Leitsatz (amtlich)
Über einen Antrag auf Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung war auch nach dem Inkrafttreten des 2. StBerÄndG vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1401) nach altem Recht zu entscheiden, wenn nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Verwaltung zu verantworten hatte, daß der Antrag nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach und deshalb nachgeforderte Unterlagen erst zu einem Zeitpunkt eingingen, in dem es nicht mehr möglich war, eine Entscheidung noch vor der Rechtsänderung herbeizuführen.
Normenkette
StBerG i.d.F. des ÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) § 4 Abs. 2; StBerG i.d.F. des ÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) § 7; StBerG i.d.F. des ÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) § 8 Abs. 2; StBerG i.d.F. des ÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) § 8 Abs. 3; StBerG i.d.F. des ÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) § 8a Abs. 1; StBerG i.d.F. des ÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) § 118 Nr. 1; DVStBerG i.d.F. des StBerÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) § 4 Abs. 2-4, § 7; 2. StBerÄndG vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1401) Art. 1 Nr. 6b
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) trat am 1. September 1960 als Finanzschüler in die Finanzverwaltung ein. Er legte Ende 1964 die Steuerinspektorenprüfung ab, wurde am 1. Januar 1965 zum außerplanmäßigen, am 1. Oktober 1967 zum planmäßigen Inspektor ernannt und schied am 4. Februar 1971 auf eigenen Wunsch aus der Finanzverwaltung aus. Bis dahin war er insgesamt fünf Jahre und einen Monat als Sachbearbeiter auf dem Gebiete des Steuerwesens tätig gewesen. Er erhielt im Mai 1970 von der Beklagten und Revisionsbeklagten (OFD) auf seine Bitte ein Formblatt für die prüfungsfreie Zulassung als Steuerbevollmächtigter.
Am 1. August 1972 ging bei der OFD das vom Kläger ausgefüllte und unterzeichnete Formblatt ein. Es trägt die Überschrift: "Antrag auf Bestellung als Steuerbevollmächtigter unter Befreiung von der Prüfung". Der Abschnitt "1. Angaben zur Person" enthält u. a. die Frage nach dem "Ort der beabsichtigten beruflichen Niederlassung oder der vorgesehenen regelmäßigen Arbeitsstätte". die durch Anbringung eines Striches vom Kläger nicht beantwortet wurde. Der Abschnitt "3. Erklärungen" hat den vorgedruckten Inhalt:
"Ich erkläre,
a) daß meine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet sind ...
b) daß ich nicht (aktiver) Beamter ... der Finanzverwaltung bin; ...
c) daß mir nicht infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter abgesprochen worden ist;
d) daß ich nicht in einem Dienststrafverfahren durch rechtskräftiges Urteil mit der Entfernung aus dem Dienst bestraft worden bin;
e) daß ich nicht infolge eines körperlichen Gebrechens dauernd unfähig bin, den Beruf eines Steuerbevollmächtigten ordnungsgemäß auszuüben."
Die folgenden vorgedruckten Abschnitte lauten:
"4. Versicherung
Ich versichere, daß ich die vorstehenden Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe. Ich bin damit einverstanden, daß in die bei meiner (früheren) Dienststelle über mich geführten Akten Einsicht genommen wird.
5. Zulassungsgebühr
Ich habe die mit dem Antrag fällige Gebühr von 125 DM (§ 8 a StBerG) an die Oberfinanzkasse ... überwiesen.
6. Antragsunterlagen
Folgende dem Antrag nach § 7 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 3 DVStBerG beizufügende Unterlagen lege ich hiermit in nachstehender Reihenfolge vor:
a) 1 Paßbild ...
b) 1 lückenloser Lebenslauf ...
c) 1 Bescheinigung meiner letzten Dienstbehörde über die Art meiner Tätigkeit während der letzten 10 Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst."
Die in Abschnitt 6 erwähnten Unterlagen waren beigefügt.
