutes war, oder ob der Zweck einer möglichst vollkommenen Mischung der Bestandteile des Futters im Vordergrund stand. Die Stpfl. hat dazu mit Recht darauf hingewiesen, daß bei ihr der Schwerpunkt wirtschaftlich und herstellungsmäßig in dem Vorgange des Mischens gelegen habe. Diese Beurteilung erscheint deshalb berechtigt, weil der gesamte Herstellungsprozeß im wesentlichen aus einem Mischen bestand und die gesamte Tätigkeit auf die Herstellung eines Mischfuttermittels gerichtet war. Diesem Zweck diente auch das Trocknen in besonderem Maße. Wenn dadurch außerdem erreicht wurde, daß das Erzeugnis haltbar und verkehrsfähig gemacht wurde, so war dieser Zweck zwar ebenfalls durchaus bedeutsam, er muß jedoch gegenüber dem die Herstellung beherrschenden Vorgange des Mischens zurücktreten. Dem Trocknen als einem wesentlichen Teil des Mischvorganges kommt daher die größere Bedeutung zu. Gegen eine Anwendung des § 29 Abs. 2 Ziff. 11 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Ziff. 7 UStDB bestehen hiernach im vorliegenden Falle keine Bedenken. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.
Der Senat ist in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden. Nach dem Inhalt der Akten ergibt sich die folgende Steuerberechnung: ...
Fundstellen
BStBl III 1963, 272 |
BFHE 1963, 748 |