Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Revisionsbegründung; Aufwendungen für den Einbau von Rolläden nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar
Leitsatz (NV)
Eine Revisionsbegründung genügt den nach § 120 FGO inhaltlich zu stellenden Anforderungen, auch wenn sich der Revisionskläger nur sehr knapp mit der rechtlichen Würdigung des Finanzgerichts auseinandersetzt. Eine eingehende und umfassende Erörterung der streitigen Rechtsfrage ist nicht erforderlich.
Die Zuordnung zu den Herstellungs- oder Erhaltungskosten kann grundsätzlich nicht von der Höhe der Aufwendungen abhängig gemacht werden, wenn es sich um Herstellungsmaßnahmen handelt, durch die etwas bisher nicht Vorhandenes geschaffen wird. Aufwendungen für den erstmaligen Einbau von Rolläden sind daher - auch wenn sie nicht mehr als 4000 DM betragen - Herstellungskosten und somit nicht nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar.
Normenkette
EStG § 10e
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahr 1987 ein Einfamilienhaus, das sie zu eigenen Wohnzwecken nutzte. In der Einkommensteuererklärung 1987 machte sie einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1987 (EStG) in Höhe von 12282 DM (Bemessungsgrundlage: 245621 DM) geltend sowie Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 5815 DM. In diesem Betrag waren Aufwendungen für den Einbau von Rolläden in Höhe von 3883 DM enthalten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Vorkosten nur in Höhe von 1932 DM zum Abzug zu. Die Aufwendungen für den Rolladeneinbau rechnete er der Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG hinzu, der sich hierdurch auf 12476 DM erhöhte. Einspruch und Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 waren erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte in seiner klageabweisenden Entscheidung aus: Die vor Bezug des Hauses aufgewendeten Kosten für die Rolläden rechneten zwar nicht zu den (nachträglichen) Herstellungskosten des Gebäudes, sondern seien Erhaltungsaufwendungen. Dies ergebe sich unabhängig von der tatsächlichen Zuordnung schon aus Abschn. 157 Abs. 4 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR), nach dem Aufwendungen auf Antrag stets als Erhaltungsaufwand zu behandeln seien, wenn für die Baumaßnahme nicht mehr als 4000 DM zuzüglich Umsatzsteuer aufgewendet worden seien. Die Aufwendungen wären somit im Falle der Vermietung und Verpachtung als Erhaltungsaufwand sofort abziehbare Werbungskosten. Im Streifall fehle es jedoch an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Kosten für den Einbau der Rolläden und der Anschaffung des Gebäudes. Insoweit bestehe wohl ein zeitlicher, aber kein sachlicher Zusammenhang. Die Aufwendungen hingen allenfalls mit der späteren Nutzung des Gebäudes zusammen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid 1987 vom 29. April 1991.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
Entgegen der Auffassung des FA genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen, die gemäß § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) inhaltlich an eine Revisionsbegründung zu stellen sind. Die Klägerin wendet sich in ihrem Revisionsschriftsatz gegen die einengende Auslegung des § 10e Abs. 6 EStG durch das FG. Sie legt dar, aus den Gesetzesbegründungen zu § 10e Abs. 6 EStG (BTDrucks 10/3633, BTDrucks 10/5208 und BRDrucks 139, 85, S. 18) ergebe sich, daß die nach der Rechtslage vor 1987 als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen im Bau- und Anschaffungszeitraum auch weiterhin abziehbar sein sollten. Das Tatbestandsmerkmal unmittelbar in § 10e Abs. 6 EStG beruhe auf einem Redaktionsversehen, was auch daraus zu ersehen sei, daß das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Oktober 1990 (BStBl I 1990, 626, 633) dieses Tatbestandsmerkmal nicht mehr erwähne. Damit setzt sich die Klägerin - wenn auch sehr knapp - mit der rechtlichen Würdigung des FG auseinander, das aus dem Tatbestandsmerkmal unmittelbarer Zusammenhang der Aufwendungen mit der Herstellung oder Anschaffung folgert, vor Bezug der Wohnung entstandene Aufwendungen seien nicht in gleichem Umfang wie nach der Rechtslage vor 1987 abziehbar. Eine eingehende und umfassende Erörterung der streitigen Rechtsfrage fordert § 120 FGO nicht (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523, und vom 25. April 1990 I R 59/89, BFH/NV 1991, 269).