Die Akten der OFD enthalten einen Vermerk vom 7. August 1972, wonach der Kläger noch am 1. August 1972 fernmündlich gebeten wurde, "noch folgende Unterlagen einzureichen:
1. Angabe über den Ort der beabsichtigten beruflichen Niederlassung; vgl. § 3 DVStBerG.
2. Überweisung der Zulassungsgebühr von 125 DM (§ 8 a Abs. 1 StBerG).
3. Amtliches Führungszeugnis (§ 4 Abs. 3 Nr. 5 DVStBerG)."
Dem Vermerk zufolge wurde er dabei auch darauf aufmerksam gemacht, "daß mit dem bevorstehenden Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetzes zum Steuerberatungsgesetz eine 15jährige Sachbearbeitertätigkeit erforderlich sein wird". und wurde ihm empfohlen, "die o. a. Unterlagen so schnell wie möglich vorzulegen, wenn er sicher gehen will, daß über seinen Antrag noch nach § 8 Abs. 2 StBerG der zur Zeit gültigen Fassung entschieden wird".
Auf Grund des vom Kläger am 1. August 1972 seiner Bank erteilten Überweisungsauftrags ging die Gebühr am 7. August 1972 bei der Kasse der OFD ein. Mit Schreiben vom Dienstag, dem 8. August 1972, das am Donnerstag, dem 10. August 1972, bei der OFD einging, erklärte der Kläger, der Ort der Niederlassung sei R. Mit dem Schreiben legte er den die Überweisung der Gebühr betreffenden Kontoauszug und ein polizeiliches Führungszeugnis vom 7. August 1972 vor. Das Schreiben ging dem für die Bearbeitung zuständigen Referat am Montag, dem 14. August 1972, zu. Am Sonntag, dem 13. August 1972, war das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 - 2. StBerÄndG - (BGBl I 1972, 1401, BStBl I 1972, 432) in Kraft getreten.
Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD lehnte durch Beschluß vom 9. November 1973 die Befreiung des Klägers von der Steuerbevollmächtigtenprüfung ab. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus: Nach § 118 a Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) i. d. F. des 2. StBerÄndG werde ein Bewerber u. a. dann zum Steuerbevollmächtigten bestellt, wenn er von der Prüfung befreit worden sei. Die Befreiung von der Prüfung nach dem durch Art. 1 Nr. 6 b des 2. StBerÄndG aufgehobenen § 8 Abs. 2 StBerG a. F. müsse vom Zulassungsausschuß vor Inkrafttreten des 2. StBerÄndG beschlossen worden sein. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen werde das Recht angewandt, das im Zeitpunkt der Entscheidung gegolten habe; das sei im vorliegenden Falle das Steuerberatungsgesetz i. d. F. des 2. StBerÄndG. Es reiche nicht aus, wenn der Antrag auf Befreiung von der Prüfung vor diesem Zeitpunkt eingereicht worden sei. Die Unterlagen selbst seien so spät bei der OFD vorgelegt worden, daß die Entscheidung über den Antrag vor dem Inkrafttreten des 2. StBerÄndG nicht mehr möglich gewesen sei. Das habe der Kläger selbst zu vertreten. Auf die besondere Eilbedürftigkeit wegen der bevorstehenden Änderung des Steuerberatungsgesetzes sei der Kläger ausdrücklich aufmerksam gemacht worden.
