Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Klageschrift; formunwirksamer Vertrag zwischen nahen Angehörigen
Leitsatz (NV)
1. Die Klageschrift ist nach den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen. Für die Bestimmung des in der Klageschrift genannten Klägers sind alle dem FG und FA bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung ist im Zweifelsfall anzunehmen, dass das Rechtsmittel eingelegt werden sollte, das zulässig ist. Dies gilt grundsätzlich auch für Schriftsätze von rechtskundigen Bevollmächtigten.
2. Lassen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führt dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung - anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals - nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen wird aber verstärkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden kann.
Normenkette
BGB § 133; EStG § 4 Abs. 4, § 12; FGO § 65 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. S betrieb eine Tischlerei, an der der Kläger und Revisionsbeklagte --Kläger-- (s. hierzu nachfolgend II. 1.;) als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt war.
Der Kläger schloss mit seinen --in den Jahren 1986 und 1989 geborenen-- Söhnen M und D in den Streitjahren 1999 bis 2003 jeweils mehrere Verträge über verzinsliche Darlehen, die jeweils vom Kläger und dem betreffenden Sohn unterzeichnet wurden. Der Kläger und seine Ehefrau stimmten den Verträgen als gesetzliche Vertreter zu; ein Ergänzungspfleger wurde zunächst nicht bestellt. Die Verträge waren mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Jahres kündbar. Die Zinsen in Höhe von 7 % bzw. 8 % waren jährlich zum 31. Dezember zu entrichten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ die Schuldzinsen aus den Darlehensverträgen nicht zum Abzug als Sonderbetriebsausgaben zu, weil die Verträge mangels Bestellung eines Ergänzungspflegers zivilrechtlich nicht wirksam seien. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Steuerberater O, im Auftrag der atypisch stillen Gesellschaft Einspruch ein. O ist zugleich in den von S unterschriebenen Feststellungserklärungen für die Streitjahre als von den Beteiligten bestellter Empfangsbevollmächtigter genannt. Während des Einspruchsverfahrens genehmigten der zwischenzeitlich volljährige M und für D --nachdem für seine Darlehen eine dingliche Sicherheit bestellt worden war-- eine vom Vormundschaftsgericht bestellte Ergänzungspflegerin mit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung die Darlehensverträge. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück; die Einspruchsentscheidung weist im Rubrum und in den Gründen die atypisch stille Gesellschaft als Einspruchsführerin aus.
Im Rubrum der Klageschrift bezeichnete O die atypisch stille Gesellschaft als Kläger. Das Finanzgericht (FG) legte die Klage als Klage von S und dem Kläger aus und gab ihr statt. Der Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse sei im Streitfall keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Die Darlehensverträge entsprächen inhaltlich dem unter Fremden Üblichen und seien entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt worden. Die fehlende Besicherung der Rückzahlungsansprüche stehe dem nicht entgegen, da eine Besicherung unter fremden Dritten erst bei langfristigen Darlehen üblich sei. Im Streitfall seien die Darlehen hingegen mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende kündbar gewesen. Die Nichtbeachtung der Formvorschriften sei den Beteiligten nicht anzulasten, da sie dem Kläger --nach seiner glaubhaften Einlassung-- nicht bekannt gewesen seien. Der Formfehler sei auch zeitnah nach seiner Aufdeckung behoben worden.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Klage ist so auszulegen, dass sie nur für den Kläger und --entgegen der Auffassung des FG-- nicht auch für S erhoben wurde; das Rubrum dieses Verfahrens ist entsprechend zu berichtigen.
a) Die Klageschrift ist nach den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen. Für die Bestimmung des in der Klageschrift genannten Klägers sind alle dem FG und FA bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Mai 1998 IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146, m.w.N.). Nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung ist im Zweifelsfall anzunehmen, dass das Rechtsmittel eingelegt werden sollte, das zulässig ist (BFH-Urteil vom 29. November 2007 IV R 81/05, BFHE 220, 94, BStBl II 2008, 561, m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch für Schriftsätze von rechtskundigen Bevollmächtigten (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2007 IV R 28/05, BFHE 218, 75, BStBl II 2007, 704).