2. Die Revision ist unbegründet.
Im Gegensatz zur Vorinstanz hat der Senat im Urteil vom 11. März 1992 X R 113/89 (BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886) bei Erhaltungsaufwendungen (Renovierungskosten) im Anschluß an den Erwerb einer Wohnung einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung der Wohnung i.S. von § 10e Abs. 6 EStG bejaht. Der Abzug der geltend gemachten Aufwendungen scheitert im Streitfall jedoch an den übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift. Abziehbar sind vor Bezug entstandene Aufwendungen danach nur, wenn es sich nicht um Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung handelt und wenn sie im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.
Aufwendungen für den nachträglichen Einbau von Rolläden gehören aber - wovon auch die Klägerin ausgeht - zu den Herstellungskosten des Gebäudes, weil dem Gebäude etwas Neues, bisher nicht Dagewesenes hinzugefügt worden ist (BFH-Urteile vom 1. Februar 1983 VIII R 103/82, Betriebs-Berater 1983, 1076 - nachträglich eingebaute Rolläden -, und vom 29. August 1989 IX R 176/84, BFHE 159, 303, BStBl II 1990, 430 - nachträglich fest an der Außenmauer angebrachte Markise -). Im Falle einer Vermietung oder Verpachtung der Wohnung wären die Aufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten zusammen mit den Anschaffungskosten des Gebäudes nach dem für diese geltenden Vomhundertsatz abzusetzen (BFH-Urteil vom 20. Januar 1987 IX R 103/83, BFHE 149, 448, BStBl II 1987, 491 unter 1. am Ende m.w.N.). Sofort in voller Höhe abziehbare Werbungskosten lägen nur vor, wenn die Aufwendungen als Erhaltungsaufwand zu beurteilen wären. Erhaltungsaufwand setzt aber begrifflich voraus, daß etwas bereits Bestehendes instandgesetzt oder instandgehalten wird (BFHE 159, 303, BStBl II 1990, 430).
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Aufwendungen für den Rolladeneinbau auch nicht deswegen als Erhaltungsaufwand zu beurteilen, weil sie (vgl. Abschn. 157 Abs. 4 Satz 5 EStR) nicht mehr als 4000 DM betragen haben. Die Richtlinienregelungen binden die Gerichte nicht. Zwar kann bei der Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen deren Höhe ein Anhaltspunkt für die Zuordnung sein (BFH-Urteil vom 16. Juli 1974 VIII R 143/71, BFHE 113, 286, 288, BStBl II 1975, 193). Das gilt nach Auffassung des Senats jedoch nur bei der Beurteilung von Aufwendungen für die Erneuerung von bereits bestehenden Teilen, Einrichtungen oder Anlagen des Gebäudes. Bei derartigen Maßnahmen ist Herstellungsaufwand anzunehmen, wenn das Gebäude durch die Maßnahme wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen erheblich verändert oder über seinen bisherigen Zustand hinaus deutlich verbessert wird (ständige Rechtsprechung, z.B. in BFHE 113, 286, BStBl II 1975, 193, sowie BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 IX R 117/90, BFHE 166, 203, BStBl II 1992, 285). Bei der Prüfung, ob diese Kriterien erfüllt sind, kann die Höhe der Aufwendungen eine Rolle spielen. Handelt es sich dagegen um eindeutige Herstellungskosten, weil durch die Maßnahme etwas bisher nicht Vorhandenes geschaffen wird, kann die Zuordnung zu den Herstellungs- oder Erhaltungskosten grundsätzlich nicht von der Höhe der Aufwendungen abhängig gemacht werden.
Fundstellen
Haufe-Index 419156 |
BFH/NV 1994, 158 |