Hiergegen erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und die OFD zu verpflichten, ihn von der Steuerbevollmächtigenprüfung zu befreien. Das FG wies die Klage durch Urteil vom 18. Februar 1975 ab und führte aus:
Der vom BFH bestätigte Grundsatz, daß der Zulassungsausschuß das im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende neue Recht anzuwenden habe, gelte nur dann nicht, wenn der Antrag so früh eingebracht worden sei, daß bei einer seiner Bedeutung entsprechenden beschleunigten Bearbeitung die Entscheidung noch vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung hätte getroffen werden können (Urteil vom 22. März 1966 VII 265/63, BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296). Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. Die OFD habe die Entscheidung über den am 1. August 1972 gestellten Antrag nicht schuldhaft verzögert. Das Antragsformblatt sei nicht vollständig ausgefüllt gewesen. Deshalb habe die OFD den Kläger unmittelbar nach Eingang des Antrags aufgefordert, die für die Bearbeitung erforderlichen Angaben und Unterlagen umgehend beizubringen. Damit und durch den Hinweis auf das zu erwartende Inkrafttreten des 2. StBerÄndG habe sie ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger erfüllt. Das am Donnerstag, dem 10. August 1972, eingegangene Schreiben des Klägers vom 8. August 1972 habe keinen Hinweis auf die besondere Eilbedürftigkeit enthalten und sei deshalb in den allgemeinen Geschäftsgang geraten.
Mit der Revision macht der Kläger geltend: Sein Befreiungsantrag sei nach dem bis zum 12. August 1972 geltenden Recht begründet gewesen. Er habe den Ort der beabsichtigten Niederlassung schon beim Ferngespräch vom 1. August 1972 angegeben. Es sei rechtswidrig gewesen, daß die OFD die Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung von der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses abhängig gemacht habe. Der Zulassungsausschuß hätte ihn schon am 1. August 1972 von der Prüfung befreien können und das vor Ablauf des 12. August 1972 auch tun müssen. Er sei also zu dieser Befreiung nach den Grundsätzen des zitierten BFH-Urteils VII 265/63 weiterhin verpflichtet.
Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie macht geltend: Die Angabe des Ortes der beabsichtigten Niederlassung habe sie benötigt, um ihre örtliche Zuständigkeit feststellen zu können. Eine nur fernmündliche Angabe des Ortes habe keinen verbindlichen Charakter gehabt und sei deshalb nicht ausreichend gewesen. Im übrigen sei den Akten nicht zu entnehmen, daß fernmündlich über den Ort der beabsichtigten Niederlassung gesprochen worden sei. Ihre Aufforderung an den Kläger, ein polizeiliches Führungszeugnis nachzureichen, haben den Vorschriften des § 8 Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 StBerG a. F. entsprochen. § 8 a Abs. 1 StBerG verlange, daß die Gebühr bei der Stellung des Prüfungsantrags zu entrichten sei. Zahle der Bewerber nicht, so sei das analog § 8 a Abs. 2 StBerG als Verzicht auf die Bearbeitung des Antrags auszulegen, weil der Zulassungsausschuß ohne Gebühr nicht tätig zu werden brauche. Da noch wesentliche Angaben gefehlt hätten, habe der Zulassungsausschuß über den Antrag des Klägers nicht unmittelbar nach dem Eingang entscheiden können. Der BFH habe zwar in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 22. Oktober 1974 VII R 82/73 entschieden, daß es bei einer verschärfenden Gesetzgebung unbillig erscheine, das Schicksal eines vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung gestellten Antrags davon abhängig zu machen, wie zügig die zuständige Behörde arbeite. Im vorliegenden Falle treffe sie jedoch an der verspäteten Entscheidung im Gegensatz zu dem vom BFH im bereits zitierten Urteil VII 265/63 entschiedenen Fall kein Verschulden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig. Sie wird der Forderung des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO nach einem bestimmten Antrag gerecht, weil sie eindeutig erkennen läßt, daß der Kläger die Aufhebung des FG-Urteils und eine Entscheidung nach dem Klageantrag erstrebt (vgl. Beschluß des BVerwG vom 8. November 1954 Gr. Sen. 1/54/VC61/54, BVerwGE 1, 222). Die Revision ist auch begründet.