b) Die Klageschrift ist --wie auch das FG zu Recht angenommen hat-- auslegungsbedürftig und auslegbar. In ihrem Rubrum ist die atypisch stille Gesellschaft als Kläger bezeichnet. Eine atypisch stille Gesellschaft kann jedoch nicht Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein, das die gesonderte Feststellung ihrer Einkünfte betrifft (BFH-Beschluss vom 3. März 1998 VIII B 62/97, BFHE 185, 131, BStBl II 1998, 401, m.w.N.). Diese fehlerhafte Klägerbezeichnung hat das FA dem Grunde nach veranlasst, weil es in der Einspruchsentscheidung die atypisch stille Gesellschaft als Einspruchsführerin bezeichnet hat. Die Klage ist daher dahin gehend auszulegen, dass sie vom Kläger als dem durch die Einspruchsentscheidung beschwerten Gesellschafter erhoben worden ist (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 146); denn sie richtet sich gegen die Feststellungsbescheide für die Streitjahre in der Fassung der Einspruchsentscheidung.
Der Kläger ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt. Danach kann wegen einer Frage, die einen Beteiligten persönlich angeht, dieser Beteiligte Klage erheben, wenn er durch die Feststellungen über die Frage berührt wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn über Sonderbetriebseinnahmen oder Sonderbetriebsausgaben eines Gesellschafters gestritten wird (BFH-Urteil vom 4. Mai 2000 IV R 16/99, BFHE 191, 539, BStBl II 2001, 171). Im Streitfall hat das FA mit der Einspruchsentscheidung (nur) über die Abziehbarkeit der Schuldzinsen aus den Darlehensverträgen zwischen dem Kläger und seinen Söhnen als Sonderbetriebsausgaben entschieden.
Entgegen der Auffassung des FG ist die Klage nicht zugleich als Klage des S auszulegen; denn er wäre nach § 48 FGO nicht klagebefugt und die Klage damit unzulässig. Eine Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative FGO kommt nicht in Betracht, da es bei der atypisch stillen Gesellschaft "einen zur Vertretung berufenen" Gesellschafter nicht gibt. Die Vorschrift kann auf den Inhaber des Handelsgeschäfts auch nicht analog angewandt werden (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 185, 131, BStBl II 1998, 401, m.w.N.). Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO ist S nicht klagebefugt, weil mit O ein Klagebevollmächtigter nach § 48 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative, Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO i.V.m. § 183 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) vorhanden ist; auch eine am Feststellungsverfahren nicht beteiligte Person kann zum Empfangsbevollmächtigten bestellt werden (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Finanzgerichtsordnung, § 183 AO Rz 10; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 183 AO Rz 62). Eine Klagebefugnis des S kann ferner nicht aus § 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO abgeleitet werden.
Aus den zuvor genannten Gründen ist auch der Einspruch so auszulegen, dass der Kläger Einspruch eingelegt hat und die Einspruchsentscheidung damit nur ihm gegenüber ergehen konnte. Die Frage, wer Einspruchsführer war, konnte angesichts des durch das Einspruchsschreiben eng umgrenzten Personenkreises nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist beantwortet werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162).
2. Das FG hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, O zum Verfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen.
a) Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). O ist als Klagebevollmächtigter gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative, Abs. 2 FGO i.V.m. § 183 Abs. 1 Satz 1 AO klagebefugt und wäre damit notwendig beizuladen gewesen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. November 2008 IV B 136/07, BFH/NV 2009, 597; sowie Steinhauff in HHSp, § 48 FGO Rz 142 und 309, jeweils m.w.N.).
b) Das Unterlassen der notwendigen Beiladung durch das FG begründet einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 IV R 52/04, BFHE 219, 129). Die Beiladung kann zwar in der Revisionsinstanz nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO nachgeholt werden. Der Senat übt sein ihm in dieser Vorschrift eingeräumtes Ermessen aber dahin gehend aus, dass er die Beiladung nicht selbst vornimmt. Denn der Zweck einer Beiladung im Revisionsverfahren, eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zu vermeiden (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2002 I R 12/02, BFH/NV 2003, 636, m.w.N.), kann im Streitfall nicht erreicht werden, da das angefochtene Urteil schon aus anderen Gründen aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen ist.
