Leitsatz (amtlich)
Ein Hochschullehrer, der nebenher für Industriefirmen auf seinem fachkundlichen Gebiet der metallkundlichen und physikalischen Grundlagenforschung gutachtlich tätig wird, übt keine Tätigkeit im Sinne eines der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten oder diesen ähnlichen Berufe aus.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob Einkünfte des Revisionsklägers (Steuerpflichtigen) aus selbständiger Arbeit gemäß § 34 Abs. 4 EStG einem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Der Steuerpflichtige hat an einer Technischen Hochschule einen Lehrstuhl für Metallkunde und Physik inne und leitet das Institut für Metallkunde und Physik. Insoweit hat er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielte er Einkünfte in Höhe von 12 000 DM aus einer Beratungstätigkeit für zwei Industriefirmen. Danach beriet der Steuerpflichtige diese Firmen, die in Laboratorien für Grundlagenforschung wissenschaftlich qualifizierte Angestellte beschäftigen, auf seinem Fachgebiet.
Das FA lehnte den Antrag des Steuerpflichtigen, die von den Firmen bezogenen Einkünfte dem ermäßigten Steuertarif nach § 34 Abs. 4 EStG zu unterwerfen, auch in der Einspruchsentscheidung mit der Begründung ab, daß es sich insoweit nicht um Nebeneinkünfte im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG, sondern um berufliche Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handle.
Auch der Klage blieb der Erfolg versagt. Das FG ging davon aus, daß ungeachtet des wissenschaftlichen Charakters der Tätigkeit des Steuerpflichtigen § 34 Abs. 4 EStG nicht anzuwenden sei, weil diese als freie Berufstätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen werden müsse. Am ehesten würde der Tätigkeit des Steuerpflichtigen die Bezeichnung wissenschaftlicher Industrieberater auf dem Gebiet der Metallkunde und Physik gerecht. Eine solche Tätigkeit aber sei den übrigen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG namentlich aufgeführten freien Berufstätigkeiten gleichzustellen. Zu den freien Berufstätigkeiten gehörten nicht nur die typischen freien Berufe, sondern auch die ihnen ähnlichen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Steuerpflichtigen, mit der sich dieser erneut gegen die Versagung der Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG wendet, ist begründet.
Tarifbegünstigte Nebeneinkünfte im Sinne von § 34 Abs. 4 EStG sind Einkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit, soweit sie nicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder solcher aus einer freien Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind. Dabei entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß die praktische Berufsarbeit der in dem Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG namentlich aufgeführten typischen freien Berufe in der Regel nicht der wissenschaftlichen Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 34 Abs. 4 EStG gleichgestellt werden kann. Die Rechtsprechung (vgl. Urteil des BFH IV 359/61 U vom 20. Juni 1962, BFH 75, 325, BStBl III 1962, 385, und die dort aufgeführte Rechtsprechung) erkennt damit allgemein Einkünfte nicht als Nebeneinkünfte im Sinne von § 34 Abs. 4 EStG an, die ein Steuerpflichtiger in Ausübung eines Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder einem dieser ähnlichen Berufe erzielt.
Für die Entscheidung des Streitfalles ist demnach von wesentlicher Bedeutung, ob der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum 1964 bei seiner Tätigkeit für die Firmen praktische Berufsarbeit im Sinne einer der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG namentlich aufgeführten oder diesen ähnlichen typischen freien Berufe leistete. Hierfür genügt es jedoch nicht, daß, wie es in der Vorentscheidung geschieht, die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit der Bezeichnung wissenschaftlicher Industrieberater auf dem Gebiet der Metallkunde und Physik versehen und ganz allgemein den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG namentlich aufgeführten freien Berufstätigkeiten oder diesen ähnlichen gleichgestellt wird, ohne die sich aus dem Katalog ergebende Vergleichstätigkeit zu bezeichnen und ihre Identität mit der Tätigkeit des Steuerpflichtigen im einzelnen zu begründen.
Die Vorentscheidung, die insoweit eine Verletzung geltenden Rechts (§ 118 FGO) aufweist, muß aufgehoben werden.
Die Sache ist zur Entscheidung reif. Der Senat ist der Auffassung, daß es sich bei der unstreitig als wissenschaftlich zu charakterisierenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen ebensowenig um eine praktische Berufsarbeit, etwa die eines Ingenieurs, handelt wie um eine z. B. der gutachtlich wissenschaftlichen Tätigkeit des Chefarztes eines Krankenhauses, der nebenher keine freiberufliche Praxis betreibt, gleichzusetzende Tätigkeit (vgl. BFH-Urteile IV 104/52 U vom 13. November 1952, BFH 57, 83, BStBl III 1953, 33; IV 21/61 vom 20. Juli 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 34 Abs. 4 - 1955 -, Rechtsspruch 12). So ist der Steuerpflichtige nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht etwa wie ein beratender Ingenieur tätig, der wenn auch auf wissenschaftlicher Grundlage so doch in der Praxis auftretende Probleme zu lösen hat. Im Streitfall berät der Steuerpflichtige vielmehr unter weitgehender Einschaltung des von ihm geleiteten Hochschulinstituts für Metallkunde und Physik gutachtlich die wissenschaftlichen Laboratorien der beiden Firmen bei ihren Untersuchungen auf dem Gebiet der metallurgischphysikalischen Grundlagenforschung. Diese Tätigkeit steht aber nicht der eines Ingenieurs oder einem diesem ähnlichen Beruf gleich.
Da nach den Feststellungen der Vorinstanz die übrigen in § 34 Abs. 4 EStG geforderten Voraussetzungen vorlagen, steht dem Steuerpflichtigen die Tarifvergünstigung für die von den Firmen bezogenen Einkünfte zu.
Fundstellen
Haufe-Index 67985 |
BStBl II 1968, 406 |
BFHE 1968, 530 |