Das FG hat das Begehren des Klägers, den Beschluß des Zulassungsausschusses bei der OFD vom 9. November 1973 aufzuheben und die OFD zur Befreiung des Klägers von der Steuerbevollmächtigtenprüfung zu verpflichten, zu Unrecht abgewiesen. Denn die durch den angefochtenen Beschluß ausgesprochene Weigerung des Zulassungsausschusses, den Kläger von der Prüfung zu befreien, war rechtswidrig.
Als am 1. August 1972 bei der OFD der Antrag des Klägers einging, ihn unter Befreiung von der Prüfung zum Steuerbevollmächtigten zu bestellen, durfte nach § 4 Abs. 2 StBerG in der bis zum Ablauf des 12. August 1972 geltenden Fassung (a. F.) als Steuerbevollmächtigter bestellt werden, wer die Prüfung als Steuerbevollmächtigter bestanden hat oder von dieser Prüfung befreit worden ist. Ehemalige Beamte der Finanzverwaltung, die - wie der Kläger - während der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst mindestens fünf Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind, waren nach § 8 Abs. 2 StBerG a. F. von der Steuerbevollmächtigtenprüfung zu befreien. Nach § 8 Abs. 3 StBerG a. F. galten für die Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung die in § 7 für die Zulassung zu einer solchen Prüfung enthaltenen Vorschriften. Demnach war gemäß § 8 Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StBerG a. F. die Befreiung von der Prüfung wegen Fehlens der persönlichen Eignung zu versagen, wenn der Bewerber infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besaß. Nach § 8 Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 1 StBerG a. F. konnte die Befreiung von der Prüfung versagt werden, wenn der Bewerber sich so verhalten hatte, daß die Besorgnis begründet war, er werde den Berufspflichten als Steuerbevollmächtigter nicht genügen. Der Gesetzgeber hatte durch § 118 Nr. 1 StBerG a. F. die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen zu erlassen über das Verfahren bei der Zulassung zur Prüfung und bei der Befreiung von ihr, insbesondere über die dem Antrag auf Zulassung zur Prüfung beizufügenden Unterlagen. Die hierauf gestützte Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1. August 1962 - DVStBerG - (BGBl I 1962, 537) in der durch Art. 2 StBerÄndG vom 26. August 1969 (BGBl I 1969, 1411) geänderten Fassung (a. F.) bestimmte in § 4 Abs. 2 Nr. 2, daß in einem Antrag auf Zulassung zur Prüfung der Bewerber den Ort der beabsichtigten beruflichen Niederlassung angeben muß. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 und 5 DVStBerG a. F. waren dem Antrag ein lückenloser Lebenslauf mit genauen Angaben über die Person und den beruflichen Werdegang sowie ein polizeiliches Führungszeugnis beizufügen, dessen Ausstellung im Zeitpunkt des Antrags nicht mehr als drei Monate zurückliegen durfte. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 23. März 1976 VII R 106/73 (BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459) festgestellt, daß die Ermächtigungsvorschrift des § 118 Nr. 1 StBerG a. F. den Voraussetzungen des Art. 80 GG entspricht und die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Nr. 1 DVStBerG a. F. über die Beifügung eines Lebenslaufs im Rahmen der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber vorbehaltenen Regelungsbefugnis liegt und daß durch die Forderung der Vorlage eines Lebenslaufs das nach dem Urteil des BVerfG vom 11. Juni 1958 1 BvR 596/56 (BVerfGE 7, 377) insoweit zu wahrende Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Die Grundsätze des Urteils VII R 106/73 treffen auch für die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Nr. 5 DVStBerG a. F. über die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses zu. Die für den Antrag auf Zulassung zur Prüfung getroffenen Bestimmungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 5 DVStBerG a. F. gelten gemäß § 7 Abs. 1 DVStBerG a. F. für den hier zu beurteilenden Fall eines Antrags auf Befreiung von der Prüfung sinngemäß. Von der durch § 4 Abs. 2 Nr. 2 DVStBerG a. F. geforderten Angabe des Ortes der beabsichtigten beruflichen Niederlassung (oder der vorgesehenen regelmäßigen Arbeitsstätte) hing gemäß § 1 Abs. 1 und § 3 DVStBerG a. F. die örtliche Zuständigkeit des Zulassungsausschusses ab. Schließlich war bei der Stellung eines Antrags auf Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung nach § 8 a Abs. 1 StBerG a. F. eine Gebühr von 125 DM zu "entrichten".