3. Zu Unrecht hat das FG entschieden, dass die Schuldzinsen aus den Darlehensverträgen zwischen dem Kläger und seinen Söhnen als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Die Beurteilung der Darlehensverträge durch das FG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Sonderbetriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch die Beteiligung an der Personengesellschaft veranlasst sind. Aufwendungen aufgrund eines Vertrags zwischen nahen Angehörigen können nur durch die Beteiligung veranlasst sein, wenn der Vertrag steuerrechtlich anzuerkennen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 50/97, BFHE 191, 267, BStBl II 2000, 393, m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Diese Anforderungen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessensgegensatz fehlt und zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können. Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen. Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zugehörig sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2007 IX R 45/06, BFHE 217, 409, m.w.N.).
aa) Lassen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führt dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung --anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals-- nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen (BFH-Urteile in BFHE 217, 409, und vom 7. Juni 2006 IX R 4/04, BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294, jeweils m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des FA (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 2. April 2007 IV B 2-S 2144/0, 2007/0139659, BStBl I 2007, 441) gilt dies auch dann, wenn sich das Formerfordernis eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertragsschlusses ist nur ein Indiz gegen den vertraglichen Bindungswillen der Beteiligten. Dieses Indiz darf nicht zu einem Tatbestandsmerkmal verselbständigt werden, das schon für sich genommen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34; sowie BFH-Urteil in BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294).
Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen wird aber verstärkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden kann (BFH-Urteil in BFHE 217, 409, m.w.N.). In diesem Sinn ist auch die Aussage in dem --vom FA zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung angeführten-- BFH-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97 (BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386) zu verstehen, die steuerrechtliche Anerkennung eines formunwirksamen Vertrags setze voraus, dass den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften nicht angelastet werden könne.
bb) Ob der Vertrag dem Fremdvergleich standhält, ist nach der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu entscheiden. Bei einem Darlehensvertrag ist die Fremdüblichkeit anhand der Vereinbarung über die Laufzeit und Rückzahlbarkeit des Darlehens, der regelmäßigen Entrichtung der Zinsen sowie der Darlehensbesicherung zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 267, BStBl II 2000, 393, m.w.N.). Dabei kann einzelnen Beweisanzeichen je nach Lage des Falles im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, m.w.N.).
cc) Die revisionsrechtliche Überprüfung der Gesamtwürdigung des FG durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil vom 19. August 2008 IX R 23/07, BFH/NV 2009, 12, m.w.N.).
b) Nach diesen Maßstäben ist die Gesamtwürdigung des FG rechtsfehlerhaft.
aa) Zu Unrecht hat das FG die schwebende Unwirksamkeit der Darlehensverträge (vgl. § 177 Abs. 1 i.V.m. § 181, § 1629 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) in den Streitjahren nicht als verstärktes Indiz gegen den vertraglichen Bindungswillen der Vertragsbeteiligten gewürdigt. Denn der Ausschluss des Klägers und seiner Ehefrau von der Vertretung ihrer Söhne beim Abschluss der Darlehensverträge und damit die Erforderlichkeit einer Ergänzungspflegschaft (§ 1909 BGB) ergeben sich eindeutig aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften.