Der Antrag des Klägers entsprach zunächst nicht den Vorschriften des § 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 5 DVStBerG a. F. sowie des § 8 a Abs. 1 StBerG a. F. über die Angabe des Ortes der beabsichtigten beruflichen Niederlassung, die Beifügung eines polizeilichen Führungszeugnisses und die "Entrichtung" der Gebühr, wenn man darunter mit der OFD den Eingang der Gebühr bei der OFD versteht. Die fehlende Ortsangabe holte der Kläger nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG schon während des Ferngesprächs am 1. August 1972 nach. Die Auffassung der OFD, diese Angabe habe keinen verbindlichen Charakter gehabt, teilt der Senat nicht. Die Vorschriften der §§ 4 und 7 DVStBerG a. F. über den Antrag auf Befreiung von der Prüfung beruhen zwar auf der Vorstellung, daß der Antrag schriftlich gestellt wird, schreiben aber eine Schriftform nicht ausdrücklich vor und schließen nicht aus, daß fehlende Angaben der Behörde gegenüber mündlich gemacht werden.
Die beiden übrigen Mängel hatte nicht der Kläger, sondern die OFD zu vertreten, weil sie das Antragsformblatt in den Abschnitten 3 bis 5 so gestaltet hatte, daß der Kläger davon ausgehen durfte, den Fortbestand seiner Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nur durch die in Abschnitt 3 c des Formblatts als richtig versicherte Angabe und nicht durch die Vorlage des polizeilichen Führungszeugnisses nachweisen zu müssen und in bezug auf die Gebühr mit der Erteilung des Überweisungsauftrags am 1. August 1972 bereits das Erforderliche getan zu haben. Der Umstand, daß sich die OFD gemäß § 4 Abs. 4 DVStBerG a. F. veranlaßt sah, auch nach dem Ferngespräch vom 1. August 1972 bis zum Eingang des polizeilichen Führungszeugnisses und der Gebühr untätig zu bleiben, kann somit nur als die Folge der den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes a. F. und der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes a. F. widersprechenden Gestaltung der Abschnitte 3 bis 5 des von der OFD erstellten Antragsformblattes angesehen werden. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben muß der Kläger deshalb so gestellt werden, als wenn er am 1. August 1972 bereits alle von ihm angeforderten Unterlagen eingereicht hätte und die OFD also sofort hätte tätig werden können. Sie hätte fernmündlich den Ort der beabsichtigten Niederlassung erfragen und noch vor dem Inkrafttreten des 2. StBerÄndG am 13. August 1972 eine Entscheidung des Zulassungsausschusses erwirken können. Sie hätte auch besonders schnell handeln müssen, weil eine für den Kläger einschneidende Gesetzesänderung bevorstand, wenn auch der genaue Inhalt und der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes noch nicht bekannt gewesen sein mochten.
Die Entscheidung hätte auch schnell gefällt werden können, da am Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen kein Zweifel bestand.
Nach allem mußte in Anlehnung an das erwähnte Urteil des Senats VII 265/63 über den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung auch nach dem Inkrafttreten des 2. StBerÄndG nach altem Recht entscheiden werden. Danach aber hätte die Entscheidung nur positiv für den Kläger ausfallen können, so daß die Entscheidung vom 9. November 1973 aufzuheben und der Verpflichtungsklage stattzugeben war (§ 101 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71938 |
BStBl II 1976, 634 |
BFHE 1977, 358 |