Entgegen der Auffassung des FG ist unerheblich, ob dem Kläger diese Vorschriften bekannt waren oder nicht. Der Formmangel ist den Vertragspartnern schon dann als verstärktes Indiz gegen ihren Rechtsbindungswillen "anzulasten", wenn die Zivilrechtslage --objektiv-- klar ist. Eine verstärkte Indizwirkung ist mithin auch dann anzunehmen, wenn den Vertragspartnern in Bezug auf den Formmangel weder ein vorsätzliches noch ein fahrlässiges Handeln vorzuwerfen ist (so auch Heuermann, Der Betrieb 2007, 1267, unter V.). Hinzu kommt, dass das FA oder das FG --worauf das FA zu Recht hinweist-- nur schwer feststellen könnten, ob die Beteiligten das Formerfordernis gekannt haben oder hätten kennen müssen.
bb) Unzutreffend ist die Auffassung des FG, die fehlende Besicherung der Darlehen sei fremdüblich, weil die Darlehensverträge mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Jahres kündbar waren und eine Besicherung unter fremden Dritten erst bei langfristigen Darlehen üblich sei.
Für die Fremdüblichkeit einer Besicherung ist entscheidend, ob ein fremder Gläubiger unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen eine Sicherheit gefordert hätte (zu Darlehensverträgen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573). Hierzu hat das FG keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Der Umstand, dass die Ergänzungspflegerin die Darlehensverträge mit D erst genehmigt hat, nachdem für seine Darlehen eine dingliche Sicherheit bestellt worden war, legt allerdings nahe, dass ein fremder Gläubiger nicht auf eine Sicherheit verzichtet hätte. Entgegen der Auffassung des FG ist dem BFH-Urteil vom 7. November 1990 X R 126/87 (BFHE 163, 49, BStBl II 1991, 291) nicht zu entnehmen, eine Besicherung sei unter fremden Dritten nur bei langfristigen Darlehen üblich. Der BFH hat dort vielmehr offengelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen auch bei einer kürzeren Vertragsdauer als vier Jahren nach den Umständen des Einzelfalles eine Besicherung der Darlehensforderung unter fremden Dritten üblich sei.
Auch ist im Fall eines Kündigungsdarlehens --wie den Darlehensverträgen im Streitfall-- für die Frage, ob es sich um ein langfristiges Darlehen handelt, grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Gläubiger unter Ausschöpfung seiner Kündigungsrechte eine kurzfristige oder nur eine langfristige Rückzahlung des Darlehens erzwingen kann (BFH-Urteil vom 28. Januar 1993 IV R 109/91, BFH/NV 1993, 590, m.w.N.); ein langfristiges Darlehen ist jedenfalls bei einer Laufzeit von mindestens vier Jahren anzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 163, 49, BStBl II 1991, 291). Im Streitfall ist dabei zu berücksichtigen, dass die minderjährigen Söhne für eine wirksame Kündigung der Einwilligung eines Ergänzungspflegers bedurften (vgl. § 107, § 1909 i.V.m. § 181, § 1629 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
cc) Ferner hat das FG rechtsfehlerhaft nicht alle für eine Gesamtwürdigung erforderlichen Feststellungen getroffen und demzufolge nicht alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Gesamtwürdigung einbezogen. Das FG hat sich im Wesentlichen auf die Feststellung beschränkt, dass die Gestaltung und die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen. Es hat indes nicht festgestellt, ob der Kläger die vereinbarten Darlehenszinsen tatsächlich fortlaufend an seine Söhne gezahlt hat. Auch fehlt es an tatsächlichen Feststellungen zur Fremdüblichkeit der Vereinbarungen über die Rückzahlbarkeit der Darlehen.
4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zur Fremdüblichkeit der streitigen Darlehensverträge nachholen und sie insgesamt neu beurteilen. Dabei weist der Senat darauf hin, dass allein eine fortlaufende Zinszahlung nicht für die steuerrechtliche Anerkennung der streitigen Darlehensverträge genügen wird. Außerdem wird es O zum Verfahren beiladen.
Fundstellen
Haufe-Index 2188135 |
BFH/NV 2009, 1427 |
EStB 2009, 296 |